Mandalay und Monaco. Ines Mandeau
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Mandalay und Monaco - Ines Mandeau страница 5

Название: Mandalay und Monaco

Автор: Ines Mandeau

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783745000535

isbn:

СКАЧАТЬ Zwerchfell hochsteigt und dort ich weiß nicht welches Organ zusammenstaucht. Ominöse Sache. Ich muss aufstehen und tüchtig durchschnaufen, um diese Klemme zu lockern. Bevor jedoch die Mitreisenden wegen einer hechelnden Yogini in Wallung geraten, die sich zwischen ihren Beinen aufgepflanzt hat, beschäftige ich mich mit einer plausibleren Übung als exotischer Atemgymnastik: Ich hieve meinen Rucksack aus der Ablage über den Sitzplätzen.

      Habe ich nicht ein paar Energieriegel vom letzten Triathlonbewerb im Gepäck? Bingo, hier schlummert die Athletenlabe griffbereit in einer Innentasche, und bei ihr jene Schachtel Schmerztabletten, die ich stets mit mir herumtrage. Die Pillen brauche ich, falls meine Narbe am Bauch, die zur Stunde eh recht brav ist und bloß dezente grantelt, sich stärker melden und mir den Nachtschlaf rauben sollte. Wohlmeinende Ärzte haben mich vor Gebärmutterhalskrebs bewahren wollen, aber leider die diesbezügliche Operation nicht optimal hingekriegt. Seit dem Eingriff vor drei Jahren verfolgen mich Schmerzen, gegen die keiner der Experten einen Rat gefunden hat, außer eben diverse Pillen schlucken.

      Erstmal den murrenden Magen besänftigen. Ich nasche von dem Power-Imbiss, meine erste Mahlzeit seit der Käsesemmel am Vormittag im Büro, und hoffe, auf das hin herrscht Frieden im heiklen Streckenabschnitt von der Gurgel bis zum Nabel. Ergänzend zum kulinarischen genehmige ich mir einen akustischen Leckerschmaus, indem ich mir Nevermind ins Ohr stöpsle, eines meiner Lieblingsalben, ah, ja, das tut so gut zu hören:

       Come as you are …

       As a friend, As a friend,

       As an old enemy …

      Bin ich weggedöst? Ich reiße meine Augen auf. Draußen ist es dunkel. Ich darf meine Haltestation nicht verdusseln! Alles bestens, nur die Ruhe, Waldberg sei zehn Minuten vor uns, versichert mein Sitznachbar auf Anfrage. Ich schultere vorsorglich meinen Rucksack und postiere mich vor dem Waggonausgang, um an vorderster Front auf den Bahnsteig hüpfen zu können.

      Das schmucke Züglein nach Kreuzegg wartet am gegenüberliegenden Gleis. Ich muss ein Stück nach vorne laufen und springe in die erste offene Zugtür. Und dann ist sie plötzlich da, meine Schwester Lena. Wie aus der Luft gezaubert steht sie vor mir in dem Abteil, in das ich eingestiegen bin, und grüßt lächelnd: „Hallo, Cilia!“, – ohne geringstes Zeichen einer Überraschung, als hätten wir uns am Morgen erst verabschiedet und würden nun, nach getanem Tagwerk im Büro, zum Feierabend wieder vereint sein.

      Lena versucht, mich zu umarmen, was wegen meines wuchtigen Gepäckstückes am Rücken nicht richtig gelingen will. Ein feiner Duft weht in meine Nase. Das ist garantiert ein französisches Edelparfum. „Komm, wir setzen uns.“ Sie nimmt mich am Oberarm. „Du bist ganz kalt!“, ruft sie. „Hast du keinen Pullover dabei?“

      „Mir ist nicht kalt“, widerspreche ich.

      „Aber schau, hier, du hast eine Gänsehaut!“ Lenas Fingerkuppen streichen flüchtig über meine nackte Haut.

      „Mir ist nicht kalt“, beharre ich, schiebe meine Ellbogen nach hinten und schäle mich aus den Tragegurten, die in die Schultern schneiden. Der Rucksack donnert auf den Fensterplatz und ich sinke in den Sitz daneben. Lena setzt sich gegenüber, zurrt ein ponchoartiges Stoffteil vor ihrer Brust fest und lächelt mir zu, als ich zum Wetter ein paar Worte sage, nämlich, heute sei es affenbrüllehitzeheiß, jawohl.

      Was rede ich mit einer Schwester, mit der ich seit längerem nur unverbindliche E-Mails austausche, die in ihrer inhaltlichen Dürftigkeit an der Grenze zur Unhöflichkeit liegen, selbst wenn sie von Zeit zu Zeit aufgehübscht sind mit einer gewissermaßen pressetauglichen Fotodatei im Anhang? Mit einer Schwester, von der ich nicht wesentlich mehr weiß als die staubtrockenen Eckpfeiler ihres Lebenslaufes? Name: Magdalena Planck, Stand: ledig, Kinder: keine, Alter: fünfzig. Geboren in Kreuzegg und nach der Hochschule berufsbedingt verzogen ins Ausland mit diesem Tick, keinem Familienmitglied die Postadresse preiszugeben und niemals jemanden von den Verwandten zu sich einzuladen. Sie zieht häufig um. Vor einigen Jahren ist sie in Südfrankreich gestrandet und wohnt irgendwo in oder um Nizza. Angeblich.

      „Hey, und wie geht es dir so?“, frage ich schnell, bevor ein komisches Schweigen entstehen könnte, nachdem die Außergewöhnlichkeit der aktuellen meteorologischen Lage zügig abgehandelt worden ist.

      „Gut, ich hab’s fein, aber du, Schwesterlein?“ Sie fixiert mich mit diesem Kontrolleursblick, den ich seit jeher an ihr hasste. „Du schaust furchtbar zerzaust aus, meine Kleine, und abgehetzt. Wie eine gejagte Antilope! Und wie dürr du bist! Bist du krank? Oder hast du Liebeskummer?“

      Blöde Frage. Cool bleiben. „Ach wo, mir geht es prima, alles bestens. Ich habe diesen Sommer so viele Triathlons abgespult wie noch nie. Bei mir läuft’s wie geschmiert.“ Ich dehne meinen Athletenbody und strecke die Arme der Waggondecke entgegen. „Und du hast dich nicht die Spur verändert. Du schaust immer gleich aus.“

      War das als Kompliment gemeint – oder nicht? Ich habe meine Schwester, ungelogen!, genauso in meinem Bildgedächtnis gespeichert, wie sie höchstpersönlich vor mir sitzt: Ihre Haare sind straff aus der Stirn gekämmt und zum Oma-Dutt im Nacken festgeklammert, die hagere Figur versteckt sich vom Hals bis zur Wade in flattrigen Gewändern und das Schuhwerk ist rein funktional – um es neutral zu formulieren. Offen gesagt finde ich diese flachen Gesundheitstreter grottenhässlich. Wären Lenas Lippen nicht knallig rot geschminkt und die langen Fingernägel ebenso rot lackiert, hätte ich den Look meiner Schwester in die Rubrik verdorrte Gouvernante eingeordnet. Altjungfer Fräulein Rottenmeier lässt grüßen.

      Sie lacht hell auf. „Ich hab mich nicht verändert? Warte nur ab, bis du meine Runzeln und Warzen im gnadenlosen Licht der Wahrheit zu Gesicht bekommst. Immerhin sind wir beide bereits Großtanten und vom irdischen Dasein gezeichnet.“

      Was redet sie für wirres Zeug? Und was sage ich darauf? Mir fällt nichts Gescheites ein. Stattdessen erinnere ich mich, dass Lena seit jeher nervöse Anwandlungen hatte und diese mit schrulligen Bemerkungen zu überspielen versucht. Sie hat diese irritierende Manier, Gesprächsthemen zick-zack zu wechseln wie ein Feldhase auf der Flucht, wobei ihre Stimme jedoch unheimlich relaxed daherschmeichelt und seltsam süßlich klingt. Mir ist das zu verschroben.

      „Apropos“, schlägt sie einen Haken, noch bevor ich etwas Kluges zum Thema Gezeichnetes Irdisches Dasein hätte äußern können, „hast du eine Ahnung, wie’s Zuhause geht und steht? Was ist morgen überhaupt im Detail geboten?“

      Mit „Zuhause“ meint sie unser Elternhaus, also den Planckenhof mit seinen Bewohnern. Meine Besuche dort sind über die Jahre und Jahrzehnte zunehmend rarer geworden und wenn ich mal aufkreuze, dann ist die Stippvisite nach längstens einem halben Tag erledigt. Ansonsten bin ich über die Vorgänge auf dem Hof nur soweit informiert, wie sie in gelegentlichen Telefongesprächen mit einzelnen Familienmitgliedern eher zufällig und beiläufig angeschnitten werden. Zwischen Lena und den Blutsverwandten ist die kommunikative Lage ähnlich zundertrocken, schätze ich und sage:

      „Zuhause? Wird schon alles passen. Ich habe keine Neuigkeiten gehört und denke mir, no news is good news. Zum morgigen Programm weiß ich nichts, außer dass Mammi und Dette ein lockeres Beisammensein am Bauernhof quasi angeordnet haben. Das Geburtstagskind will sich anscheinend nicht üppig hochleben lassen und hat keine Lust, in ein Gasthaus Essen zu gehen oder sonst wie auswärts auf die Pauke zu hauen. Du kennst ihn ja, unseren Oldie. Außerdem sieht er kaum mehr was, und hören tut er auch schlecht. Die Moral von der Geschicht’: Besser feiern wir Zuhaus.“

      „Gut, dann lassen wir uns überraschen. Die Sonne lacht, da können die Kinder im Freien toben und es wird nicht zu eng in der Küche. Ah, wie ist das Wetter warm und schön!“, beginnt sie zu schwelgen. „Himmlisch! Köstlich! Magnifik!“

СКАЧАТЬ