Название: Rückkehr nach Strapen
Автор: Stefan Raile
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783748560494
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„Mir nicht.“
„Dann tanz doch“, riet ich. „In der Bahnhofsgaststätte hast du auch kaum eine Tour ausgelassen.“
„Da war mir danach“, sagte er.
„Jetzt nicht?“
„Nein. Jetzt ist mir nach Trinken.“
Der Tanz endete, Sigi kam zurück. „Ihr seid vielleicht Helden“, monierte er. „Sitzt da wie Miesepeter und starrt Löcher in die Luft!“
„Hast du was dagegen?“, fragte Kambert.
„Es macht nicht gerade den besten Eindruck.“
„Wenn es so ist, räume ich das Feld. Ich muss sowieso mal raus.“ Er leerte sein Glas und stakste davon.
„Was hat er denn?“, forschte Sigi.
Ich hob die Schultern. „Keine Ahnung. Als Beichtvater würde er mich zuletzt auswählen. Aber was Ernstes wird‘s wohl kaum sein. Vielleicht hat seine Puppe einen andern.“
„Das wäre schlimm genug. Ich werde mit ihm reden.“
„Übertreib‘s nicht“, mahnte ich.
Sigi goss sich ein, trank ein paar Schlucke, behielt das Glas in der Hand und betrachtete die Blume. „Vielleicht hast du erneut Recht“, sagte er. „Warten wir erst mal ab.“ Er schüttelte das Bier, es schwappte über den Schaum und löste sich langsam auf. Augenblicke beobachtete er, wie die letzten Flocken zerfielen, dann blickte er mich an, während er fragte: „Und bei dir ist‘s immer noch die alte Geschichte?“
„Ja, immer noch.“
„Ich will mich nicht einmischen“, sagte er, „aber ich finde dein Verhalten unnormal. Wenn dich eine enttäuscht hat, musst du nicht alle verachten.“
„Tue ich‘s denn?“
„Es sieht so aus. Und es fällt auf die gesamte Truppe zurück. Die Menschen neigen zum Verallgemeinern. Für sie sind nicht die Soldaten Bylak und Kambert schnöselig, für sie ist es die halbe Ausbildungskompanie.“
„Hör auf! Bei mir brauchst du nicht den Natschalnik herauszukehren. Auf dem Ohr bin ich nämlich taub.“ Seit er FDJ-Sekretär war, kümmerte er sich um alles und fühlte sich für jeden verantwortlich. Dabei schoss er mitunter übers Ziel hinaus.
Sigi biss sich auf die Lippe. „War nicht so gemeint“, lenkte er ein. „Komm, trinken wir was.“
„Darf ich mich anschließen?“, fragte Mergelt, der plötzlich hinter uns stand.
„Natürlich, Genosse Leutnant“, sagte Sigi.
Mergelt folgte uns zur Theke. „Wie wär‘s mit Wodka? Seit der Gefangenschaft trinke ich ihn am liebsten.“
Wenige Monate vor Kriegsende hatte man ihn noch eingezogen. Er war gerade siebzehn. Zuerst schoss er wie die anderen, schoss, weil man ihm beigebracht hatte zu gehorchen. Doch bald begriff er, dass sie ihr Leben sinnlos einsetzten, die Niederlage der Wehrmacht unvermeidlich war. Er sprach mit zwei Kameraden, von denen er glaubte, dass sie dächten wie er. Tage später liefen sie an der Oder über.
Mergelt lehnte sich an die Theke und blickte uns, da keiner geantwortet hatte, fragend an.
„Nichts dagegen“, stimmte ich zu. „Wodka ist immer gut.“
„Dann nehmen wir einen Doppelten“, entschied er. „Vielleicht ermutigt er Sie zum Tanzen. Oder können Sie nicht?“
„Doch.“
„Also keine Lust?“
„So ist es, Genosse Leutnant.“
Der Wirt stellte die Gläser vor uns hin. Wir tranken aus.
„Schade“, bedauerte Mergelt. „Ein Soldat, der hier nicht tanzt, hat nur das halbe Vergnügen. Aber möglicherweise ändert es sich. Der Abend ist ja noch lang.“
„Ich glaube nicht.“
„Da bleibt er eisern, Genosse Leutnant“, meinte Sigi.
„Das bezweifle ich“, sagte Mergelt. „Eine Stelle, wo sich einhaken lässt, gibt‘s bei jedem. Man muss sie nur finden.“
Er entdeckte sie. Als ich wieder am Tisch saß, wurde eine Damenwahl ausgerufen. Ich wusste sofort, dass der Leutnant dahintersteckte. Die Blonde von der anderen Tafel kam, ich zögerte, aber nur einen Moment, dann folgte ich ihr zur Tanzfläche.
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