Als Erich H. die Schule schwänzte. Hans-Georg Schumann
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Название: Als Erich H. die Schule schwänzte

Автор: Hans-Georg Schumann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783742773463

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СКАЧАТЬ Hoofeller es sorgfältig vermieden als Schwänzer zu gelten. Aber heute war das etwas anderes. Er lächelte in sich hinein. Es machte ihm nichts aus. Sollen sie doch denken was sie wollen. Wenn ihn überhaupt jemand sehen würde.

      Dann legte er sich doch eine passende Antwort zurecht: Der Arzt habe ihm Spaziergänge verordnet. Das hätte er früher auch schon sagen können. Aber da traute er es sich nie. Jetzt dagegen machte es ihm seltsamerweise nichts aus.

      »Wenn ich schon schwänze«, begann er zu lachen, »dann richtig!«

      Er ging aus seiner Wohnung, die im ersten Stock lag, die Treppe hinunter. Verließ das Haus, und musste dann noch einige Straßenabschnitte laufen, ehe er am Seeweg angekommen war.

      Einen Moment blieb er stehen. Er genoss den Anblick des Sees, der an seiner weitesten Stelle fast anderthalb Kilometer breit war. Die Sonne spiegelte sich im Wasser und färbte es in einem seltsamen Grüngelb.

      Wie oft hatte er schon dieses Wasser betrachtet. Als ob er unter der Oberfläche irgendetwas suchen würde. Natürlich wusste Erich, dass dort weder ein Schatz verborgen war noch ein Ungeheuer wie angeblich in Loch Ness lebte. Doch ihn faszinierte der Gedanke, dass man sich alles vorstellen konnte, solange man nur auf die Oberfläche schaute. Selbst wenn man dort schon einmal eingetaucht war und dann den Raum darunter kannte. Beim bloßen Anblick der Wasseroberfläche konnte man sich erneut vorstellen, dass es darunter etwas gab, das man noch nicht entdeckt hatte.

      Vielleicht ist es den Schatzsuchern so gegangen, die immer und immer wieder dieselbe Stelle abgesucht haben. In der Meinung, sie hätten vielleicht etwas übersehen. Es gab hier tatsächlich einmal Schatzsucher, an diesem See.

      Es rührte von einer Geschichte her, die man sich noch heute erzählte. Vor über hundert Jahren wurde die damals recht schlecht geschützte Bank von Seeberg überfallen. Die Täter kamen jedoch nicht weit, denn der Überfall wurde schnell bemerkt. Und die Verfolger waren den Bankräubern dicht auf den Fersen. Die rannten zum See, fanden dort ein Boot, ruderten damit bis etwa zur Seemitte, und ließen die Beute hinein plumpsen. Nach einiger Zeit versanken die schweren Säcke mit den Geldstücken offenbar im weichen Boden des Sees, zwischen allerlei Unterwasserpflanzen.

      Die Täter wurden zwar allesamt erwischt. Doch das Diebesgut hatte man nie gefunden. Und mit der Zeit wurde daraus ein Schatz. Wie viel Geld es gewesen sein mag – wenn die Geschichte stimmte – wusste man bis heute nicht. In alten Quellen hieß es, es habe sich um höchstens hundert Goldstücke gehandelt. Ihr heutiger Wert wurde auf über 100 Euro pro Münze geschätzt.

      Im Laufe der vielen Jahre jedoch wuchs der Schatz in der Überlieferung von Mal zu Mal immer weiter an. Nach heutiger Erzählversion sollten es bereits mehrere tausend Goldstücke im Wert von insgesamt fast einer Million Euro sein. Damit würde es sich also schon lohnen, nach diesem Schatz zu suchen.

      Und so waren bis noch vor etwa zwanzig Jahren zahlreiche Gruppen von Tauchern im See von Seeberg unterwegs, zum Teil sogar nachts. Doch gefunden hatte nie jemand etwas.

      Hoofeller lächelte. Vielleicht hätte auch er früher an einer solchen Tauchaktion teilnehmen sollen? Einfach so, zum Spaß. Denn noch heute erzählten sich die Leute die tollsten Geschichten, was es alles unter Wasser zu sehen gab. Natürlich waren auch einige Seeungeheuer dabei, die den mutigen Tauchern dort begegnet sein sollen.

      Aber Erich traute sich bis heute nicht, tiefer als etwa zwei Meter zu tauchen. Er schwamm damals zwar gerne, hatte sogar den See an einer etwas engeren Stelle einige Male komplett durchquert. Doch beim Tauchen bekam er nach einiger Zeit Angst, dass er vielleicht nicht mehr rechtzeitig die Wasseroberfläche erreichen würde. Ehe ihm die Luft ausging. Außerdem sah man hier ab etwa zwei Metern Tiefe so gut wie nichts mehr unter Wasser. Deshalb hielt er sich beim Schwimmen und Tauchen immer nur in der Nähe der Oberfläche des Sees auf.

      Heute schwamm er schon lange nicht mehr hier. Das konnte zwanzig oder mehr Jahre her sein, dass er das letzte Mal in diesem See geschwommen war. Wenn Erich schwimmen ging, dann zuletzt nur noch ins Hallenbad von Seeberg. Und seit er sich einen Bauch hatte wachsen lassen, der längst unübersehbar geworden war, traute er sich überhaupt nicht mehr öffentlich ins Wasser.

      Inzwischen war Erich wohl einen ganzen Kilometer weiter gegangen. Er erkannte dies an einer Markierung. Früher einmal hatte er sich bei der kompletten Umrundung des Sees Stellen gemerkt, die jeden der etwa fünf Kilometer kennzeichneten. Mal war es ein bestimmter Baum, mal eine Gruppe von bemoosten Steinen oder auch ein Wegweiser, der zufällig eine Strecke von drei Kilometern markierte. Die einzelnen Stellen hatte er vor Jahrzehnten schon mit Fahrrad und Tacho genau abgemessen.

      ›Bis zu dem Café‹, dachte er, ›in dem ich immer einen Cappuccino trinke, ist es also noch einen halben Kilometer hin.‹ Er beschleunigte seine Schritte, und es dauerte nicht lange, bis er bei dem besagten Café angekommen war.

      »Geschlossen«, sagte er enttäuscht. »Hatte ich vergessen. Dass dieses Café nicht wie die anderen am Montag zu haben kann!«

      Er ging langsam weiter. ›Macht nichts‹, dachte er bei sich, ›trink ich eben einen zu Hause.‹ Und er beschloss, nicht umzukehren, sondern den ganzen Rundweg zu gehen. Das hatte er schon länger nicht mehr getan.

      Seit Jahren besuchte er dieses Café regelmäßig auf seinen wöchentlichen Spaziergängen, die allerdings immer nur am Wochenende stattfanden. Trank dort einen Cappuccino, und machte sich dann auf den Rückweg.

      Er kannte den Besitzer des Cafés, wechselte ab und zu ein paar Worte mit ihm. Und hatte dessen Sohn sogar schon wiederholt Nachhilfe in Englisch gegeben. Bezahlung wollte er dafür keine. Alessandro – so hieß der Vater des Jungen – revanchierte sich aber damit, dass Erich jeden Sonntag seinen Cappuccino kostenlos bekam. Den heutigen hätte er natürlich bezahlt, dachte er bei sich, aber am Donnerstag war das Café ja geschlossen.

      Als Erich weiterging und nach längerer Zeit den Wegweiser als Dreikilometermarke hinter sich gelassen hatte, sah er die längst verfallene Hütte und blieb stehen. Wie immer, wenn er dort vorbeikam.

      Sie lag nicht direkt am Rundweg, sondern ein bisschen abseits, war aber vom Weg aus sogar bei Dämmerung gut zu erkennen.

      Früher als Kind hatte er dort einmal Zuflucht gesucht, zusammen mit einem älteren Jungen. Der hatte ihm weismachen können, dass im Wald um den See ein geheimnisvoller Mann sein Unwesen trieb. Er ernährte sich angeblich von kleinen Kindern, die ihm über den Weg liefen.

      Beide rannten schnell zur Hütte, als der betreffende Mann sich zu nähern schien. (Dabei war sich der kleine Erich nicht einmal sicher, ob das Geraschel, das sie hörten, wirklich Schritte waren.)

      Die Jungs versteckten sich im Hohlraum unter der Sitzbank, als tatsächlich jemand hereingestapft kam, sich sogar an den Tisch setzte, und dort eine Weile schnaufend saß. Wer es war, erfuhr Erich nie.

      So aber hatten sie damals bestimmt eine Stunde unbequem unter der Bank gekauert, möglichst ohne einen Laut, bis dieser Jemand sich endlich laut stöhnend erhob und wieder entfernte.

      Erst als es dann eine Weile völlig still war, trauten die beiden sich wieder aus der unbequemen Lage heraus. Lange Zeit konnte Erich seine Beine nicht richtig bewegen. So waren sie zwar eilig nach Hause unterwegs, aber mehr gehumpelt als gerannt. Und der kleine Erich ließ sich die nächsten Monate nicht mehr zu einem Besuch des Seewegs überreden.

      Später, einige Jahre älter geworden, umrundete er den See oft mit seinem Fahrrad. Dabei wagte er auch Abstecher in den dichteren Wald, nicht ohne sich immer wieder an das Erlebnis zu erinnern. Das lag mittlerweile weit zurück. Es machte ihm СКАЧАТЬ