Bevor die Welle bricht. Dirk Harms
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Название: Bevor die Welle bricht

Автор: Dirk Harms

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783750204362

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      Er nahm den Antrag demonstrativ in die Hand und sagte zweideutig zu König: „Ich überlege es mir.“ Damit ließ er den kopfschüttelnden Vize-Chef stehen und begab sich zurück zu seinem Platz, denn die Versammlung sollte fortgesetzt werden.

      Es ging um Zeitmanagement im verwaltungstechnischen Ablauf, insbesondere bei der Erledigung wichtiger Terminsachen wie der Vorbereitung von Vertragsunterlagen. Dreh- und Angelpunkt war die Akquise potenzieller Käufer für die auf den Werften an der Ostsee im Bau befindlichen Supertrawler oder Containerschiffe. Alle zahlungstechnischen Planungen und Abläufe durchliefen neben der Buchhaltung des Betriebes unter anderem die Bereiche Finanzen und Kredite.

      Arbeitsschutz spielt nur am Rande der Tagesordnung eine Rolle. In Sachen Brandschutz erklärte der verantwortliche Obmann des Betriebes nur, dass eine Feuerschutztür im Keller repariert worden sei und alle Feuerlöscher im Hause funktionstüchtig seien. Das allein hätte keiner Versammlung bedurft, daher besprach man hier eben auch gleich interne Arbeitsabläufe.

      In seiner ihm zugewiesenen Abteilung sah Lars zwei Kolleginnen bei der Arbeit über die Schulter, während sie ihm zwischendurch immer wieder die Zusammenhänge und die Arbeitsschritte erläuterten. Oft bedurfte es dabei der Abstimmung mit anderen Abteilungen, so dass sie immer wieder im Hause auf verschiedenen Etagen unterwegs waren, wobei sie Lars überall als „den Neuen“ vorstellten. Es herrschte ein herzliches, vertrauliches Miteinander, eine Atmosphäre, die sich wie selbstverständlich auf ihn übertrug. Man redete im Plauderton miteinander, scherzte, lachte und rauchte zusammen - aber nicht, ohne mit der Arbeit aufzuhören. Dem Neuling schwirrte der Kopf. Sogar die Ohren klangen ihm, als der Feierabend endlich in greifbare Nähe rückte. Und nun sollte er mit Lisa zu Hause auch noch über den Antrag in seiner Tasche reden?

      Auf der Rückfahrt verließ er den Bus drei Stationen vorher. Unweit des Leuchtturmes stieg er aus und wollte den Weg zu Fuß fortsetzen. Täuschte er sich, oder trug der Wind vom Turm her laute Stimmen zu ihm herüber? Das konnte ihm egal sein - vielmehr beschäftigte ihn sein neues Leben, welches augenscheinlich aus Lisa und aus seiner verantwortungsvollen Arbeit bestehen sollte. Gab es darin wirklich Platz für endlose, staubtrockene Parteiversammlungen mit langweiligen Phrasen und Kursbestimmungen?

      Wo ein Genosse ist, da ist die Partei!, keifte die Wandzeitung auf dem Betriebsflur im Erdgeschoss jeden Mitbürger an, der das Gebäude betrat, noch bevor er sich überhaupt an den Pförtner wenden konnte.

      Wer näher kam, konnte dann Parolen lesen wie:

       Aus jeder Mark, jeder Stunde Arbeitszeit und jedem Gramm Material einen höheren Nutzeffekt!

      Jetzt, da Lars diese mit rotem Fahnenstoff bespannte Wandzeitung einfiel, zog er in Betracht, der Parteiarbeit mit seinen Ideen frischen Wind zu verleihen und Dinge anzusprechen, die sich ändern müssten. Scheinbar kam er nicht um eine Kandidatur herum. Man würde ihm berufliche Wege verbauen und es ihm zeitlebens vorhalten, wenn er es nicht wenigstens Lisa zuliebe tat.

      Sie wirkte nachdenklich und verschlossen und begrüßte ihn mit einem flüchtigen Kuss, ohne jegliches Lächeln. Etwas bedrückt sie, dachte Lars. Er hob ihr Kinn behutsam an, so dass sie ihm in die Augen sah. „Du hast ja geweint.“

      „Wir müssen etwas besprechen.“ Mit diesen Worten wendete sie sich von ihm ab und schmierte Butter auf eine Scheibe Mischbrot. Er setzte sich an den Campingtisch, den sie in der Küche aufgestellt hatten, um daran ihre Mahlzeiten einzunehmen.

      „Isst du mehr als zwei Scheiben?“

      „Lass das und setz dich, ich will wissen, worum es geht.“

      „Die Stasi hat mich aus dem Bett getrommelt und bekniet, für sie zu arbeiten.“ Mit Tränen in den Augen sah Lisa ihn an.

      „Ist das wahr? Haben sie dich auch schon rumgekriegt?“, fragte sie schluchzend. Lars sackte in sich zusammen. Dann würden sie ihn auch bald nerven.

      Irgendwer im Betrieb käme auf ihn zu, mal wieder - und sagte er nein, könnte er schon bald niemandem mehr trauen.

      „Lars! Ich rede mit dir!“

      „Nein, Liebling - niemand hat mit mir gesprochen. Und ich bin sicher, es wird auch niemand von denen mit mir sprechen. Aber was haben sie mit dir gemacht - geht es dir gut?“

      Lisa wirkte völlig verängstigt, seine Antwort hatte sie nur noch mehr aufgeregt.

      „Wie kannst du da so sicher sein? Du bist in einem Außenhandelsbetrieb! Denk doch mal darüber nach: Meinst du, die lassen dich völlig unbeachtet, und du kannst tun und lassen, was du willst?“

      „Ich werde beweisen, dass man mir vertrauen kann. Selbst wenn ich dazu Kandidat werden muss - vielleicht kann man von innen heraus noch … “

      „Spinnst du? In die Partei?“, rief sie und starrte Lars mit großen, entsetzen Augen an.

      Aber nachdem sie anfing, darüber nachzudenken, schien es der einzige mögliche Weg zu sein, um weiteren Diffamierungen und unliebsamen Fragen zu entgehen.

      Es gab nur den Hauch einer Chance, aber wenn Lars es ablehnte, Mitglied der SED zu werden, war seine Karriere dahin, bevor sie angefangen hatte.

      „Schon bald wird mich die Stasi fragen, ob ich bereit bin, ihnen zu helfen. Ich habe Angst.“ Sie trocknete ihre Tränen und versuchte ein Lächeln.

      „Versuche vorsichtig auszuloten was passiert, wenn du eine Mitarbeit ablehnst“, riet er ihr.

      „Man muss kein Prophet sein dafür - dann machen sie DIR das Leben schwer.“

      „Ich wünschte, ich könnte dabei sein. Sowas habe ich überhaupt noch nicht gehört, dass sich jemand nicht sofort zu entscheiden braucht. Du und ich, wir müssen sehr wichtig sein für die Stasi. Als Quelle, meine ich.“

      Lisa begann, sich eine Scheibe Brot zu schmieren und aß. Kauend sagte sie: „Vielleicht sollte ich eine Gegenleistung verlangen - nichts Großes, ein paar Gehsteigplatten für die restliche Terasse, oder zwei Säcke Beton für den Erker … Wenn schon, denn schon.“

      „Naja, wenn sie mit dir vertraut tun, dann schadet es nichts. Sie sollen wissen, dass sie es nicht leicht haben werden mit dir … mit … uns.“ Lars beugte sich über den Tisch und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Wenn sie verrückt spielen, wenn du nein sagst, kannst du es immer noch steuern. Du entscheidest letztendlich, wie deine Gesprächsberichte aussehen … Notfalls bleibt die Terasse so wie sie ist.“ Sie nickte und trank einen Schluck Tee.

      Es galt, einen kühlen Kopf zu bewahren.

      Sich nun auch Brot schmierend, tröstete er sie: „Nun sind wir schon so weit gekommen, haben unser eigenes Heim, von jetzt auf gleich sogar, dann kriegen wir das auch noch hin.“

      „Ich wünschte, vieles wäre einfacher“, seufzte sie und legte ihre Hand auf seine.

      Lars hielt mit dem Kauen inne und blickte sie ernst an.

      „Versprich mir, dass wir uns immer vertrauen können. Egal, worum es geht - Hauptsache Ehrlichkeit, in Ordnung?“ Lisa sah ihn eindringlich an.

      „Also immer offen und ehrlich? Das ist gut. Wir halten zusammen, egal was kommt. Und – Moment mal, sie waren hier drin, im Haus?“

      „Nein. СКАЧАТЬ