Название: Compliance Management im Unternehmen
Автор: Martin R. Schulz
Издательство: Bookwire
Серия: Recht Wirtschaft Steuern - Handbuch
isbn: 9783800593217
isbn:
2
Gerade im Bereich der heutigen Kern-Compliance-Risiken, etwa der Korruption, der Untreue, der Steuerhinterziehung sowie der Verstöße gegen das Kartell- oder auch Datenschutzrecht, sah die Welt noch völlig anders aus. Bis 1998 waren die Tatbestände der Inlands-Korruption ein relativ stumpfes Schwert, bei der Vorteilsgewährung musste die Justiz den Abschluss einer konkreten Unrechtsvereinbarung nachweisen und die Anforderungen der Rechtsprechung waren hoch, die Auslands-Korruption war schlichtweg in Deutschland noch gar nicht strafbar. Im Gegenteil, der Staat hat die Auslands-Korruption deutscher Unternehmen vielmehr als mögliches Akquisitionsinstrument angesehen und den Einsatz der dafür erforderlichen Mittel, die sog. „nützlichen Aufwendungen“ (NA), steuerlich sogar als Betriebsausgaben anerkannt.
3
In diesem Umfeld hat der Gesetzgeber dann im Jahre 1998 durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG)2 die für die Compliance als grundlegend angesehene Norm des § 91 Abs. 2 AktG eingeführt, nach der der Vorstand der Aktiengesellschaft „geeignete Maßnahmen“ zu treffen, „insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten“ hat, mit dessen Hilfe „den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt“ werden können. Ein solches Überwachungssystem war bereits von seinem Wortlaut her seinerzeit nur zur Früherkennung betriebswirtschaftlich existenzgefährdender Risiken bestimmt. Dass sich innerhalb weniger Jahre die Erkenntnis durchsetzen sollte, dass auch strafrechtliche Compliance-Risiken ein existenzgefährdendes Ausmaß für das Unternehmen annehmen könnten, war damals kaum absehbar.
4
In den Jahren ab 1998 hat der Gesetzgeber jedoch insbesondere im Strafrecht einen dramatischen Kurswechsel vollzogen, der heute an dem Erfordernis einer insbesondere strafrechtsbasierten Compliance keinen Zweifel mehr lässt.
5
Nachdem die bis dato unzureichende Korruptionsbekämpfung im Jahr 1996 Gegenstand des 61. Deutschen Juristentages war, und obwohl die geplanten Maßnahmen dort in hohem Maße umstritten waren, schaffte der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 13.8.1997 (KorrBekG)3 zunächst einschneidende Verschärfungen im Korruptionsstrafrecht, mit welchen die bis dato bestehenden Lücken geschlossen und Verfolgungsprobleme beseitigt werden sollten. Neben einer deutlichen Verschärfung der Strafandrohung für die Korruptionsdelikte des Kernstrafrechts waren die Kernpunkte der Veränderung die Erfassung des sog. „Drittvorteils“, also die Strafbarkeit der Zuwendung an einen dem Amtsträger nahestehenden Dritten, sowie die bis heute umstrittene und nachwirkende Lockerung der sog. „Unrechtsvereinbarung“, mithin der inhaltlichen Verknüpfung von Dienstausübung und Vorteilszuwendung. Schließlich ist der Abschnitt „Straftaten gegen den Wettbewerb“ in das StGB aufgenommen worden, der nicht nur den neu gefassten Straftatbestand des § 298 StGB (wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen), den ehemaligen „Submissionsbetrug“, umfasst, sondern insbesondere auch die aus dem Nebenstrafrecht (UWG) stammenden Delikte der Nicht-Amtsträger-Bestechung (ugs. Privat-Korruption), der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr neu gefasst und in das StGB eingefügt hat (§§ 299, 300 StGB). Zwar enthielt § 12 UWG bis dato eine vergleichbare Strafvorschrift, diese war jedoch gem. § 22 UWG a.F. als absolutes Antragsdelikt ausgestaltet und führte dieserhalb eher ein Schattendasein im UWG. Seit der Aufwertung dieses Tatbestandes durch Aufnahme in das Kernstrafrecht erfreut sich insbesondere die Regelung des § 299 StGB, also der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr, einer stark zunehmenden Beliebtheit bei den Ermittlungsbehörden. Durch ein weiteres Gesetz zur Bekämpfung der Korruption4 mit Wirkung ab dem 26.11.2015 hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 299 StGB noch einmal erweitert und das sog. Geschäftsherrenmodell in den Tatbestand aufgenommen. Strafbar soll nunmehr auch derjenige sein, der einen Vorteil als Gegenleistung dafür annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen schlichtweg „seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletzt“ Ziel der durchaus unbestimmten Neuregelung soll, so der Gesetzgeber, ein erweiterter „Schutz der Interessen des Geschäftsherrn an der loyalen und unbeeinflussten Erfüllung der Pflichten durch seine Angestellten und Beauftragten“ sein. Zu befürchten ist jedoch, dass hier mittelfristig auch die Verletzung selbstgesetzter Compliance-Vorgaben des Unternehmens u.U. sogar als strafbarkeitsbegründend angesehen wird.
6
Sodann hat der Gesetzgeber weitere Spezialtatbestände im Bereich der Korruption neu geschaffen bzw. reformiert. Im Jahr 2014 hat der Gesetzgeber nach über 11 Jahren internationalen Drucks den Tatbestand der Abgeordnetenbestechung (§ 108e StGB) reformiert und an die Anforderungen der UN-Konvention angepasst.5 Die Neuregelung des § 108e StGB erfasst nunmehr unter dem Titel „Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern“ nicht nur Bundestags- und Landtagsabgeordnete, sondern auch kommunale Mandatsträger.
7
Im Jahre 2016 hat der Gesetzgeber durch das umstrittene Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen vom 14.4.20166 zwei neue Korruptionsvorschriften für die Akteure im Gesundheitswesen erlassen. Die neuen Straftatbestände § 299a StGB (Bestechlichkeit im Gesundheitswesen) und § 299b StGB (Bestechung im Gesundheitswesen) sind der Struktur des § 299 StGB (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr) nachgebildet.
8
Auch international ist seit Jahren – unter dem starken Einfluss der US-amerikanischen Regierung – eine Verstärkung und Internationalisierung der Korruptionsbekämpfung zu verzeichnen.7 In den USA hat die Korruptionsbekämpfung auch im Rahmen der Auslandsaktivitäten US-amerikanischer Unternehmen bereits eine längere Tradition. Das Auslandsbestechungsgesetz (FCPA) verbietet bereits seit den späten 70er Jahren Zahlungen und Geschenke an ausländische staatliche Amtsträger, die den Zweck haben, einen Geschäftsabschluss zu befördern oder eine Geschäftsbeziehung aufrechtzuerhalten.8 Auf Basis des OECD-Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsbereich vom 17.12.1997 hat dann auch der deutsche Gesetzgeber die internationalen Vorgaben zur Erweiterung der Anwendbarkeit der Korruptionsvorschriften auf den internationalen Bereich umgesetzt und das Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung (IntBestG) verabschiedet.9 Durch das IntBestG wurden zahlreiche ausländische Amtsträger (und Richter) unter bestimmten Voraussetzungen den inländischen Amtsträgern gleichgesetzt, darüber hinaus wurde das deutsche Strafrecht unabhängig vom Recht des Tatortes für die Bestechung ausländischer Amtsträger und Abgeordneter im internationalen Geschäftsverkehr für anwendbar erklärt (§ 5 StGB). In Umsetzung des EU-Bestechungsübereinkommens hat der Gesetzgeber mit Schaffung des EU-Bestechungsgesetzes (EUBestG)10 fast zeitgleich die Anwendbarkeit des Amtsträgerbegriffes auch auf die Amtsträger von EU-Mitgliedstaaten sowie auf bestimmte Gemeinschaftsbeamte sowie die Mitglieder der Kommission und des Rechnungshofes der europäischen Gemeinschaften ausgeweitet. Des Verweises auf die Vorschriften des IntBestG sowie des EuBestG bedarf es seit November 2015 nicht mehr, da diese zwischenzeitlich – jedenfalls zum größten Teil – in das StGB (§§ 11 Abs. 1 Nr. 2a, 331ff., 335a StGB) übernommen wurden.11 Auch die Auslandskorruption ist damit zwischenzeitlich fester Bestandteil des Kernstrafrechts geworden.
9
Der Wille, Korruption ernsthaft zu verfolgen, wenngleich diese bis dato von deutschen Unternehmen – jedenfalls im Ausland – als kaum verzichtbares Akquisitionsinstrument angesehen wurde, hat sich dann schließlich auch nicht nur darin niedergeschlagen, dass der Gesetzgeber die steuerliche Absetzbarkeit von im Ausland gezahlten Bestechungsgeldern abgeschafft, sondern er auch diverse faktische Maßnahmen zur Verbesserung der Korruptionsbekämpfung СКАЧАТЬ