Название: Compliance Management im Unternehmen
Автор: Martin R. Schulz
Издательство: Bookwire
Серия: Recht Wirtschaft Steuern - Handbuch
isbn: 9783800593217
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Neben dem aufgezeigten straf- und ordnungsrechtlichen Instrumentarium beherrschen die Schwerpunktstaatsanwaltschaften auch die Klaviatur der Generierung medialer (Presse-)Öffentlichkeit. Insbesondere für die betroffenen Unternehmen in hohem Maße etikettierende Durchsuchungs- und Beschlagnahmeaktionen sorgen für eine mediale Aufmerksamkeit und Berichterstattung, die den Verdacht im Bewusstsein der Öffentlichkeit als Tatsache zementiert. In der auflageorientierten Presselandschaft wird der möglicherweise auf dünner Tatsachenbasis angenommene Anfangsverdacht zum Skandal hochgestuft, wodurch weiterer Druck auf das Unternehmen entsteht, den Schaden durch eine „Kooperation“ mit der Staatsanwaltschaft und möglicherweise durch eine interne Aufklärung zu reduzieren. Versucht das Unternehmen, sich gegen einen bestehenden Anfangsverdacht zu wehren, so ist die Staatsanwaltschaft durchaus in der Lage, offiziell oder inoffiziell die nächste Eskalationsstufe durch Herstellung weiterer Presseöffentlichkeit herbeizuführen. Häufig wird so der einmal angenommene Anfangsverdacht einer Straftat durch die Instrumentarien und die publizistischen Begleitumstände zu einer Art „self fulfilling prophecy“, mithin zu einer Abwärtsspirale, der sich das Unternehmen kaum noch entziehen kann.
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Doch selbst, wenn es im Einzelfall nicht zu einer Einziehungoder der Verhängung einer existenzbedrohenden Verbandsgeldbuße16 kommt, sind auch die strafrechtlichen Nebenfolgen, etwa das sog. blacklisting, nicht außer Acht zu lassen. Eintragungen in bestehende Vergabe- bzw. Korruptionsregister können zu schmerzhaften Vergabeausschlüssen, Eintragungen etwa in das Gewerbezentralregister können zum Entfall der Zuverlässigkeit des Unternehmens und damit zum Entfall zahlreicher Vergünstigungen im amtlichen Verkehr führen.
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Der Einsatz dieser rechtlichen sowie faktischen Instrumentarien, die der Strafjustiz gegen das betroffene Unternehmen zur Verfügung stehen, sowie die erheblichen Konsequenzen, die sowohl das Unternehmen als auch seine Verantwortlichen treffen können, und der erklärte Wille zur rücksichtslosen Anwendung lassen ein Strafverfahren – jedenfalls wegen erheblicherer Vorwürfe – schnell zu einem pekuniären und publizistischen GAU für ein Unternehmen werden. Genau hier zeigt sich, dies war auch durchaus Absicht des Gesetzgebers, dass der Einsatz strafrechtlich-relevanter Methoden im Interesse der Gewinnmaximierung keine Option mehr darstellt. Gewinnstreben und ethisches Verhalten stehen damit nicht mehr in einem Zielkonflikt. Dass sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass auch strafrechtliche Risiken für das Unternehmen ein existenzgefährdendes Ausmaß annehmen können, ist daher weniger dem Gedanken der Unternehmensethik oder der Corporate Social Responsibility, denn vielmehr einem dramatischen Kurswechsel des Gesetzgebers im Strafrecht hin zu einem Unternehmenssanktionenrecht geschuldet. Die Vermeidung strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen im (vermeintlichen) Unternehmensinteresse muss damit erklärtes Ziel des Unternehmers sein; Mittel zur Umsetzung dieses Zieles ist ein (auch) strafrechtlich basiertes Compliance Management.
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Strafrechtliche Compliance-Risiken für das Unternehmen im Überblick
– Strafbarkeit der Unternehmensverantwortlichen und deren Inhabilität;
– Anordnung der Verfahrensbeteiligung gem. §§ 424, 444 StPO;
– Einziehung von Taterträgen gem. §§ 73 StGB, 29a OWiG;
– Verbandsgeldbuße gem. §§ 30 OWiG, 81 Abs. 4 Satz 2 GWB;
– Mehrerlösabschöpfung gem. §§ 30 Abs. 3, 17 Abs. 4 OWiG; 81 Abs. 4 GWB;
– Verbandsgeldsanktion gem. § 8 Nr. 1 VerSanG17;
– Eintragung in Wettbewerbs- bzw. Korruptionsregister (Vergabesperren);
– Eintragung in das Gewerbezentralregister (Entfall der Zuverlässigkeit);
– Eintragung in das Verbandssanktionenregister18;
– Sonstiges „blacklisting“ (BaFin, Weltbank etc.);
– Faktische Beeinträchtigungen der Unternehmensabläufe (Durchsuchung, Beschlagnahme etc.);
– Mediale Berichterstattung/Ad-hoc-Publizität (Reduktion des Börsenwertes).
II. Strafrechtliche Grundlagen der Compliance-Verpflichtung
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Verbindliche gesetzliche Vorschriften zur Implementierung eines Compliance-Systems bzw. zur Durchführung auch nur einzelner Compliance-Maßnahmen kennt das deutsche Recht – außer in einigen wenigen Spezialbereichen – bislang nicht.19 Konkrete Vorgaben finden sich etwa im Bereich des Kapitalmarktes. Neben § 33 WpHG, der allgemeine Organisationspflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen normiert, und der durch die Richtlinie zur Konkretisierung der Organisationspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gem. § 33 WpHG20 sowie etwa die Wertpapierdienstleistungs-, Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV)21 konkretisiert wird, finden sich konkrete Compliance-Vorgaben etwa in § 25a KWG, wonach das erforderliche „angemessene und wirksame Risikomanagement “ eines Kreditinstitutes unter anderem „die Einrichtung interner Kontrollverfahren mit einem internen Kontrollsystem und einer internen Revision“ einschließlich einer „Compliance-Funktion“ zu umfassen hat.22 Weitere sektoral geregelte konkrete Compliance-Verpflichtungen existieren beispielsweise im Bereich des Arzneimittelrechts, hier bei der sog. Pharmakovigilanz, also der laufenden und systematischen Überwachung der Sicherheit von Fertigarzneimitteln. So verpflichtet etwa § 63b Abs. 2 Nr. 4 des Arzneimittelgesetzes (AMG) den Inhaber der Zulassung eines Arzneimittels, das zur Anwendung bei Menschen bestimmt ist, „ein Risikomanagement-System für jedes einzelne Arzneimittel zu betreiben“ und die von diesen Arzneimitteln ausgehenden Gefahren detailliert zu überwachen.
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Eine unmittelbare Verpflichtung zur Compliance ergibt sich auch nicht aus dem neuen Verbandssanktionenrecht. Das Gesetz erkennt zwar die Relevanz eines Compliance-Management-Systems an, insbesondere kann sich die Existenz eines solchen sanktionsmindernd auswirken, es verpflichtet jedoch nicht konkret zur Einrichtung eines Compliance-Management-Systems.23 Auch führt das Bestehen eines Compliance-Programms nicht unmittelbar zur Sanktionslosigkeit des Unternehmens. Compliance-Maßnahmen finden ausschließlich bei der Auswahl der Art und der Höhe einer Sanktion24 sowie bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des Absehens von der Verfolgung vorliegen,25 Berücksichtigung Nach dem neuen Verbandssanktionenrecht kann das Gericht den Verband jedoch anweisen, bestimmte Vorkehrungen zur zukünftigen Vermeidung von Verbandstaten zu treffen.26 In Betracht kommen insoweit insbesondere СКАЧАТЬ