Название: Verteidigung in der Hauptverhandlung
Автор: Klaus Malek
Издательство: Bookwire
Серия: Praxis der Strafverteidigung
isbn: 9783811446458
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Es ist nützlich, sich über Eigenarten und Besonderheiten von Richtern zu erkundigen, mit denen der Verteidiger noch nicht zu tun hatte.[26] „Vor Ort“ dürfte dies kein Problem sein. Aufwendiger können sich die Recherchen bei auswärtigen Gerichten gestalten. Hier empfiehlt sich die Erkundigung bei Kollegen am Gerichtsort, wobei die Chance auf nützliche Informationen recht groß ist, wenn man sich zunächst an den Mitgliederlisten der betreffenden Strafverteidigervereinigung oder der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht im Deutschen Anwaltsverein orientiert. Bei den dort organisierten Strafverteidigern dürfte sicherlich Verständnis für das Anliegen des Kollegen zu erwarten sein. Sind die Berufe der Schöffen nicht aus der Besetzungsmitteilung oder der Termintafel ersichtlich, so sollte sich der Verteidiger nicht scheuen, gleich zu Beginn der Verhandlung danach zu fragen. Auch hieraus können sich manche Anregungen für die Verteidigung ergeben.
Teil 2 Allgemeines › IV. Die Stellung des Verteidigers und sein Verhältnis zu den Prozessbeteiligten › 3. Verhältnis zum Angeklagten
3. Verhältnis zum Angeklagten
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Durch Nichts und Niemanden darf sich der Vertheidigerabhalten lassen, das für den Schutz seines Clienten Nothwendigevorzukehren, auch nicht durch den Beschuldigten selbst(Vargha Die Vertheidigung in Strafsachen, 1879, § 215) |
Das Verhältnis des Verteidigers zu seinem Mandanten, die „Vertrauensfrage“, der Umgang mit dem Tatverdacht und dem Zweifel, sind schwierige und grundsätzliche Fragen, die den Rahmen von Ausführungen zur Hauptverhandlung sprengen würden, und die in der Regel auch bereits bei der Anbahnung und der Begründung des Mandatsverhältnisses, jedenfalls nicht erst in der Hauptverhandlung, zu klären sind.[27] Sympathisch erscheint mir im Umgang mit dem Zweifel an scheinbar „unglaublichem“ Mandantenvorbringen die Auffassung, Strafverteidiger seien letztlich alle Agnostiker (oder sollten es sein), indem sie sich zum Zweifel bekennen und der Gewissheit verweigern.[28] Engagierte Interessenvertretung bedeutet indessen nicht die völlige Identifizierung mit dem Mandanten. Hat er Zweifel an der Sachverhaltsversion seines Mandanten, so muss er diese ihm gegenüber äußern. Über die Verurteilungswahrscheinlichkeit, die häufig vom Mandanten erfragt wird, muss der Verteidiger, wenn er dazu in der Lage ist, eine realistische Einschätzung abgeben. Alles andere wäre nicht nur ein Vertrauensbruch, sondern ein Verstoß gegen vertragliche Pflichten.[29]
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Der Verteidiger ist auch gegenüber dem Angeklagten selbständig und, was die Verteidigungsführung im Einzelnen angeht, nicht weisungsabhängig. Besonders wichtig ist daher eine rechtzeitig vor der Hauptverhandlung besprochene gemeinsame Verteidigungsstrategie, die vom Verteidiger und vom Mandanten getragen wird. Ist dies nicht möglich, so muss das Mandatsverhältnis beendet werden, und zwar so rechtzeitig, dass dem Mandanten hieraus kein Schaden entsteht.[30] Treten Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Verteidiger und dem Angeklagten während der Hauptverhandlung auf, etwa weil der Angeklagte zu einer dem Verteidiger bekannten Lüge greift, so sollte es jener im Interesse seines Mandanten tunlichst vermeiden, diese Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung auszutragen. Es liegt auf der Hand, dass eine derartige Spaltung die Verteidigungsposition insgesamt schwächt. Außerdem verbieten es die anwaltliche Beistands- und Schweigepflicht, dass der Verteidiger die Lügen seines Mandanten korrigiert, sich distanziert oder auf andere Weise zum Ausdruck bringt, dass der Angeklagte wahrheitswidrig aussagt.[31] Der Verteidiger kann in einem solchen Fall allenfalls eine kurze Unterbrechung der Hauptverhandlung beantragen, um in einem Gespräch mit dem Mandanten unter vier Augen die Sache zu klären. Er muss sich hierbei seiner Führungsposition bewusst sein, die sich aus seiner professionellen Kenntnis und Erfahrung herleitet, und diese auch dem Mandanten nochmals deutlich machen. Lässt sich eine Klärung nicht herbeiführen, weil der Mandant auf seinem Standpunkt beharrt (z.B. entgegen der Prozessvorbereitung eine für ihn objektiv schädliche Erklärung abzugeben), so befindet sich der Verteidiger in einem Dilemma, das nur unter dem Gesichtspunkt des geringst möglichen Schadens für den Mandanten zu lösen sein wird. Eventuell kann eine Erklärung des Verteidigers etwas retten. Die Niederlegung des Mandats in der Hauptverhandlung sollte jedenfalls nicht vorkommen.[32]
Teil 2 Allgemeines › IV. Die Stellung des Verteidigers und sein Verhältnis zu den Prozessbeteiligten › 4. Verhältnis zu Verteidigerkollegen, gemeinsame Verteidigung
4. Verhältnis zu Verteidigerkollegen, gemeinsame Verteidigung
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Zu geringe Aufmerksamkeit wird meist dem Verhältnis des Verteidigers zu den mitverteidigenden Kollegen geschenkt. Die Tätigkeit mehrerer Verteidiger in einem gemeinsamen Verfahren kommt in verschiedenen Konstellationen vor: Bei der Vertretung eines einzigen Angeklagten durch mehrere Verteidiger (gemäß § 137 Abs. 1 S. 2 höchstens drei) oder bei der Verteidigung verschiedener Angeklagter durch jeweils einen oder mehrere Verteidiger, wobei die Verteidigungsziele (ganz oder teilweise) konform oder konträr ausgerichtet sein können.
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Verteidigen verschiedene Rechtsanwälte einen einzigen Angeklagten, so ist es unerlässlich, dass die Verteidigungsstrategie und die Aufgabenverteilung unter den Verteidigern gemeinsam mit dem Angeklagten vor der Hauptverhandlung abgestimmt werden. In Bezug auf das gemeinsame Verteidigungskonzept gilt zunächst dasselbe, was für das Verhältnis zwischen Verteidiger und Mandant ausgeführt wurde: Eine gemeinsame Verteidigung hat nur dann Sinn, wenn über das Vorgehen grundsätzliche Einigkeit besteht. Ist diese nicht zu erzielen, so muss eines der beiden Verteidigungsverhältnisse möglichst frühzeitig beendet werden. Die Aufgabenverteilung unter Verteidigerkollegen in der Hauptverhandlung kann verschiedener Art sein. Eine Aufteilung nach Anklagepunkten oder Sachkomplexen bietet sich an, während die Trennung nach tatsächlichen und rechtlichen Fragen problematisch sein dürfte, da beide Komplexe meist eng verknüpft sind. Es sollte selbstverständlich sein, dass sich der Verteidiger in der Hauptverhandlung an das vereinbarte Konzept hält und nicht der Versuchung nachgibt, sich zu Lasten der gemeinsamen Verteidigungsstrategie und auf Kosten des Mitverteidigers zu profilieren.
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Problematischer ist die Verteidigung verschiedener Beschuldigter. Verlaufen die Verteidigungsziele konträr, etwa weil ein Angeklagter die gemeinsame Tat einräumt, der andere sie bestreitet, so sieht sich der Verteidiger häufig entweder in der Rolle eines zweiten Staatsanwalts (vor allem dann, wenn die Überführung des Mitangeklagten unmittelbar zum Vorteil des eigenen Mandanten ausschlägt, etwa im Fall der Aufklärungshilfe nach § 46b StGB oder § 31 BtMG), oder er selbst ist durch seinen Kollegen mit einem zweiten Ankläger konfrontiert. Gerade im ersten Fall darf der Verteidiger nicht vergessen, dass er in erster Linie eben Verteidiger und nicht Ankläger ist. Nicht gerade überzeugend wirken daher Ausführungen (etwa: „Man weiß ja, was man von den Einlassungen eines Angeklagten im Strafprozess zu halten hat!“), die zu seinen sonst geäußerten Ansichten in diametralem Gegensatz stehen. Besser dürfte es allemal sein, an dieser Stelle Zurückhaltung zu üben und sich auf die Würdigung der festgestellten Tatsachen zu beschränken. Dies gilt umso mehr, als sich der Verteidiger in den Fällen widersprechender Sacheinlassungen der Angeklagten meist ohnehin sicher sein kann, auf wessen Seite der Staatsanwalt stehen wird.
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