Название: Zeuge und Aussagepsychologie
Автор: Gabriele Jansen
Издательство: Bookwire
Серия: Praxis der Strafverteidigung
isbn: 9783811457133
isbn:
92
„Gefühlsmäßiger Nachklang“
• | BGH [5 StR 621/96][240] |
• | BGH [1 StR 860/92][241] |
Aussagekraft der Realkennzeichenanalyse. Auch wenn die kriterienorientierte Aussageanalyse ein wesentliches Element der Glaubhaftigkeitsbegutachtung ist, gewinnt sie ihre Aussagekraft „erst durch die Berücksichtigung der Ergebnisse der Persönlichkeits- und Motivanalyse sowie des Aussageverhaltens“[242].
b) BGH-Rechtsprechung zur Aussagekonstanz
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In der Grundsatzentscheidung hat der BGH[243] zur Konstanzprüfung ausgeführt:
BGH [1 StR 618/98]
„Während die Inhaltsanalyse sich mit der Qualität lediglich einer Aussage befaßt, geht es bei der Konstanzanalyse um das von einer Person gezeigte Aussageverhalten insgesamt. Es handelt sich dabei um ein wesentliches methodisches Element der Aussageanalyse, das im Erstgutachten angemessen angewendet wird. Die Konstanzanalyse bezieht sich insbesondere auf aussageübergreifende Qualitätsmerkmale, die sich aus dem Vergleich von Angaben über denselben Sachverhalt zu unterschiedlichen Zeitpunkten ergeben. Falls etwa ein Zeuge mehrfach vernommen worden ist, ist ein Aussagevergleich im Hinblick auf Übereinstimmungen, Widersprüche, Ergänzungen und Auslassungen vorzunehmen. Dabei stellt allerdings nicht jede Inkonstanz einen Hinweis auf mangelnde Glaubhaftigkeit der Angaben insgesamt dar. Vielmehr können vor allem Gedächtnisunsicherheiten eine hinreichende Erklärung für festgestellte Abweichungen darstellen (Gutachten Prof. Dr. Steller; s. auch Bender/Nack aaO Rn. 289 ff.).“
Nicht erst seit der Grundsatzentscheidung findet der Vergleich mehrerer Angaben des Zeugen zu demselben Sachverhalt Beachtung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, z. B.:
• | BGH [5 StR 491/09][244] |
• | BGH [2 StR 178/09] |
• | BGH [5 StR 259/08][245] |
• | BGH [3 StR 302/08][246] |
• | BGH [2 StR 555/07][247] |
• | BGH [2 StR 390/07] |
• | BGH [2 StR 258/07][248] |
• | BGH [4 StR 59/05] |
• | BGH [2 StR 371/03][249] |
• | BGH [1 StR 182/03][250] |
• | BGH [5 StR 48/03] |
• | BGH [2 StR 307/02][251] |
• | BGH [5 StR 295/02] |
• | BGH [4 StR 168/02][252] |
• | BGH [1 StR 554/00][253] |
• | BGH [1 StR 666/99][254] |
• | BGH [4 StR 370/99][255] |
• | BGH [1 StR 94/98][256] |
• | BGH [1 StR 450/98][257] |
Teil 1 Zeugenaussage › III › 7. BGH-Rechtsprechung zum Aussageverhalten
a) Zögerliches Anzeigeverhalten
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Der BGH[258] stellt klar, dass es „keine empirisch abgesicherten Erfahrungssätze über das Anzeigeverhalten von Vergewaltigungsopfern (gibt; d. A.),… die es verbieten, die feststellbaren Umstände zur Aussagegenese und -entwicklung zu bewerten und im Einzelfall Schlüsse zu ziehen“. In Fällen, in denen Aussage gegen Aussage steht, muss sich das Gericht „vielmehr in besonderem Maße mit der Entstehung und der Entwicklung einer Aussage auseinandersetzen“.
b) Körpersprache
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Im Rahmen der sog. Lügendetektorentscheidung hat der 1. Strafsenat 1998[259] – gestützt auf die Sachverständigen Jänig, Fiedler und Steller klargestellt, dass es „nach einhelliger wissenschaftlicher Auffassung nicht möglich ist, eindeutige Zusammenhänge zwischen bestimmten kognitiven oder emotionalen Zuständen und hierfür spezifischen Reaktionsmustern im vegetativen Nervensystem zu erkennen. Dies gilt insbesondere für mit der unwahren Beantwortung von Fragen in Verbindung stehende Reaktionen (‚no specific lie response‘)“. In der dazu ergangenen Grundsatzentscheidung ist klargestellt[260], dass die polygraphische Untersuchung „ohne jeden Beweiswert“ ist.
Damit hat der Lügendetektor erneut keine Anerkennung im Strafverfahren gefunden, nachdem er sich auch 1954 [1 StR 578/53][261] als Beweismittel nicht durchsetzen konnte.
Die Diskussion um den Lügendetektor war seinerzeit im unmittelbaren zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang zu dem spektakulären Montessori-Verfahren und den Wormser-Mißbrauchsverfahren entfacht. Der BGH hat kurz nach der Lügendetektorentscheidung in der Grundsatzentscheidung[262], die die Mindeststandards für aussagepsychologische Gutachten formuliert, die modernen Erkenntnisse der Aussagepsychologie im Strafprozess anerkannt, deren Beachtung später auch das Bundesverfassungsgericht[263] erwähnt.
c) „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“
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Eine solche Beweisregel gibt es nicht [2 StR 235/95][264]. Sie würde auch aussagepsychologischen Erkenntnissen widersprechen, wonach es eben nicht auf die Glaubwürdigkeit des Zeugen, sondern auf die Glaubhaftigkeit seiner Aussage im Einzelfall СКАЧАТЬ