Am Rande des Eises. Reinhard Heilmann
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Название: Am Rande des Eises

Автор: Reinhard Heilmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783748558460

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СКАЧАТЬ konnten. Dazu mussten Teile der Haut über dem Muskelfleisch erhalten bleiben, damit man daraus Taschen nähen konnte, die mit dem Fleischstück verbunden blieben und in die man zum Beschweren Steine einnähen konnte; das hielt, so war die überbrachte Erfahrung vieler Generationen bereits, das Fleischstück trotz der Lufteinschlüsse in den Zellen von Muskeln, Gewebe und Knochen soweit unter Wasser, dass der Verwesungsprozess bei den niedrigen Wassertemperaturen nicht einsetzen und das Fleisch nicht faulen konnte. Und nicht zuletzt konnten sich keine ungebetenen Gäste wie Wolf, Luchs und Bär an den frischen Brocken bedienen.

      Salz zum Einpökeln, wie es bereits in den Mittelmeerregionen verwendet wurde, kannten die Leute dieses Stammes noch nicht.

      Und nur durch Zufall kam man Jahre später erst darauf, Fleisch und Fisch zu räuchern, um die Stücke für lange Zeit haltbar zu machen.

      Die Frauen nähten an den vorbereiteten Stücken geschickt mit Sehnen und Knochenahlen die hängengelassenen Hautlappen am Muskelfleisch fest und ließen nur gerade eine Öffnung zum Einfüllen der abgerundeten, etwa faustgroßen Steine übrig, die die Gletscher in ihren Endmoränen entgratet und gleichmäßig rund geschliffen zu Millionen liegengelassen hatten. Diese Steine waren so hervorragend als Gewichte geeignet, weil sie die Haut nicht durch scharfe Schlagkanten oder Spitzen und Grate verletzen konnten, wie es mit den sonst von den Männern als Werkzeuge und Waffenteile behauenen Steinen der Fall wäre; denn so ideal rund hätte man durch mechanische Bearbeitung von Hand so einen einzelnen Stein erst nur mit langwieriger und mühseliger Arbeit bekommen, wenn überhaupt.

      Die Dämmerung zog herauf und die Leute vom Krater zogen sich vor ihre Zelte zurück. Im allgemeinen kannten sie keine Eile; der Tagesrhythmus wurde durch den Sonnenauf- und -untergang bestimmt, durch das Wetter, durch Gefahren, die das Naturgeschehen für die Menschen mit sich brachte oder durch Beute suchende Tiere wie Höhlenlöwen, Luchs und Höhlenbär. Dann zog man sich einfach in die Schutz bietenden Behausungen zurück und wartete ab.

      Auch die Nacht bedeutete für die Menschen dieser Zeit eine gewisse Bedrohung, da man nicht in der Lage war, außer durch Beleuchtung im Zelt, der Hütte oder der Höhle, Licht zu erzeugen, mit dem man sich im Gelände hätte frei bewegen können. Es gab bereits Steinlampen, die neueste Errungenschaft, die man sich im vergangenen Sommer bei einem anderen, auf dem Weg in den Süden ziehenden Stamm abgeschaut hatte und die zusätzlich zu den Koch- und Heizfeuern für Licht sorgten; hierzu arbeitete man in flache Steine kleine Mulden, in die dann Fettstücke eingelegt wurden, die man anzündete. Aber diese Lampen waren sehr windempfindlich und taugten nicht für die Verwendung im Freien, es sei denn, es war völlig windstill, was allerdings durch die Temperaturausgleiche zwischen dem eisigen Nordteil und dem wärmeren Land etwas weiter südlich und durch die dadurch erzeugten Luftströmungen, den Wind, fast nie vorkam.

      Also zogen sie sich bei Einbruch der Dämmerung zurück und gingen den nächtlichen Gefahren so gut sie konnten aus dem Wege. Schlimm genug, wenn einer von ihnen nachts raus musste, weil ihn Darm oder Blase drückten.

      Und dann waren da noch die Geister der Nacht, der Dunkelheit und des Ungewissen, das man nicht greifen und nicht begreifen konnte; das waren unsolide Gesellen, immer zu irgendwelchem Schabernack und zu irgendwelchen groben Scherzen aufgelegt und denen begegnete man besser nicht.

      Und dann diese eigenartigen Erscheinungen, die man sich überhaupt nicht erklären konnte und die von Wesen geschaffen sein mussten, die Zauberer und Dämonen zugleich waren: wenn droben am Himmel, der kolkrabenschwarz war und wolkenlos, diese vielen Lichter oder Lagerfeuer zu sehen waren oder war hinter dem schwarzen Tuch ein neuer heller Tag, der wartete und konnte man diese hellen Punkte nur sehen, weil dieses schwarze Tuch so löchrig war wie die abgezogene Haut eines Wisent nach Dasselfliegenbefall?

      Zu anderen Jahreszeiten war alles noch unheimlicher und trieben die Götter ihre Lichterspiele dort oben, wenn große bunte Lichtwolken am Himmel zuckten, so, wie nach einem Gewitter oder nach einem großen Regen, wenn ein bogenartiges Gebilde von einem Punkt zum anderen weit über den Himmel spannte und in allen Farben bunt leuchtete.

      Man tat gut daran, es sich mit diesen Überwesen nicht zu verscherzen und regelmäßige Opfer zu spenden, so, wie es jeder von Ihnen eben haben wollte. Denn wer wollte sich schon deren Gnade und Beistand verscherzen?

      So blieben die Geheimnisse der Nacht weitgehend ungelöst und nur der Schamane des Stammes schien eine andere Beziehung zu diesen Wesen und Erscheinungen zu haben.

      Mit den Schamanen hatte es schon immer etwas besonderes auf sich, das waren sowieso keine normalen Wesen: schon von Kind auf, ja schon als Säugling wurde an der Art, wie das Kind auf die Welt kam, daran, was es dann als erstes tat und wie es beim Schlagen des Feuerzeichens reagierte, wie es schrie, festgestellt, ob dies der Nachfolger des Stammeszauberers war, der vom Schamanen in die Handhabung und richtige Auslegung aller Rituale, aller Einzelheiten des täglichen Alltags und der besonderen Tage eingewiesen wurde und dem mit Erleben von fünfzehn mal zwölf Monden das Amt des Schamanen mit allen Würden übergeben wurde.

      Dies konnte nur ein Kind sein, das in der Mittsommernacht geboren wurde, da es all die Kraft der Sonne für sein späteres Leben im Dienste des Stammes brauchen würde.

      Oft kam es vor, dass viele Sonnenwenden vergehen mussten, ehe wieder so ein Kind geboren wurde und nicht immer stellte sich dann heraus, dass es den Aufgaben des Schamanen gewachsen sein würde. Und so kam es, dass viele Schamanen ‚steinalt‘ werden mussten, ehe sie ihr schweres Amt in die Hände eines Jüngeren legen konnten eines Nachfolgers, der die Bürde würde tragen können, dem Stamm zu dienen und die Verbindung zwischen den Überwesen und den Menschen aufrecht zu erhalten und den anderen verständlich zu machen, was ohne geschultes und überliefertes Verständnis nicht möglich war, richtig zu verstehen und zu deuten und für die Befragungen zu Lösungen in schwierigen Aufgaben beizutragen.

      Aber man konnte sonst gut zurechtkommen mit den Göttern und Geistern, wenn man eben gewisse Regeln beachtete und sich ansonsten an den Ratschlag hielt, den der Zauberer nach eifriger und intensiver Befragung der Zeichen in der Asche eines mit Tierblut gelöschten Feuers, oder eines Haufens hingeworfener Knöchelchen eines totgeborenen Welpen oder einer Rentierleber oder anderer vielfältiger und für sämtliche Anlässe und Befragungen genau festgelegter Gegenstände dem Ratsuchenden gab. Was wollte man ohne den Schamanen nur machen? Wie kein anderer kannte er die religiösen Gesetze und die Gesetzmäßigkeiten, die die selbstverständliche Folge allen Handeln und Tuns waren.

      Wie sollte man wissen, ob man zum Beispiel eine gefundene Furt durchqueren durfte, wenn nicht zuvor die Zeichen am Erdboden und an den Pflanzen ringsum, der Stand der Sonne und andere wichtige Kriterien eindeutig zugeordnet waren und festgestellt war, ob es ein gutes oder schlechtes Zusammentreffen war, das entweder für eine oder gegen eine Durchquerung sprach. Natürlich wurden auch Steinformen im Wasserlauf, das Kräuseln fließenden oder stehenden Wassers und anderes Praktisches mit zur Entscheidungsfindung berücksichtigt.

      Wie gut, dass es jemanden gab, den man um Rat fragen konnte!

      Aber gegen die Angst in der Nacht, auch der Mutigsten und Kühnsten unter ihnen, konnte auch der Schamane nichts raten, es sei denn das Kauen von beruhigenden, tranquillierenden Wurzeln oder Beeren, die einen sicheren Schlaf versprachen oder vergorene Obst-, Beeren- und Kräutersäfte, die man allerdings immer nur zu besonderen Anlässen zubereitete und die eine leicht berauschende und gleichzeitig beruhigende Wirkung brachten.

      Und die Feuer vor den Zelten durften nie ganz niederbrennen und das Feuer in der Mitte des Zeltkreises zum Schutz gegen wilde Tiere, die nachts herumstreunten und nach leichter Beute suchten, wurde immer im Wechsel jede Nacht von einem anderen Stammesangehörigen aufgeschürt und am Brennen gehalten.

      Das Flackern der Flammen und deren Schattenwurf, das Knistern des Holzes oder der Knochen und Dungfladen, СКАЧАТЬ