Bevor die Welle bricht. Dirk Harms
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Название: Bevor die Welle bricht

Автор: Dirk Harms

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783750204362

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СКАЧАТЬ gibt aber mehrere Parteien, oder?“ Sofort bereute Lisa ihre Frage. Sie hatte nicht provozieren, sondern Zeit gewinnen wollen.

      „Also, Genossin ... Frau Kowalski, der Herr Schuster arbeitet bereits gut mit uns zusammen. Soll das alles umsonst gewesen sein? Wollen Sie ihm die Zukunft verbauen?“ Der Alte wartete die Wirkung seiner Worte ab und versuchte, in Lisas Gesicht zu lesen. Sie schüttelte den Kopf.

      „Lars? Der arbeitet nicht für Sie, unmöglich.“

      „Das spricht für ihn, dass Sie davon nichts wissen.“ Die beiden Herren wechselten einen vielsagenden Blick. Lisas Herz fing erneut an zu rasen. Wie würde das hier enden? „Ich machs kurz. Wir legen Ihnen dringend ans Herz, über einen Parteieintritt nachzudenken. Wenn Sie sich als Kandidatin der SED bewähren und unser Angebot einer verantwortungsvollen, konspirativen Mitarbeit annehmen, soll es Ihr Schaden nicht sein.“ „Das will ich nicht.“ Lisas Widerspruch kam prompt, klang aber zögerlich. Der jüngere Mann beugte sich vor und legte seine Hand auf Lisas Unterarm.

      „Nein, nein. Denken Sie gut drüber nach. Sie entscheiden über Ihre und Herrn Schusters Zukunft. Wie gesagt: Er hat sich schon entschieden. Nun ist es an Ihnen. Oder wollen Sie wirklich für ihre zukünftige kleine Familie ein Leben voller Trennungen und Unannehmlichkeiten heraufbeschwören?“ „Wir werden Sie das nächste Mal fragen, wie Sie sich entschieden haben.“ Major Schröder stand nach diesen Worten auf, für ihn schien alles gesagt worden zu sein. „Also habe ich Bedenkzeit?“ „Wir sind keine Unmenschen. Natürlich verstehen wir, dass Sie Zeit brauchen. Es sind Dinge zu regeln, Entscheidungen zu überdenken. Überlegen Sie gut. Ach was, ich bin sicher, wir werden uns verstehen.“ Das klang nicht so versöhnlich, wie es sollte. Deswegen ergänzte der Mann namens Schulze die Äußerung des Majors mit der Frage, ob sie Lisa irgendwo absetzen könnten.

      So würde dieses überraschende Treffen für sie mit einem positiven letzten Eindruck enden, glaubte er.

      Lisa wollte nur ungern im Ort dabei gesehen werden, wie sie aus einem ominösen Auto stieg. Daher gab sie als Zielort nicht Dünow, sondern die nächstgelegene größere Kreisstadt Strandfelde an. Bis zum Arzttermin war noch Zeit, deshalb würde sie entweder im Deichpark spazieren gehen oder am Bahnhof in der MITROPA einen türkischen Kaffee trinken. Andere Geschäfte und Kioske hatten so früh am Morgen noch geschlossen. Das Geschehene hatte sie ziemlich aufgeregt. Sie musste sich sammeln, die Gedanken ordnen. Lars. Immer wieder dachte sie an ihn. Eine quälende Ungewissheit vernebelte ihr die Sinne. Wie gut kannte sie ihren Freund? Hatten diese Typen überhaupt mit ihm gesprochen? War ihr Lars, den sie immer für ehrlich, optimistisch und prinzipientreu hielt, am Ende weich geworden? Wenn ja, dann mussten sie ihn unter Druck gesetzt haben. Aber wenn nicht, dann hatten sie ihr gegenüber geblufft. Nein, sie würde nicht an ihm zweifeln. Das schafften diese Typen nicht.

      Mechanisch stieg sie in die Straßenbahn zum Bahnhof und grübelte weiter. Plötzlich presste sie die Nase gegen die Fensterscheibe - da draußen, war das nicht Lars? Er stand neben einem Lada mit vier Frontscheinwerfern. Das war das schnelle, limitierte Modell, wie hochrangige Funktionäre es fuhren. Stasileute, Regierungsbeamte, Offiziere. Lisa wusste es von ihrem Vater. Er hatte ihr beigebracht, scharf und genau zu beobachten und immer dem Instinkt zu vertrauen. Im Vorbeifahren sah Lisa, wie ihr Freund die Hand eines kultiviert wirkenden älteren Herren schüttelte, lächelte und mit ihm in das Fahrzeug stieg. Was hatte das alles zu bedeuten? Sollte ihr gerade beginnendes eigenes Leben unter einem schlechten Stern stehen? Eine innere Unruhe bemächtigte sich Ihrer. Sicher würde Lars ihr das heute beim Abendbrot erklären. Welche Rolle dieser Mann auch spielte - er konnte alles sein: Kollege, Vorgesetzter, Mentor, Führungsoffizier. Sicher aber war er ein Genosse.

      Laut klingelnd ratterte die Bahn der Endhaltestelle am Bahnhof entgegen. Jeglichen weiteren Gedanken an eine Zusammenarbeit mit den Mantelträgern verschob Lisa angesichts eines großen dampfenden Kaffees. Die Mitropa-Gaststätte war menschenleer um diese Tageszeit.

      „Warten Sie auf einen der Züge?“, wollte die freundliche Kassiererin wissen. Sie bekam nur ein Kopfschütteln und ein angedeutetes Lächeln als Antwort.

      „Aah, verstehe: Sie holen jemanden ab, nicht wahr?“

      „Ja … ähm, nein. Kann ich trotzdem hier meinen Kaffee … ?“

      „Aber Frollein, natürlich! Hier müssense nicht vorab reservieren. Wir haben zwar nicht viel, aber Platz haben wir hier reichlich!“

      Lisa nickte der Frau hinter der Kasse zu und setzte sich an einen freien Zweiertisch.

      Neben der Eingangstür bemerkte sie einen nicht mehr ganz jungen Mann, der in einer Zeitung las und in einem Glas Tee rührte. Wie sie führte der Fremde kein Gepäck mit sich. Kraftfahrer ist er, vermutete sie, und dem Anzug nach zumindest kein Arbeiter.

      Er rührte im Teeglas und schaute ihr plötzlich mit stechendem Blick direkt ins Gesicht. Kühl, fast drohend musterte er sie einen Moment, bevor er sich wieder der Zeitung zuwandte. Dieser Wimpernschlag hatte genügt, um Lisa eine Gänsehaut zu bescheren. Der kennt mich, glaubte sie plötzlich. Vorher hatte Lisa nie einen Gedanken daran verschwendet, dass sie für das MfS von irgendeinem Interesse sein könnte. An diesem Morgen im Auto der zwei Stasileute hatte sie das erste Mal darüber nachgedacht.

      Nun, da sie hier ihren Kaffee trank wusste sie, dass Misstrauen fortan ihr ständiger Begleiter sein würde.

      03

      Toralf strich sich über sein graues Haar, während er vor dem Spiegel ein Lied summte. „Wie das Meer bei Ebbe“, murmelte er und betrachtete seine immer höher werdende Stirn. Und sein Bart war auch schon wieder gewachsen, dabei hatte er zum Rasieren weder Zeit noch Lust.

      Auf Radio DDR kam eine Zeitansage nach der anderen, wie immer, wenn der Morgen eines Wochentages dämmerte. Er bemerkte den noch dunklen Nachthimmel und ließ dann den Blick über das Meer bis zum Horizont gleiten. Weit draußen lag ein Schiff auf Reede, das musste die „Pawel Kortschagin“ sein. Ein weiteres Schiff konnte er selbst mit dem neuen Fernglas aus dem VEB Carl Zeiss Jena nicht ausmachen. Das sei ein Exportschlager und nur über Genex zu bekommen, hatte Peter ihm erklärt, als er es ihm aushändigte. Toralf wollte es nur als Leihgabe annehmen, fürchtete er doch, er müsse sich dafür dazu herablassen, Spitzel zu werden.

      Peter Schulze, dem sofort auffiel, dass er von dem Leuchtturmwärter mit Zopf und fliehender Stirn nicht so viel verlangen konnte, hätte ihn an diesem Nachmittag unter Druck setzen können. Stattdessen strebte er einen versöhnlicheren Kurs an und kam mit Toralf nach einigem Hin und Her überein, ihn hin und wieder mit dem einen oder anderen Freund „zwanglos auf einen Tee“ wie er sagte, besuchen zu dürfen.

      Der Leuchtturmwärter zögerte: „Das sind doch solche geheimen Treffen, oder? Das will ich nicht.“

      „Ach, hab dich nicht so, du kennst mich doch … Die besten Sachen entstehen im Verborgenen. Du wirst mich kaum bemerken, ehrlich. Und ich werde dein Entgegenkommen nicht vergessen.“

      Peter Schulze sah den ehemaligen Schulkameraden an und dachte bei sich: Muss ich dir erst wieder die Unterhosen stramm ziehen wie damals? Ich krieg dich schon weich, alte Memme, du kleiner Ja-Sager.

      „Weißt du was? Behalt das Fernglas. Und sei einfach dabei, wenn ich mich mit den Leuten unterhalte. Es geht darum, subversive Kräfte rechtzeitig zu erkennen. Das hat nichts mit Spionage zu tun. Meinst du, in der Industrie und der Wirtschaft gibt es das nicht? Konkurrenten kupfern gegenseitig voneinander ab, besonders im Kapitalismus ist das so. Da geht es nicht um Bedürfnisbefriedigung, mein Lieber, da geht es um den schnöden Mammon. Und darum, wer beim Absatz die Nase СКАЧАТЬ