Название: Klausurenkurs im Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrecht
Автор: Christoph Herrmann
Издательство: Bookwire
Серия: Schwerpunkte Klausurenkurs
isbn: 9783811484481
isbn:
II. Die Wettbewerbsordnung
23
Die unionale Wettbewerbsordnung hat die Gewährleistung eines unverfälschten Wettbewerbs zum Ziel, was im Wesentlichen durch die primärrechtlich verankerten Kartell- und Beihilfevorschriften erreicht werden soll (siehe vor allem das Kartellverbot gemäß Art. 101 AEUV, das Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen gemäß Art. 102 AEUV und das Beihilfenverbot gemäß Art. 107 AEUV, die durch entsprechende Durchführungsverordnungen, insbesondere die Kartell-VerfO Verordnung (EG) Nr. 1/2003 und die Beihilfen-VerfO Verordnung (EU) Nr. 2015/1589 ergänzt werden). Hinzu kommt die ausschließlich sekundärrechtlich geregelte Fusionskontrolle (siehe insbesondere die Verordnung (EG) Nr. 139/2004). Im Gegensatz zu den Grundfreiheiten, die grundsätzlich die Mitgliedstaaten adressieren, gelten die Wettbewerbsregeln der Art. 101, 102 AEUV in erster Linie für Unternehmen.
24
In Bezug auf die wettbewerbsrechtlichen Tatbestände von Art. 101 Abs. 1, Art. 102 Abs. 1 und Art. 107 Abs. 1 AEUV sind auch die jeweiligen (nicht abschließenden) Regelbeispielkataloge (vgl. Art. 101 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a bis e AEUV und Art. 102 S. 2 lit. a bis d AEUV) bzw. Ausnahme- und Freistellungstatbestände (vgl. Art. 107 Abs. 2 lit. a bis c, Abs. 3 lit. a bis e AEUV) zu beachten, die teils Hilfestellung bei der tatbestandlichen Auslegung leisten können.
25
Wesentliches Element der wettbewerbsrechtlichen Verbotsvorschriften Art. 101, 102 und 107 AEUV ist, dass das jeweilige Verhalten der beteiligten Unternehmen bzw. im Falle des Art. 107 Abs. 1 AEUV die staatliche Begünstigung eine spürbar wettbewerbsverfälschende Wirkung haben sowie den innerunionalen Handel spürbar beeinträchtigen muss. Eine solche Analyse erfordert zunächst die Abgrenzung des relevanten (Produkt-)Marktes, der sachlich durch das Wettbewerbsverhältnis der beteiligten bzw. betroffenen Unternehmen und konkurrierenden Marktteilnehmern, d.h. durch die Austauschbarkeit deren Produkte aus Sicht des Verbrauchers hinsichtlich der Eigenschaften, des Preises und des Verwendungszwecks, zu bestimmen ist. In räumlicher Hinsicht muss der Markt hinsichtlich der Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sein.
26
Auf dem definierten Markt kann eine Wettbewerbsverfälschung zwar infolge der zuvor ebenfalls bereits festgestellten, kartellrechtlich relevanten Koordinierung von Unternehmen i.S.v. Art. 101 Abs. 1 AEUV, Missbrauchshandlung i.S.v. Art. 102 Abs. 1 AEUV bzw. beihilferechtlichen Begünstigung i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV regelmäßig indiziert werden, maßgeblich für deren Annahme ist allerdings grundsätzlich jeweils der Vergleich mit den hypothetischen Wettbewerbsverhältnissen, die ohne die in Rede stehende koordinierte Verhaltensweise bzw. ohne die Begünstigung herrschen würde. Nach dem in neuerer Zeit von der Europäischen Kommission verfolgten more economic approach ist vor allem auf den für betroffene Verbraucher nachteiligen Effekt, etwa auf die nachteilige Preisgestaltung infolge einer Verhaltensweise oder Begünstigung abzustellen. Ersichtlich wird, dass der Wettbewerb vor allem als ein die Konsumentenwohlfahrt schaffender Prozess geschützt werden soll und damit kein Selbstzweck ist.[25]
III. Das Außenwirtschaftsrecht
27
Die Außenwirtschaftskontrolle ist grundsätzlich Kernbereich nationaler Souveränitätsrechte, die im Rahmen der unionalen Wirtschaftsintegration teilweise auf die Union übertragen wurden und im Rahmen von Art. 206, 207 AEUV als gemeinsame Handelspolitik (GHP) gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. e AEUV ausschließlich supranational durchgeführt wird. In Anbetracht der Zollunion als wesentlicher Grundbaustein des Binnenmarktes stellt das unionale Außenhandelsregime mit einem einheitlichen gemeinsamen Zolltarif gegenüber Drittstaaten die Außendimension des Binnenmarktes dar.
1. Die kompetenzielle Reichweite der GHP
28
Im Unionsrecht ist das Außenhandelsrecht regelmäßig mit einer Diskussion über die Reichweite der unionalen Kompetenzen verbunden (gewesen). Während mit dem Vertrag von Amsterdam von 1997 lediglich eine Kompetenzerweiterungsmöglichkeit für den Rat bezüglich internationaler Übereinkünfte über Dienstleistungen und Rechte des geistigen Eigentums eingeführt wurde (Art. 133 Abs. 5 EGV-Amsterdam), von der allerdings nie Gebrauch gemacht wurde, erfolgte mit dem Vertrag von Nizza von 2001 die Durchführung der Kompetenzübertragung, allerdings beschränkt auf die jeweiligen Handelsaspekte, d.h. den Handel mit Dienstleistungen sowie Handelsaspekte des geistigen Eigentums.[26] Mit der Ausweitung auf ausländische Direktinvestitionen im Rahmen des Vertrags von Lissabon ließ sich zumindest bis zum Gutachten 2/15 des Gerichtshofs diskutieren, ob der investitionsschutzrechtliche GHP-Kompetenzbereich der Union auf Portfolioinvestitionen ausdehnbar ist,[27] da sich nach der implied powers-Lehre eine dahingehende ausschließliche Unionskompetenz implizit aus den Regelungen über die Kapitalverkehrsfreiheit herleiten und aufgrund der bisher fortgeschrittenen kapitalverkehrsrechtlichen Integration begründen ließe, die eine entsprechende Außenhandelskompetenz erfordert (siehe Fall 12, Rn. 755 ff.).
29
Die sogenannten implied powers knüpfen an ausdrücklich in den Unionsverträgen vorgesehene Unionskompetenzen an und können als Annexkompetenz, als Kompetenz aus dem Sachzusammenhang oder als Kompetenz aus der Natur der Sache eine Zuständigkeit der Union begründen.[28] Daraus folgt, dass sich grundsätzlich dann eine Unionskompetenz ergibt, sofern eine Materie, für die eine ausdrücklich zugewiesene Kompetenz besteht, verständlicherweise nicht geregelt werden kann, ohne dass gleichzeitig eine andere, nicht ausdrücklich zugewiesene Materie mitgeregelt wird.[29] Für den Bereich des Abschlusses internationaler Abkommen durch die Union bestimmt Art. 3 Abs. 2 AEUV die Anforderungen, nach denen die impliziten Vertragsabschlusskompetenzen gemäß Art. 216 Abs. 1 Var. 2 bis 4 AEUV als ausschließliche Kompetenz der Union zu bewerten sind. Dem dogmatischen Ansatz ausschließlich unionaler implied powers folgte der Gerichtshof im Gutachten 2/15 in Bezug auf die Erfassung von Portfolioinvestitionen gemäß Art. 216 Abs. 1 Var. 4 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 AEUV allerdings nicht und begrenzte die ausschließlich unionale investitionsschutzrechtliche Außenhandelskompetenz – im Einklang mit dem Wortlaut von Art. 207 Abs. 1 AEUV – auf ausländische Direktinvestitionen.
2. Die vertragliche Handelspolitik der Union
30
Mit Blick auf die zur Verfügung stehenden Handlungsinstrumente im Bereich der GHP kann die Union im Rahmen der gemäß Art. 207 AEUV vorgesehenen Politikfelder, deren Abgrenzung zu anderen Politiken wie dem Umweltbereich teils problematisch ist, gemäß Art. 216 Abs. 1 AEUV die vertragliche Handelspolitik nach eigenem Ermessen gestalten und bi- oder multilaterale völkerrechtliche Verträge, z.B. Freihandelsabkommen oder Abkommen über die Errichtung von Zollunionen mit Drittstaaten oder internationalen Organisationen abschließen (vgl. Art. 207 Abs. 3 AEUV). Die Durchführung der vertraglichen Handelspolitik der Union betrifft damit u.a. auch deren Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation (WTO) als Vertragspartei des WTO-Übereinkommens gemäß dessen Art. XI:1.
31
Der Abschluss von internationalen Abkommen durch die Union zieht die Frage nach sich, ob СКАЧАТЬ