Gefangen - Unter Wasser und Beton. Frank Hille
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Название: Gefangen - Unter Wasser und Beton

Автор: Frank Hille

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783741868498

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СКАЧАТЬ stieg er in die Diskussion ein.

      „Falsch, vollkommen falsch. Der Verzicht auf die Macht, andere zu beherrschen. Dieser tägliche Wahn, einem anderen überlegen zu sein, und bei der Wahl der Mittel, das zu erreichen, nicht zimperlich zu sein. Jedem sein Selbst lassen. Keine Konventionen zulassen. Hast du Macht über andere?“

      „In meinem Job ja“ gab er jetzt schon etwas genervt zu.

      Was wollte dieser Zausel von ihm? Er sollte das Heft rausrücken und sich dann ins Knie ficken. Der Zausel dachte gar nicht daran sondern setzte seine Rede fort.

      „Dann musst du dich ändern, denn du dirigierst andere gegen ihren Willen. Machst sie zu deinen Arbeitssklaven. Nutzt sie aus. Zu deinem Vorteil. Vielleicht mit üblen Spielchen?“

      „Hören Sie zu. Ich wollte nichts weiter als das Heft von Ihnen kaufen. Ich habe einen anstrengenden Tag hinter mir, will nach Hause und ins Bett.“

      „Siehst du. Du bist gefangen. In diesem verlogenen System. Das dich auf die Dauer aussaugt und wegwirft, wenn du nicht mehr funktionierst.“

      Plötzlich zauberte er eine Flasche aus der Westentasche und nahm einen tiefen Schluck.

      „Sa Rodinu. Sa Leninu. Sa Stalinu” brüllte er plötzlich wie wahnsinnig.

      Der Hund entwich mit irrem Gebell und eingezogenem Schwanz in die Wohnung.

      „So, jetzt sollst du die Gabe erhalten. Der Herr sagt mir, dass du einen weiten Weg auf dich genommen hast. Du hast dir das Büchlein erworben. Jetzt sollst du es haben. Nimm es aus meiner Hand.“

      Er fasste sich ein Herz und näherte sich dem Zausel. Je näher er der Wohnung kam, desto mehr nahm der Gestank zu. Jetzt wusste er auch, woher das Undefinierbare kam. Hundescheiße. Auf dem gesamten Treppenabsatz. An seine hochglanzpolierten Schuhe dachte er gar nicht einmal, als er mit torkelnden Gang eines heillos Betrunkenen auf den Zausel zusteuerte, um ja nicht in die Scheiße zu treten. Er konnte ihm in das Gesicht sehen. Muss früher mal ein attraktiver Mann gewesen sein dachte er sich. Hat sich durchs Saufen fertig gemacht. Wer weiß, was er früher gewesen war. Oder was passiert ist.

      „Du versuchst mich zu erkennen, stimmst? Nun, junger Freund, das wird dir nicht gelingen. Jeder trägt ein Geheimnis in sich. Müsstest schon Nostradamus sein, um mir meines zu entreißen. Ist auch nicht wichtig. Nimm dein Büchlein und der Herr segne dich.“

      Als er das Heft nahm konnte er die Hände ansehen. Feingliedrig und gar nicht zu dem massigen Körper passend. Die Hände eines Pianisten, eines Arztes oder Ingenieurs, der seine Finger am Skalpell oder Computer geschickt einsetzen musste. Keine Handwerkerhände. Er sah auch, dass der Zausel gepflegt war, die Haare ohne Fett und ordentlich. Frisch rasiert.

      „Wie viel bekommen Sie von mir?“

      Das Brüllen nahm an Stärke zu.

      „Willst du mich beleidigen? Hast du denn gar nichts begriffen? Du hast es dir erworben! Dann muss es dir etwas Wert sein! Und jetzt verschwinde, sonst greift dich der Zerberus.“

      Plötzlich fiel jegliche Spannung aus seinem Gesicht und die Züge erschlafften. Doch an die sechzig schätzte er. Nun wusste er auch, dass er ohne Kommentar gehen sollte. Die Treppe gab beim Abwärtsgehen wieder ihr Konzert und er war erleichtert, als er das Haus verließ.

      Das kann nicht wahr sein was hier abgegangen ist ging es ihm durch den Kopf. Manfred, du Arsch. Du hast genau gewusst, was das für ein Typ ist. Das Jucken war wieder da und er sehnte sich nach einer Dusche. Das war das erste, was er zu Hause tat. Seine Gedanken kreisten um den Zausel. Manfred würde er morgen Abend besuchen und ein Hühnchen mit ihm rupfen. Er hätte ihn zumindest vorwarnen können. Von wegen bisschen verrückt. Total durchgedreht der Kerl. Nach der Dusche fühlte er sich besser und holte ein Bier aus dem Kühlschrank. Er ließ sich auf die Couch fallen und legte die Beine auf den Tisch. Das Heft lag auf dem Tisch, aber zu weit weg, um es mit der Hand zu erreichen. Mit dem Fuß zog er es heran. Bin ja mal gespannt was ich hier erfahre dachte er schon etwas schläfrig, denn das Bier war schon alle. Er musste Energie aufbringen, um sich ein zweites aus dem Kühlschrank zu holen.

      Das Heft war unscheinbar und augenscheinlich unprofessionell layoutet. Unter dem Titel „Mythos Führungsbunker Nordthüringen“ war eine Zeichnung zu sehen, die von einem Viertklässler stammen könnte. Wie die Broschüre von Harnekop. Muss ja nichts bedeuten summte es in ihm. Die ersten Seiten gaben einen Abriss über die Geschichte von Schutzbauten. Alles das kannte er. Da das Heft 24 Seiten hatte und er schon 11 gelesen hatte keimte der Verdacht, dass Manfred Recht gehabt hatte. Also doch Heimatverein. Ihm fielen fast die Augen zu und Bettschwere machte sich breit. Schluss für heute sagte ihm sein Ich. Geh‘ in die Falle. Morgen fährst du nach München, pack‘ das Heft ein, lies‘ es im Zug in Ruhe. Er schnappte sich noch einen Grappa, sah im Vorbeigehen, dass der Anrufbeantworter blinkte, Robert hatte angerufen, schaute auf die Uhr, 23.47 Uhr, und beschloss, jetzt zu schlafen. Kurz gingen ihm noch die Ereignisse des Tages durch den Kopf und dann war innerhalb von zwei Minuten eingeschlafen.

      Die B 17 kroch am Himmel entlang, Brown hielt sie mühsam auf 400 Meter Höhe. Er hoffte, dass niemand mit ihnen rechnete. Sein Navigator hatte einen komplizierten Kurs festgelegt der sie von Großstädten fernhielt. Die Motoren brannten nicht mehr. Seinen Männern hatte er eingeschärft, den Luftraum zu beobachten, wozu, wusste er selbst nicht. Die Kiste würde beim geringsten zusätzlichen Schaden abschmieren.

      Wilson hockte im Rumpfmittelteil, Brown wollte ihm wenigstens die Chance geben mit dem Fallschirm auszusteigen, denn was sollte er noch im Kugelturm. An Verteidigung dachte er nicht, sollten sie die Deutschen stellen, würden sie versuchen alle abzuspringen. Nur Baker nicht.

      Um Göttingen war die Maschine herumgeschlichen. Durch Thüringen hatte ihm sein Navigator wegen der Gebirge einen Zickzack Kurs empfohlen. Für ihn war im Moment am wichtigsten, dass die beiden verbliebenen Motoren durchhielten und aus den Augenwinkeln sah er die Anzeigen der Instrumente, die keine Probleme signalisierten. Er versuchte nicht zu verdrängen, dass die Struktur der beschädigten Tragfläche über ihr Schicksal entscheiden würde und hatte Theodoris beauftragt, die Fläche zu beobachten und ihn sofort zu informieren, falls weitere Schäden auftraten. Bis jetzt hatten sie einfach nur Glück gehabt. Schon, dass die Maschine noch in der Luft war, erstaunte ihn. Aber die Beschussschäden waren nicht letal gewesen. Er schätzte, dass sie mehr als die Hälfte des Weges durch Deutschland geschafft hatten. Die Chancen stehen fifty fifty schlich sich leiser Optimismus bei ihm ein. Die Männer hockten schweigend auf ihren Positionen und blickten mit leeren Augen hinaus. Der Navigator meldete sich über die Bordsprechanlage und gab den neuen Kurs bekannt. Brown trat in das Pedal für das Seitenruder und die Maschine ging widerwillig in eine Rechtskurve. Ein eigenartiges Geräusch war zu hören, verstummte aber sofort wieder. Der Kurs gab ihm eine leichte Steigung vor, 500 Meter mussten jetzt erreicht werden um ohne Not über das Gebirge zu klettern.

      Er betätigte das Höhenruder und im gleichen Moment krachte es ohrenbetäubend, die Maschine rollte nach Backbord, er hörte Theodoris schreien „ ein Motor ist abgebrochen“, versuchte mit dem Seitenruder gegenzusteuern und ahnte, dass sie die Schweiz nicht erreichen würden. Pacino übernahm das Steuer und Brown kroch durch den Rumpf zur Position von Theodoris. In der Tragfläche klaffte an der Flügelspitze ein Loch in Höhe des äußeren Steuerbordmotors. Das Stahlgerippe der Flügelkonstruktion war deutlich sichtbar, die Beplankung aufgerissen. An der Flügelwurzel erkannte er einen Riss, der sich schon auf 2 Zentimeter ausgeweitet hatte. Das ist nur noch eine Frage der Zeit sagte er sich resignierend, an Aussteigen СКАЧАТЬ