Название: Kartellrechtliche Schadensersatzklagen
Автор: Fabian Stancke
Издательство: Bookwire
Серия: Recht Wirtschaft Steuern - Handbuch
isbn: 9783800593392
isbn:
b) Torpedoklage in Drittstaaten
II. Rechtsweg und Zuständigkeit deutscher Gerichte
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Die Wahl des richtigen Forums spielt eine gewichtige Rolle bei kartellrechtlichen Schadensersatzklagen und ist regelmäßig hochumstritten. Hierfür ist bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zunächst die Frage zu klären, ob deutsche Gerichte zur Sachentscheidung berufen sind. Eng damit verknüpft ist die Frage nach der örtlichen Zuständigkeit.1 Sodann werden die Besonderheiten beleuchtet, die in Kartellzivilprozessen für den richtigen Rechtsweg, die sachliche und funktionale Zuständigkeit, die Klageverbindung und den Instanzenzug bestehen.2
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Das Zuständigkeitsrecht ist ein dynamisches Rechtsgebiet. Gerade auf europäischer Ebene ist die Entwicklung im vollen Gange. Nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union („EuGH“) 2015 in der Sache Hydrogen Peroxide SA (CDC)3 auf eine Vorlagefrage des LG Dortmund hin erste Grundsätze aufgestellt hatte, sind weitere wichtige Entscheidungen ergangen, namentlich:
– flyLAL-Lithuanian Airlines (flyLAL)4 und Tibor-Trans5 zum deliktischen Gerichtsstand,6
– Apple Sales International (Apple)7 zu Gerichtsstandsklauseln,8
– In dem spanischen Vorlageverfahren RH ./. Volvo9 hat der EuGH zum Verhältnis des deliktischen Gerichtsstands nach der EuGVVO und der örtlichen Zuständigkeit nach nationalem Verfahrensrecht zu befinden.10
1 Beides unter I, Rn. 3ff. 2 Siehe zu alledem unter II, Rn. 190ff. 3 EuGH, 21.5.2015, Rs. C-352/13, ECLI:EU:C:2015:335 – Hydrogen Peroxide SA (CDC). 4 EuGH, 5.7.2018, Rs. C-27/17, ECLI:EU:C:2018:533 – flyLAL-Lithuanian Airlines. 5 EuGH, 29.7.2019, Rs. C-451/18, ECLI:EU:C:2019:635 – Tibor-Trans. 6 Siehe Rn. 57ff.; 74ff.; 79ff. 7 EuGH, 24.10.2018, Rs. C-595/17, ECLI:EU:C:2018:854 – Apple Sales International. 8 Siehe Rn. 107ff. 9 EuGH, Rs. C-30/20 – RH/AB Volvo u.a. 10 Siehe Rn. 90ff.
I. Internationale und örtliche Zuständigkeit
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Die internationale Zuständigkeit ist die Kompetenz eines nationalen Gerichts, über einen vorgelegten Sachverhalt mit internationalem Bezug zu entscheiden.11 Ihr Vorliegen ist in Deutschland von Amts wegen zu prüfen12 und, anders als die örtliche Zuständigkeit (§§ 513 Abs. 2 und 545 Abs. 2 ZPO), der Berufung13 und Revision14 zugänglich. Die streitgegenständlichen Kartellrechtsverstöße haben oftmals eine grenzüberschreitende Dimension, so dass sich die Frage der internationalen Zuständigkeit in der Praxis häufig stellt.
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Die Bestimmung des zuständigen Gerichtsstands kann erheblichen Einfluss auf die Erfolgsaussichten der Klage haben. Dies gilt nicht nur, weil sich die Durchführung eines kartellrechtlichen Schadensersatzprozesses nach dem Zivilprozessrecht des jeweils angerufenen Gerichtsstaates richtet (sog. lex fori). Vielmehr kann sich der Kläger im Anwendungsbereich der Rom II-Verordnung15 bei Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 lit. b auf die einheitliche Anwendung des materiellen Schadensersatzrechts des jeweiligen Forumsstaats für alle geltend gemachten Ansprüche berufen. Und auch außerhalb der Rom II-Verordnung besteht eine gewisse Tendenz der Gerichte, ihr eigenes materielles Recht bevorzugt anzuwenden (sog. „Heimwärtstreben“). Das ist auch den Klägern und potenziellen Beklagten nicht verborgen geblieben, weshalb beide versuchen, die Zuständigkeit eines genehmen Forums zu begründen. Das fällt den Klägern leichter, die sich aus mehreren zur Verfügung stehenden Gerichtsständen den am besten geeignet erscheinenden heraussuchen können (sog. Forum Shopping16). Die potenziellen Beklagten müssen hingegen, wenn sie Einfluss auf die Zuständigkeit nehmen wollen, einen Präventivangriff starten und eine negative Feststellungsklage in der gewünschten Jurisdiktion erheben (sog. Torpedoklage,17 siehe dazu unten Rn. 176ff.).
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Die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit richtet sich nach dem Zivilverfahrensrecht des angerufenen Gerichtsstaates. Kartellrechtliche Sonderregeln für die Bestimmung des international zuständigen Gerichts gibt es in Deutschland nicht – hieran haben weder Kartellschadensersatzrichtlinie noch 9. GWB-Novelle etwas geändert. Auch mit der 10. GWB-Novelle gibt es insoweit keine Änderungen. Nach deutschem Zivilverfahrensrecht ist zunächst zu ermitteln, ob der Anwendungsbereich der EuGVVO18 eröffnet ist. Soweit dies der Fall ist, bestimmt sich die internationale – und damit regelmäßig auch die örtliche – Zuständigkeit ausschließlich hiernach.19 Die Regelungen der deutschen ZPO werden zur Bestimmung der internationalen und örtlichen Zuständigkeit dann herangezogen, wenn die EuGVVO entweder überhaupt nicht anwendbar ist oder soweit sie (etwa zur örtlichen Zuständigkeit) keine Regelung enthält.
1. Internationale und örtliche Zuständigkeit nach der EuGVVO
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Ausgangspunkt der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte ist die Frage, ob die vorrangige EuGVVO anwendbar ist. Ist der Anwendungsbereich der EuGVVO eröffnet, steht in aller Regel ein Verstoß gegen das europäische Wettbewerbsrecht im Raum. Dann haben deutsche Gerichte den Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz zu berücksichtigen. Danach dürften die Modalitäten für Klagen wegen Verstößen gegen europäisches Wettbewerbsrecht nicht weniger günstig ausgestaltet sein als bei entsprechenden innerstaatlichen Klagen (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung СКАЧАТЬ