Название: Tödliche Wollust
Автор: Samantha Prentiss
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783746787732
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Im Zimmer von Horace Garside, dem Chef der ›Royal Mint‹, saßen bereits vier Männer, als sie zur angesetzten Besprechung hinzukamen. Der schlanke Drahtige mit den roten Haaren war Glen Underwood. Der kleine Gedrungene Brian McLaughlin wurde auch ›Professor‹ genannt. Die beiden waren die absoluten Stars unter den Detektiven zur Aufklärung von Delikten der Falschmünzerei. Außerdem war da noch Garrett Simmons, ein kleiner, dicklicher Mann mit Glatze, der immer so bekümmert aus dem Anzug sah wie ein deprimierter Dackel, dem der letzte Knochen gestohlen worden ist.
Hinter dem Schreibtisch thronte Horace Garside. Er hatte gerade die Hände aufgestützt und stemmte sich hoch. Mit einer schnellen Bewegung griff er nach seinen beiden Krücken und bewegte sich auf einen Aktenschrank zu, der links von ihm stand. Wo Garsides rechtes Bein hätte sein müssen, war nur noch ein aufgekrempeltes Hosenbein. Den Inhalt hatte er nach einem Unfall auf einem Operationstisch lassen müssen. Aber auch dieser Schicksalsschlag hatte seinem sprichwörtlichen Optimismus keinen Dämpfer verpassen können. Garside holte eine Akte aus dem Schrank, warf sie auf den Schreibtisch und setzte sich wieder. »Es gibt Arbeit für Sie, Gentlemen«, begann er ohne Vorrede. »Ich muss dazu allerdings ein wenig ausholen.« Er sah die Anwesenden mit unverhohlener Besorgnis nachdenklich an. »Ihnen dürfte bekannt sein, dass Adolf Hitler gegen Ende des Zweiten Weltkrieges exzellente Geldfälscher im Lager Sachsenhausen für sich arbeiten ließ. Am 20. Februar 1945 wurde das sogenannte ›Unternehmen Bernhard‹ vom SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt ins KZ-Außenlager Schlier, einem Kommando des KZ Mauthausen verlegt, … Maschinen, Werkzeuge und das inzwischen sehr erfahrene Personal an Fälschern. Doch die Aktion konnte nicht mehr realisiert werden, denn am 6. Mai 1945 erfolgte deren Befreiung durch US-Truppen. Ein gewisser Adolf Burger berichtete den Befreiern von dem Staatsgeheimnis, dessen Zeugen allesamt der Tod erwartete. Allerdings schenkte man ihm keinen rechten Glauben.« Er machte eine kurze Pause und musterte die gespannten Gesichter vor ihm. »Das änderte sich erst 1959, als Taucher auf dem Grund des Toplitzsees im Salzkammergut Kisten mit Pfundnoten und Fälscherwerkzeugen fanden. Die Noten, die Burger und seine Leidensgenossen hergestellt hatten, waren teilweise so gut, dass nicht einmal Kassierer der ›Bank of England‹ sie von echten Noten unterscheiden konnten. Deshalb tauschten wir schon damals die Fünf-Pfund-Note, den am häufigsten gefälschten Geldschein, gegen eine neue Serie aus. Burger sagte auch aus, dass fast alles aus der Fälscherwerkstatt nach Südamerika verbracht worden ist und eine jüngere Fälschergeneration ausgebildet wurde. Und in der letzten Zeit verdichten sich die Gerüchte, wonach eine militante Untergrund-Organisation einen dieser ›Lehrlinge‹ in Argentinien aufgetrieben und in Großbritannien eingeschleust haben soll.«
»Dieser Adolf Burger muss doch inzwischen steinalt sein«, warf Garrett ein.
»Burger selbst wurde neunundneunzig Jahre alt und verstarb vor zwei Jahren«, erwiderte Garside abwinkend. »Der Mann, um den es geht, ist unseren Informationen nach zweiundsechzig Jahre alt. Er heißt Wilhelm Kellermann, und es existiert lediglich ein Jugendbild, das ihn am Strand von ›Balneario el Cóndor‹ zeigt. Unsere Spezialisten haben versucht, ein Phantombild anzufertigen, um zumindest ungefähr herauszufinden, wie er heute aussehen könnte. Aber …« Er zuckte mit den Achseln. »Selbstverständlich kann er auch ganz anders aussehen. Doch zurück zu dem Gerücht, dass der Mann sich in England befinden soll. Man hat ihn natürlich nicht eingeschleust, damit er auf seine alten Tage eine ›Sightseeing-Tour‹ durch unser schönes Land macht. Ziel dieser Aktion ist es, dem Empire und seinem internationalen Finanzzentrum die Machtbasis zu entziehen. Die bewusste Untergrund-Organisation will das britische Pfund an den weltweiten Devisenmärkten durch eine Schwemme an Falschgeld ins Bodenlose stürzen lassen. Was dann folgt, können Sie sich wahrscheinlich noch nicht einmal in Ihren düstersten Albträumen ausmalen. Das totale Chaos würde über uns hereinbrechen und die ganze Welt in seinem Strudel mit sich reißen. Und Sie …« Er blickte Clairé, Ragnar und Garrett nun offen an. »Sie haben die ehrenvolle Aufgabe, das Königreich vor dieser Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes zu bewahren!«
»Warum ausgerechnet wir?«, hakte Garrett nach einer kurzen Pause vorwurfsvoll nach. »Wir sind doch nur blutige Amateure. Meiner Meinung nach wäre es besser, einen so ungeheuer wichtigen Auftrag an ein Heer von Profis zu übertragen! Da würde ich mich als Mensch und Steuerzahler bedeutend wohler fühlen.«
Horace Garside blickte ihn verkniffen an. »Mir wäre bei dem Gedanken auch wesentlich wohler. Denn im Vertrauen gesagt: Ich finde Amateure zum Kotzen! Das Dumme ist nur, dass Ihre aparte Kollegin in diesem Fall bereits bis zum Hals drinsteckt. Deshalb habe ich mich auch breitschlagen lassen, Ihnen den Fall zu übertragen, wobei Sie und Ihr Kollege sich quasi als kostenlose Dreingabe verstehen sollten. Ich denke mir, wenn einer immer ein bisschen auf den anderen aufpasst, dürfte so leicht nichts schiefgehen.«
»Wieso stecke ich schon mittendrin?«, erkundigte Clairé sich würdevoll, wobei ihr deutlich anzumerken war, dass ihr Garsides Bemerkung, er fände Amateure zum Kotzen, nicht einen Deut gefiel. Für sie stand fest, dass sie zu gegebener Zeit darauf zurückkommen würde.
»Sie hatten doch eine Freundin namens Savannah Campbell, nicht wahr?«
Clairé nickte. »Sie wurde ermordet.«
»Richtig«, bestätigte Garside völlig überflüssiger Weise, »und ich kann Ihnen auch sagen, weshalb! Miss Campbell hatte durch einen Liebhaber zufällig von dem großen Coup erfahren, den die Fälscher vorbereiten. Und sie hatte sofort erkannt, was dieses Wissen wert war. Sie wurde allerdings umgebracht, ehe sie ihr Wissen in klingende Münze umsetzen konnte. Aber sie hat für den Fall ihres plötzlichen Todes vorgesorgt und ihrem Tagebuch die Geheimnisse anvertraut, die vielen lichtscheuen Typen in diesem Land Millionenbeträge wert wären.«
»Schon wieder ein Tagebuch«, seufzte Clairé, im Hinblick auf ihren letzten Fall, was ihr Garsides fragenden Blick einbrachte.
»Und wo ist dieses geheimnisvolle Buch jetzt?«, wollte Ragnar wissen und nahm ihr die Antwort ab.
Horace Garside zuckte wieder einmal die Achseln. »Keine Ahnung. Aber die Gangster gehen davon aus, dass Miss Beauvais das Tagebuch besitzt. Und solange sie das glauben, ist sie als Köder unbezahlbar für uns. Die Kerle müssen Kontakt mit ihr aufnehmen, wenn sie verhindern wollen, dass es in falsche Hände gerät. Bei dieser Gelegenheit werden wir den Burschen eine Falle stellen. Mr. Underwood und Mr. McLaughlin werden zur Stelle sein, wenn es soweit ist.«
Ein spöttisches Lächeln umspielte Clairés Mundwinkel. »Und wo waren die beiden Herren gestern Abend, als die Bande erstmals Kontakt mit mir aufgenommen hat? Immerhin haben die Kerle einen Killer geschickt, der, nur um mir zu zeigen, wie verdammt ernst sie es meinen, eine Freundin von mir getötet!«
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Kapitel 5
Ein junger Inspector des Yards leitete das Verhör. Er bemühte sich, Vinson Chambers äußerst fair zu behandeln. Für ihn schien ein Angeklagter noch so lange ein normaler mit allen Rechten ausgestatteter Bürger zu sein, bis ihn das Gericht verurteilt hatte. Aber helfen konnte und wollte СКАЧАТЬ