Название: Verteidigung in der Hauptverhandlung
Автор: Klaus Malek
Издательство: Bookwire
Серия: Praxis der Strafverteidigung
isbn: 9783811446458
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2. Verhältnis zu Staatsanwaltschaft und Gericht
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In letzter Linie ist es immer der Vertheidiger, der für eineunwürdige Behandlung verantwortlich erscheint, welche seinClient von irgend einer Seite zu erleiden hat(Vargha Die Vertheidigung in Strafsachen, 1879, § 226) |
Für das generelle Verhältnis des Verteidigers zur Staatsanwaltschaft und zum Gericht gilt gegenüber dem Vor- und Zwischenverfahren nichts Besonderes. Zweifellos ist jedoch gerade die Hauptverhandlung besonders konfliktträchtig, weil informelle „bilaterale“ Gespräche zwischen den Verfahrensbeteiligten nur noch begrenzt möglich sind, Auseinandersetzungen daher in der Regel öffentlich ausgetragen werden, also auch mit Gesichtsverlusten für die eine oder andere Seite verbunden sein können, und weil der Verfahrensausgang unmittelbar bevorsteht. Gerade in dieser Situation gilt es für den Verteidiger, Prinzipientreue zu wahren. Korrektheit in der Form, Härte und Kompetenz in der Sache und Verlässlichkeit in den Äußerungen sind Eigenschaften des Verteidigers, die nicht nur im Vorverfahren, sondern gerade auch in der Hauptverhandlung notwendig sind.
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Die Frage, ob der Verteidiger zugunsten seines Mandanten (auch in der Hauptverhandlung) lügen darf, oder ob er einem Lügeverbot unterliegt, ist seit vielen Jahren zum Gegenstand von Auseinandersetzungen in der Literatur geworden. Der rigorosen Haltung des Bundesgerichtshofs, der die „Beratung bei der Lüge“ untersagt,[9] steht diametral die Auffassung von Kleine-Cosack entgegen, der das Lügeverbot für unangebracht hält, soweit Rechtsanwälte (nicht nur Strafverteidiger) mit ihren „Falschaussagen“ einen „legitimen – rechtsstaatlich vertretbaren Zweck“ verfolgten.[10] Dem widerspricht die h.M. (unter Beteiligung namhafter Strafverteidiger) und bestreitet ein „Recht zur Lüge“.[11] Dem ist zuzustimmen. Zum einen würde das Bewusstsein auf Seiten des Gerichts, vom Verteidiger angelogen werden „zu dürfen“ dessen Position und Glaubwürdigkeit schwächen. Selbst die Beteuerung des Verteidigers, die Wahrheit zu sagen, könnte dann nicht mehr ernst genommen werden, denn auch diese Beteuerung wäre, legt man die Kriterien von Kleine-Cosack zugrunde, vom „Lügerecht“ gedeckt. Gillmeister[12] weist auf einen zweiten, nicht weniger wichtigen Aspekt hin. Wenn der Verteidiger lügen darf, dann wird er, wenn es dem Mandanten nützt, zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten logischer Weise auch lügen müssen. Wenn man bedenkt, dass hierzu in letzter Konsequenz auch die Erfindung und Ausarbeitung wahrheitswidriger, aber nützlicher Einlassungskonstrukte gehören würde, wird die Absurdität des „Lügerechts“ offenkundig. Das Lügeverbot ist daher auch ein Schutz gegen die Verpflichtung des Verteidigers zu lügen.[13]
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Staatsanwalt und Gericht müssen allerdings auch spüren, auf wessen Seite der Verteidiger steht. Wer es z.B. zulässt, dass sein Mandant von anderen Verfahrensbeteiligten mit Umgangsformen bedacht wird, die sich der Grenze zur Beleidigung nähern, darf sich nicht wundern, wenn er als Verfahrensgegner nicht mehr ernst genommen wird. Gerade in der Hauptverhandlung, in der meist die erste direkte Konfrontation des Angeklagten mit Staatsanwaltschaft und Gericht stattfindet, erweist sich die Wichtigkeit des couragierten Verteidigerbeistandes für den Mandanten. Der Verteidiger muss daher gegenüber der Staatsanwaltschaft und dem Gericht mit dem Anspruch und dem Bewusstsein eines gleichgeordneten Verfahrensbeteiligten auftreten. Insbesondere unterliegt die Art seiner Verteidigungsführung nicht deren Kontrolle.[14] Im Verhältnis zum Staatsanwalt gilt der Grundsatz der Waffengleichheit zwischen Anklagebehörde und Verteidigung, der aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK herzuleiten ist, und der gewährleisten soll, dass den Beteiligten eines Strafverfahrens nicht ohne sachliche Notwendigkeit unterschiedliche Rechtspositionen im Prozess eingeräumt werden.[15] Dass die StPO selbst zahlreiche Regelungen enthält, die einem solchen Anspruch nicht gerecht werden,[16] sollte den Verteidiger nicht daran hindern, in geeigneten Situationen an die Existenz dieses Grundsatzes zu erinnern.
Hinweis
Von Seiten mancher Strafverteidiger wird der Staatsanwaltschaft vorgehalten, sie bezeichne sich gerne selbst als „objektivste Behörde der Welt“.[17] Mit diesem Vorwurf sollte man vorsichtig sein, denn er ist nicht zutreffend. Selbst wenn der Begriff ursprünglich von einem Staatsanwalt gekommen sein sollte,[18] so wurde diese für den Praktiker überraschende Etikettierung doch erst populär durch einen Vortrag des Strafrechtslehrers Franz von Liszt am 23.3.1901 beim Berliner Anwaltsverein, der sie allerdings als leicht erkennbare „Entgleisung“ bezeichnet hat![19] Neuere Äußerungen von Angehörigen der Strafverfolgungsbehörden sind hierzu nicht bekannt geworden.[20]
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Der am Interesse des Angeklagten orientierte Verteidiger muss prinzipiell auch bereit sein, eine harte Verteidigungslinie zu führen, wenn dies dem Mandanten nützt. Er darf, wenn nötig, auch heftige Auseinandersetzungen nicht scheuen. Dies gilt auch und gerade im Zeitalter der konsensualen Verfahrenserledigung. Engagement und Konfliktbereitschaft in diesem Sinne bedeuten jedoch nicht Theaterdonner und Lautstärke um jeden Preis, wie dies leider von manchen Kollegen verstanden und von vielen Angeklagten als besonders energische Interessenvertretung missverstanden wird. Im Gegenteil: Korrekte Form verträgt sich sehr wohl mit Härte und Konsequenz in der Sache und kann diese sogar in ihrer Wirkung verstärken.[21]
Hinweis
Die Bereitschaft zur harten, aber an der Sache orientierten Auseinandersetzung sollte sich der Verteidiger auch nicht durch den Vorwurf miesmachen lassen, er betreibe „Konfliktverteidigung“. Wenn die Beschreibung des typischen „Konfliktverteidigers“ durch den ehemaligen Strafkammervorsitzenden Föhrig, der hier unus pro omnibus in die Verantwortung genommen werden soll,[22] der Gefühlswelt des Strafrichters im Allgemeinen entspräche, dann gehörten zu dieser Art der Verteidigung auch „beständige Unterbrechungen zur Abgabe (sinnloser) Erklärungen“ (§ 257 Abs. 2), „zahllose Anträge, vornehmlich auf Beweiserhebungen“ (§§ 246 ff.) und die Richterablehnung wegen Befangenheit (§§ 24 ff.).[23] „Alles Derartige still zu erdulden, allem nachzugeben, verzögert das Verfahren ersichtlich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag“, meint Föhrig, und empfiehlt seinen Kollegen „ständige Unterbrechungen, Spötteleien, Diskurse“, um den Verteidiger („Anwälte sind auch – nur – Menschen“) „aus dem Fahrwasser“ zu bringen.[24] Zeige sich der Verteidiger „beratungsresistent“, so sei sein Verhalten durch „stilles Mitschreiben“ zu protokollieren und dieser Protokollteil der Anwaltskammer auf dem Dienstweg zu übersenden.[25] Dem sei nichts hinzugefügt.
Die praktische Erfahrung zeigt, dass die Bereitschaft der Verteidigung, durch einseitige Nachgiebigkeit, etwa durch ein frühes Geständnis des Angeklagten ohne Taktieren und ohne die Vorteile einer Vereinbarung nach § 257c, dem Gericht die Arbeit zu erleichtern, in der Regel nicht honoriert wird. Über die Gründe für diese Erfahrung (von der es selbstverständlich Ausnahmen gibt!) kann nur spekuliert werden: Möglicherweise „verbindet“ eine lange dauernde Hauptverhandlung auch die Kontrahenten eines Strafverfahrens in dem Sinne, dass eine harte Bestrafung des Gegners schwerer fällt als in einem sprichwörtlich „kurzen Prozess“; vielleicht ist es in psychologischer Hinsicht auch einfacher, jemanden zu bestrafen, dessen Täterschaft durch das eigene Geständnis „einwandfrei“ feststeht und nicht nur aufgrund der gerichtsbekannt irrtumsanfälligen Würdigung von Indizien und Beweismitteln. Der Verteidiger darf sich deshalb bei Richtern, die er nicht kennt und nicht einzuschätzen vermag, nicht etwa durch mehr oder weniger deutliche Versprechungen ködern lassen („diese Kammer weiß ein Geständnis СКАЧАТЬ