Название: Verteidigung in der Hauptverhandlung
Автор: Klaus Malek
Издательство: Bookwire
Серия: Praxis der Strafverteidigung
isbn: 9783811446458
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Den dort geäußerten Ansichten ist im Wesentlichen beizupflichten: „Sockelverteidigung“, veranlasst und notwendig geworden durch das Verbot der Mehrfachverteidigung,[36] bezweckt die Maximierung gemeinsamer Abwehrkräfte der Verteidigung und die Vermeidung von Gefahren, die sich aus der Widersprüchlichkeit des Verhaltens mehrerer Beschuldigter ergeben können.[37] Der Verteidiger muss sich darüber im Klaren sein, dass die Äußerungen und das Verhalten sowohl des eigenen Mandanten wie auch des Mitangeklagten Beweismittelqualität haben und damit zur (schlimmstenfalls gegenseitigen) Überführung beitragen können.[38] Hier gilt es rechtzeitig vorzubeugen.
Hinweis
In rechtlicher Hinsicht muss der Verteidiger wissen, dass der Informationsaustausch zwischen Verteidigerkollegen zulässig ist.[39] Die Einbindung des Mandanten unter vollständiger Offenlegung dessen, was zwischen den Verteidigern besprochen wurde, ist dabei nicht nur erlaubt, sondern zwingend.[40] Dies ergibt sich aus dem grundsätzlich privatrechtlich geregelten Vertrag zwischen Mandant und Anwalt. Vertraulichkeitszusagen gegenüber Verteidigerkollegen, die Mitbeschuldigte verteidigen, darf es daher nicht geben. Andererseits darf der Verteidiger aber auch nicht erwarten, dass die beteiligten Kollegen mit seinen Informationen anders umgehen. Es empfiehlt sich, im Hinblick hierauf den Mandanten eine Erklärung über die Entbindung von der anwaltlichen Schweigepflicht abgeben zu lassen. Das gleiche gilt für Absprachen über die Verteidigungsstrategie, insbesondere zur Frage des Schweigerechts oder zu Art und Inhalt der Sacheinlassung der Angeklagten. Die Grenze zulässigen Verteidigerverhaltens liegt dort, wo die Verteidiger ihren Mandanten eine bewusst wahrheitswidrige, aufeinander abgestimmte Aussage empfehlen.[41]
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Die Verteidigung mehrerer Angeklagter durch Wahlverteidiger einer Sozietät stellt auch keine unzulässige Mehrfachverteidigung i.S.v. § 146 dar und rechtfertigt daher auch keinen Zurückweisungsantrag nach § 146a.[42] Notwendig ist allerdings, dass sich für jeweils einen Mitbeschuldigten nur jeweils bis zu drei bestimmte Verteidiger melden. In diesem Fall ist es unschädlich, wenn in der Vollmachtsurkunde keiner der darin genannten Rechtsanwälte durch Streichung seines Namens ausgeschlossen ist.[43]
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Auch „Sockelverteidigung“ ist Individualverteidigung: Der Verteidiger kann eine einheitliche Verteidigungskonzeption daher nur mittragen, wenn sie für seinen eigenen Mandanten Vorteile, jedenfalls aber keine Nachteile, bringt.[44] Schon hieraus, aber auch aus verfassungsrechtlichen Gründen,[45] ergibt sich, dass die Verständigung unter Mitverteidigern keine Bindung im prozessrechtlichen Sinne bewirkt.[46] In taktisch-psychologischer Hinsicht sollte der Verteidiger darauf achten, dass er gegenüber dem Mitverteidiger bzw. Mitangeklagten seines Mandanten, die ja immerhin potentielle Prozessgegner sind, nicht einseitig in Vorleistung tritt. Vorab ist zu prüfen, ob überhaupt Bereitschaft und Interesse an einer Zusammenarbeit bestehen. Eine ablehnende Haltung kann in der Sache selbst, aber auch in der Person des Kollegen, des Mitangeklagten oder im Verhältnis der Angeklagten zueinander liegen. Besteht dagegen der Wille zur Kooperation, so sollten – stets aber unter voller Einbeziehung des Mandanten – die Verteidigungsziele definiert und die Möglichkeiten gemeinsamer Verteidigung erörtert werden. Bei diesen „Verhandlungen“, aber auch bei der späteren Realisierung des Vereinbarten, empfiehlt sich bedingt kooperatives Verhalten. Dies bedeutet, dass der Verteidiger nur um den Preis der durch die Zusammenarbeit errungenen Vorteile von einer möglicherweise (!) erfolgreicheren Konfrontationsstrategie Abstand nimmt, diese aber durchaus einzuschlagen bereit ist, wenn die Seite des Mitangeklagten vom Verabredeten abweichen will. Kündigt beispielsweise der Mitangeklagte entgegen der gemeinsamen Absprache, wonach beide Angeklagte von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen, in der Hauptverhandlung unvermittelt an, er wolle ein Geständnis ablegen, um sich die Vorteile eines Geständnisses zu sichern, so wäre es in der Regel ein grober Fehler, sich weiterhin kooperativ zu verhalten und aus diesem Grund zu schweigen.
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Bei der Umsetzung der gemeinsamen Verteidigungsstrategie in der Hauptverhandlung sollte der Verteidiger allerdings keine Zurückhaltung üben: Er kann auch dann fragen, beanstanden, ablehnen und Beweisanträge stellen, wenn vorrangig nur der Mitangeklagte betroffen ist.[47] Dies ist eine Konsequenz daraus, dass die einheitliche Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung für und gegen alle Mitangeklagten wirkt.[48] Der Verteidiger muss dann selbstverständlich auch das Recht haben, umfassend auf das Prozessgeschehen einzuwirken.
Teil 2 Allgemeines › IV. Die Stellung des Verteidigers und sein Verhältnis zu den Prozessbeteiligten › 5. Die Medien in der Hauptverhandlung
5. Die Medien in der Hauptverhandlung
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Die Prozessberichterstatter und Vertreter der Medien sind im juristischen Sinne keine Prozessbeteiligten. Allerdings sind sie als Teil der Öffentlichkeit und über Art. 5 GG mit eigenen Rechten ausgestattet, ein gewichtiger Faktor im gesamten Strafverfahren, meist noch mehr im Ermittlungsverfahren als in der Hauptverhandlung. Der Verteidiger, der die Interessen seines Mandanten bestmöglich wahrnehmen will, darf sie nicht ignorieren.
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Die in Art. 5 GG garantierte Pressefreiheit schützt auch die Medienberichterstattung aus einem Strafverfahren, denn zum Kern der Meinungsäußerungsfreiheit der Presse gehört auch, dass die Medien nach eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses für wert halten und was nicht.[49] Dies gilt unabhängig davon, ob sie, der staatstheoretischen Begründung folgend, öffentliche Kontrolle und Schutz vor Willkür durch die Justiz bieten soll,[50] oder ob sie, wie heute überwiegend angenommen wird, dem Informationsinteresse der Allgemeinheit dient.[51] Der Verteidiger muss die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls in Grundzügen kennen, um argumentativ gewappnet zu sein, wenn es darum geht, die Interessen seines Mandanten in der Hauptverhandlung zu schützen.[52]
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§ 169 Satz 2 GVG verbietet Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen aus der Hauptverhandlung zum Zweck der Veröffentlichung und schränkt damit die Pressefreiheit ein. Die Vorschrift ist verfassungsgemäß,[53] ja sogar verfassungsrechtlich geboten,[54] und auch zwingend, ohne dass dem Vorsitzenden bei einer entsprechenden sitzungspolizeilichen Anordnung ein Ermessenspielraum zustünde. Der Verteidiger muss daher, um seinen Mandanten zu schützen, gegenüber dem Vorsitzenden auf strikter Einhaltung dieses Verbots bestehen.[55]
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Das Verbot des § 169 Satz 2 GVG umfasst allerdings nicht das Anfertigen von einfachen Bildaufnahmen (einerlei, ob in analoger oder digitaler Form) im Gerichtssaal während der Hauptverhandlung[56] (was nicht bei allen Gerichten bekannt ist) und außerhalb des Gerichtssaals,[57] und gilt auch nicht für Ton- und Filmaufnahmen außerhalb der Hauptverhandlung.[58] Allerdings kann der Vorsitzende alle diese Aufnahmen im Rahmen seiner sitzungspolizeilichen СКАЧАТЬ