Als Erich H. die Schule schwänzte. Hans-Georg Schumann
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Название: Als Erich H. die Schule schwänzte

Автор: Hans-Georg Schumann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783742773463

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СКАЧАТЬ See. Und offensichtlich auch keinen Schatz.

      Zwischen Kilometer Vier und Fünf gab es eine weitere Stelle, die in Erich Erinnerungen weckte. Hier lagen viele entwurzelte oder gefällte Bäume, wegen der starken Unwetter im letzten Monat. Für Erich sah es hier fast aus wie Ruinen, die ein Krieg hinterlassen hatte. ›Alles wie ausgestorben‹, dachte er, ›aber man kann ja scheinbar totes Holz wieder zum Leben erwecken, wenn man Möbel daraus macht.‹

      Früher hatten sie hier zu fünft oft ein Lagerfeuer angezündet. Erich mochte so um die elf bis zwölf Jahre alt gewesen sein. Es gab damals eine kleine Lichtung und der Boden war weiträumig sandig. Die Jungs hatten größere Steine gesammelt und diese nach und nach hierhergebracht.

      Als ihr erstes großes Feuer niedergebrannt war und in der Glut die Kartoffeln rösteten, beschlossen sie eine Bande zu gründen. Jeder musste einen Schwur ablegen, dessen Text sie sich vorher zurechtgelegt hatten. An den genauen Wortlaut konnte Erich sich heute nicht mehr erinnern. Es ging unter anderem um Zusammenhalt und auch der Satz »Einer für alle, alle für einen« kam darin vor. Den hatten sie im Film »Die drei Musketiere« gehört und er gefiel allen so gut, dass sie ihn auch in ihren Schwur einbauten. Was er bedeuten sollte, wussten sie nicht so genau. War aber nicht schlimm, Hauptsache der Schwur klang gut.

      Zum Abschluss musste jeder von ihnen noch in die Glut pinkeln. Und Erich erinnerte sich, dass er damals keinen Tropfen herausbekam. Anschließend bemerkten die fünf, dass sie vergessen hatten, die gerösteten Kartoffeln vorher aus der Glut zu nehmen. Erich musste schmunzeln.

      Lange hatte die Bande dann nicht gehalten. Danach gab es noch zahlreiche Neugründungen. Jede Bande hatte zuerst mindestens drei Mitglieder, die meisten bestanden am Schluss nur noch aus einer Person, was natürlich die sofortige Auflösung zur Folge hatte. Die Lebensdauer solcher Banden reichte von einigen Tagen bis zu mehreren Monaten.

      Erich ging weiter, machte den Rundgang komplett. Nun war er wieder am Anfang des Seewegs, der ja unendlich viele Anfänge (und Enden) hatte – aber einer davon war Erichs Anfang.

      Heute empfand er den ganzen See mit dem ihn umgebenden Wald als wahren Schatz. Man konnte sich dort erholen, konnte frische Energie für kommenden Unterricht tanken.

      Von seiner Wohnung aus war es nicht weit. Oft ging er direkt nach der Schule nur bis ans Seeufer, und blieb an seinem Anfang des Rundwegs. Setzte sich dort auf eine Parkbank, schloss die Augen. Und saß einfach nur da. Atmete die Luft ein, die vom Wasser kam, gemischt mit den Düften des nahen Waldes.

      So manches Mal war Erich dort eingeschlafen, um erst bei Dämmerung wieder aufzuwachen. Dann blieb er noch eine ganze Weile sitzen, die es dauerte, bis die Sonne untergegangen war. Auch das war etwas, das dieser See bot: Den Untergang der Sonne, die ihn immer mehr mit hellem Blut zu tränken schien, bis sie schließlich ganz versank und dem See ein dunkles Tintenblau hinterließ.

      Nach diesem Naturschauspiel erhob sich Erich von seinem Logenplatz, um nach Hause aufzubrechen. Dort verbrachte er dann den ganzen restlichen Abend.

      Diesmal zögerte er. Es war noch früh am Tag. Ob er den ganzen Weg noch ein zweites Mal rund gehen sollte?

      07

      Es war später Nachmittag, als Hülya von der Schule nach Hause kam. Sie war müde und fragte sich mal wieder, wozu sie sich den ganzen Stress gemacht hatte. Stundenlang in der Klasse sitzen und sich gelangweilt anhören, was der oder die da vorn zu sagen hatten.

      Am schlimmsten war die vierte Stunde. Da hatte diese blöde Lippmann Vertretung für Hoofeller. Englisch und die Lippmann. »A little bit louder, please«. »A little bit clearer, please«. Das waren die beiden Sätze, die diese Frau am meisten benutzte.

      Hoofeller ließ es schon mal durchgehen, wenn man die englische Aussprache nicht allzu genau traf. »Hauptsache«, sagte er dann mit einem Grinsen, »ihr versteht es und euer Gesprächspartner versteht euch.« Und auch dieser Satz stammte von ihm: »Es reicht, wenn ihr so gut Englisch könnt, wie ein Engländer oder Amerikaner für euch verständlich Deutsch spricht.«

      Hoofeller selbst sprach wohl ein perfektes Englisch, soweit Hülya das beurteilen konnte. Jedenfalls klang es in ihren Ohren ziemlich perfekt. Dass es durchaus verschiedene Arten von Englisch gab, hatten sie sich an Dutzenden von Beispielen anhören können, die Hoofeller ihnen vorspielte.

      Zuerst sagten verschiedene Personen, deren Muttersprache Englisch war, einige Sätze in Deutsch. Das meiste davon hatte Hülya verstanden, obwohl darin viele Grammatikfehler steckten. Dann kamen Menschen aus Europa, Asien, Afrika zu Wort. Auf Englisch. Viele beherrschten diese Sprache nur mäßig. Hier verstand Hülya wenig. Urban war der einzige, der zumindest so tat, als würde er alles verstehen.

      »Die meisten von euch«, meinte Hoofeller dazu, »werden nicht gerade in England ihren Urlaub verbringen, sondern irgendwo in Südeuropa oder in der Türkei. Und dort wird genau so Englisch gesprochen.«

      Hoofeller hatte ihnen angeboten, alles auf eine CD zu brennen. »Wer eine leere CD mitbringt, bekommt eine Kopie und kann sich das Ganze dann ab und zu mal zu Hause anhören.«

      Nach einer Stunde Englisch mit Lippmann sehnte sich Hülya zu Hoofeller zurück. Und da war sie sicher nicht die einzige.

      Eigentlich war die Lippmann wohl nicht schlimmer als andere. Es konnte auch daran liegen, dass Hülya überhaupt keine Lust auf Unterricht hatte. Die meisten Lehrer, egal ob Mann oder Frau, spulten ihren Kram ab, und erwarteten von den Schülern, dass sie ihn irgendwie schluckten.

      Für Hülya gab es zwei Hauptsorten von Lehrern: Die einen waren ständig bemüht, dass möglichst alle am Unterricht aufmerksam teilnahmen. Dazu sparten sie nicht mit Ermahnungen. Und oft nahmen sie unerwartet Schüler dran, die dann das wiederholen sollten, was gerade gesagt wurde. Das waren die »echten Lehrer«.

      Die anderen waren dauernd am Jammern. Wie schlimm diese Klasse doch sei, warum nicht einmal Ruhe sein könnte, weshalb wieder keiner aufpassen würde. Das waren die »Anti-Schüler«.

      Hoofeller gehörte zu keiner der beiden Sorten. Ab und zu hatte er mal ein bisschen was von der einen oder der anderen Art. Auch er nahm mal jemanden unverhofft dran, der sich nicht gemeldet hatte. Auch er meckerte mal, dass er keine Lust hätte, nur sich selbst zu unterrichten. Aber ansonsten war er anders, gehörte sozusagen zu einer dritten Gruppe. Einer Einmanngruppe, vielleicht so was wie ein »Schüler-Kumpel«. Vielleicht auch nicht, denn er benahm sich eigentlich ja nicht kumpelhaft.

      »Ich bin euer Kundendienst«, hatte er nicht nur einmal gesagt, »Ich biete euch jede Unterrichtsstunde ein Menü. Und nur wenn ihr wollt, müsst ihr es essen. Ihr könnte es aber auch genießen.« Und so machte er auch seinen Unterricht. Jedenfalls in der Klasse, in der Hülya war. Er zwang keinen, sich am Unterricht zu beteiligen.

      Zunächst verlangte er schon, dass sich alle in Ruhe seine Angebote anhörten. »Dann brauchen diejenigen, die mein Angebot annehmen und mitarbeiten wollen, die nötige Arbeitsruhe. Das heißt, die anderen können meinetwegen Karten spielen oder schlafen, Hauptsache sie quatschen oder schnarchen nicht.«

      Noten gab es natürlich auch bei Hoofeller. Und wer sich eben am Unterricht nicht beteiligte, konnte auch im Zeugnis nichts Besseres als eine Vier erwarten. Aber er bekam auch keine Fünf oder Sechs, solange er die anderen nicht beim Arbeiten störte. Und wenn er keine Fünfen oder Sechsen in den Klassenarbeiten schrieb.

      Hoofeller war für Hülya also einer der wenigen Gründe, immer noch die Schule zu besuchen. Na ja, auch Frau Schreyhals war in Ordnung, ihre СКАЧАТЬ