Suche Stelle als Talk-Gast. Anne Swalski
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Читать онлайн книгу Suche Stelle als Talk-Gast - Anne Swalski страница 6

Название: Suche Stelle als Talk-Gast

Автор: Anne Swalski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783748558101

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СКАЧАТЬ Winkel von 300 Grad ab. Überall gingen die Gardinen!

      „Leg nach, Karl, leg nach!“ beschwörte Otto seinen Kollegen. Karl, hochrot, stöhnte. Er schob seinen Unterkiefer vor und nickte, dann rief er:

      „Oberbetten und Teppiche, Teppiche und Oberbetten! Meine Damen und Herren, der ‚Köller TV-Talk‘ lädt Sie ein. Teppiche und Oberbetten! Uau! Meine Damen und Herren, kommen Sie, solange noch Platz im Bus ist!“

      Während Karl mit dem letzten Rest von Verstand das Blaue vom Himmel herunter gelogen hatte, gerieten alle Hauseingänge im Umkreis von einem Kilometer Luftlinie in harsche Bewegung. Auf einmal – die beiden Männer wussten einfach nicht wie – war der Bus umringt von Leuten, die unbedingt alle zur Sendung nach Kölle wollten, weil es dort immer so interessant wäre. Man musste sogar einige Mütter mit Kleinkindern zurück halten, weil Kinder im Studio zur Geruchsbelästigung neigen. Es war nicht zu fassen: Der Bus wurde rammelvoll.

      „Wo können wir denn die Oberbetten auf der Rückfahrt mitnehmen? Im Bus ist doch kein Eckchen mehr frei!“ fragte eine Frau, der es offenbar nicht recht war, dass so viele eingestiegen waren.

      „Auf dem Dach“, erwiderte Karl, seine Augen blickten starr vor sich, „auf dem Dach.“

      Ihm zitterten noch die Hände, als er neben Otto Platz genommen hatte. Er schob seinen linken Arm hinter den Rücken seines Kumpels und lehnte den Kopf an seine Schulter. Mochten die Leute denken, sie würden von zwei Schwulen gefahren, das war ihm egal. Otto, der Fahrer, gab Gas. Sie würden es noch schaffen.

      „Ich kann nicht mehr!“ sagte Karl, „ich bin nur ein ganz einfacher Beifahrer, Otto, ich bin kein Schlepper.“

      „Der Chef wird uns lynchen!“

      „Ja“, nickte Karl, „das wird er!“ Aber das war ihm jetzt egal, das war später.

      5 Zwischenspiel: Frühe Bots

      Die verehrten Lesenden wird es interessieren, wie die Geschichte mit Otto und Karl weiter gegangen ist. Tatsächlich hat ein Termin bei der Casting-Agentur Rhing-Gold Lösungen gebracht. Nachdem das Otto-Karl-Problem geschildert war, hat der Mitarbeiter Wolf Müller sofort empfohlen, dass man das Pferd von der anderen Seite auf zäunen sollte. Die Fernsehmacher verstanden nicht.

      „Na ja“, so Herr Müller, „eine Teilnahme an einer Sendung als Zuschauer/in kann mit einem Theater- oder Opernbesuch verglichen werden. Er muss Eintrittsgeld kosten.“

      „Ja, aber das Problem bei dieser Sendung ist doch, dass die Leute für ihre Teilnahme sogar etwas haben wollen, wie Federbetten etc.!“ widersprachen die Fernsehleute.

      „Ganz falsch, ganz falsch!“ erwiderte der Mann von der Agentur, „Sie müssen für die Teilnahme Geld nehmen. Verbreiten Sie über Ihren Internet-Auftritt, dass sich Zuschauer/innen melden können, wenn Sie die Sendung live erleben möchten, und setzen Sie dafür ein Eintrittsgeld fest, meinetwegen so viel wie für einen Kinobesuch. Denn nur, wenn etwas kostet, ist es gut und wertvoll. Wenn etwas nichts kostet, ist es nichts wert. Die Leute werden bezahlen, glauben Sie mir. Das Publikum vor Ort wird dann natürlich ein anderes sein, als das vor den Bildschirmen, das ist klar. Wir machen Ihnen gern ein Angebot für die Gestaltung der neuen Linie im Internet.“ Die Fernsehleute waren erst einmal baff und schwiegen eine Weile. Dann gab jemand zu bedenken, dass das nicht so schnell gehen würde und fragte, was man denn in der Zwischenzeit machen könnte. Aber auch das schien für Herrn Wolf kein großes Problem zu sein, denn er antwortete prompt:

      „Sie kennen doch alle Alfred Hitchcocks Film ‚Die Vögel‘; er konnte sie damals schon mit einer bestimmten Technik vervielfältigen. Machen Sie es doch genau wie er: Sie sollten ein paar Komparsen/innen und Mitarbeiter/innen in den Zuschauerraum platzieren, wo dann die digitale Kamera mit einer entsprechenden Software ausgestattet von diesen einigen wenigen Leuten mehrfach Kopien herstellt, eine größere Fläche des Saales generiert und sie dort verteilt. Auf den Fernsehschirmen zu Hause sieht dann der Saal so aus, als hätten tausend Leute darin Platz gefunden. Später wird man von sogenannten ‚Bots‘ sprechen; sie laufen dann eine Weile oder immer, je nachdem.“

      Nach einem Weilchen überwältigender Erleichterung hatten die Fernsehmacher das dann alles verstanden, und der gemeinsame Wackerstein auf ihren Herzen verflüchtigte sich im Nirgendwo. Natürlich bekam Herr Wolf den Auftrag für die Neugestaltung des sendungsbezogenen Anteils im Internetauftritt.

      So wurden für den Sender mit der Digitalisierung Probleme gelöst; die Lösungen brachten sogar Kohle ein, denn sie machten Fahrer/innen genauso überflüssig wie Busse. Allerdings auch, solange sie nicht zahlten, leibhaftige Zuschauer/innen, nun ja, Kollateralschäden eben.

      Als ich auf den Plan trat, waren Otto und Karl längst Geschichte. Ich war nun eingeladen, den frühen Bots sei Dank, mich für die aktuelle Sendung ‚Verbotene Laber‘ zu vervielfachen. Da es mir nicht verboten worden war, die Sendung zu genießen, gab ich mich ihrer Lebhaftigkeit hin. Bis es dieses Mal zu einem unerwarteten Show-Down kam, dann war auch ich weg. Im Folgenden eine besondere Story.

      6 Der Kilometerzähler

      Vico Stricher, Moderator beim ‚Köller TV-Talk‘, hatte eines seinen Kollegen/innen von der Zunft voraus: Er pflegte den unverstellten Blick auf Abgründe und Untiefen. Diese Eigenschaft machte ihn zur Idealbesetzung für die Sendung ‚Verbotene Laber‘. Wie sein Name schon vermuten lässt, war er nicht hetero, ein Vorteil, den besonders Frauen an ihm schätzten, denn niemand konnte mit solch einer Leichtigkeit über sie und ihre Beziehungen herziehen wie er, und damit brachte er ihre Beziehungen auf die Stufe, auf der sie gern wären, nämlich auf der des coolen Oberwassers. Da ihm nichts Menschliches fremd war, war er so unmenschlich. Und dafür wurde er geliebt. Auch von der Geschäftsleitung als Werbefläche.

      Jemand wie ich hatte dem Köller TV-Talk für die aktuelle Sendung ein Video aus Marokko zugespielt, in dem ein Hochzeitsbrauch eine Rolle spielte. Es ging darum, dass die Braut direkt nach der Vermählung ins Brautgemach geführt und durch ihren Bräutigam entjungfert wurde. Dies geschah natürlich hinter verschlossener Tür, aber doch wie in aller Öffentlichkeit. Als Beweis des Vollzugs hatte der Bräutigam im Anschluss mit einem blutigen Tuch zu den Gästen zurück zu kehren.

      Das Thema hätte für die ‚Verbotene Laber‘ nicht besser sein können. Die Redaktion hatte die Feministin, Frau Alice Wunderland, eingeladen und einen einigermaßen gut Deutsch sprechenden Türken, Herrn Ali Baba, aus der Hauptstadt eingeflogen.

      Vico Stricher erwartete das Schlimmste und ließ die Stühle seiner beiden Gäste zwei Meter weit auseinander positionieren und dazwischen auf zwei Beistelltischchen eine Reihe von Kakteen setzen. Der Produktionsleiter seinerseits hatte für die Sendung im Studio zwei Mitarbeiter des Malteser Hilfsdienstes postiert und ebenso zwei Herren von einem Sicherheitsdienst hinter einem Paravent mit entsicherter Waffe Platz nehmen lassen. Vico Stricher wurde unter seinem eleganten Oberhemd der Marke ‚Smart Casual‘ mit einer kugelsicheren Weste ausgestattet, denn seit der Produktionsleiter durch Zufall erfahren hatte, dass einige Leute jenes Dienstes zwar zuschlagen konnten, aber dafür lausige Schützen waren, hatte er Angst vor ihnen.

      Die Sendung ‚Verbotene Laber‘ wurde live ausgestrahlt. Meist waren zwei Talk-Gäste eingeladen – in der Regel Kontrahenten - und das eben erwähnte zu vervielfältigende Publikum, das im Studio für Atmosphäre sorgte. Nach der Begrüßung durch den Moderator wurde das Hochzeitsvideo eingespielt, welches eine Hochzeitsgesellschaft inmitten einer Oase in der Wüste bei Marrakesch zeigte. Man sah nur Männer, wenn Frauen mitfeierten, so waren sie wohl irgendwo verborgen. СКАЧАТЬ