Mandalay und Monaco. Ines Mandeau
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Название: Mandalay und Monaco

Автор: Ines Mandeau

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783745000535

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СКАЧАТЬ mit Stühlen und Bistrotischen anschließt. Die Beifahrertür öffnet sich und heraus schwingt der Modelbody einer Frau in einem schneeweißen knielangen Kleid, das die gertenschlanke Figur vorzüglich zur Geltung bringt. Regisseur und Kameramann Richi zoomt genüsslich ran – natürlich, der alte Casanova – und verharrt im Close-up auf dem Gesicht. „Stopp!“, schreie ich und dieses Mal ist mein Buddy auf Zack: und Standbild. Eine Großaufnahme von azurblauen Augen und Herzkirschenmund, und üppigen Locken aus sattbraunem Haar.

      „Steiler Zahn“, sagt mein Sportsfreund und rammt seinen Ellbogen in meinen Oberarm. Der herbe Knuff macht mich schlagartig nüchtern.

      „Das ist Lena“, entgegne ich cool, „meine Schwester.“

      Ich kann mich nicht täuschen. Es sei denn, es existierte eine Doppelgängerin meiner Schwester. Nein, unmöglich, ein solches Gesicht gibt es nur einmal auf der Welt, und außerdem: „Sie wohnt in Nizza.“

      „Echt? Du hast eine Schwester in Nizza? Und die spaziert mir in Monte-Carlo vor die Linse? Das ist der Hammer!“ Richi ist neugierig. Er lässt das Video weiterlaufen. Der „steile Zahn“ lacht nach links über das Autodach hinweg und entzückt damit den sicher ebenfalls ausgestiegenen Chauffeur, der bedauerlicherweise nicht zu sehen ist. Kameramann Richi hält auf die Lady, die die Wagentüre zuwirft, sich umdreht und höchst elegant die Stufen einer breiten Treppe hinaufstöckelt, die zum Eingang des Gebäudes im Hintergrund führt. Dort verschwindet das weiße Kleid in das dunkle Innere eines von livrierten Männern gesäumten Portals. Gezielter Fokus auf die goldenen Lettern am schmiedeeisernen Vordach: Casino Monte-Carlo. The End.

      „Das hab ich einwandfrei in den Kasten gekriegt. Super Gerät, mein neues Smarty. War das wirklich deine Schwester? Soll ich dir das Video kopieren?“

      „Nicht nötig.“ Mein Hintern tut weh und die Borke der Trauerweide sticht in meine Wirbelsäule, und meinem Hirn schießt plötzlich ein, oh my God!, ich Dussel: „Wie spät ist es?“

      „Gong! Es ist sechszehn Uhr, vierzehn Minuten und zwanzig Sekunden“, gibt Rocket-Richi die automatische Zeitansage.

      Ich springe vom Boden hoch. Mein Zug! Lena hin und Richi her und Mona möge glücklich sein mit einem Ehemann, der leidenschaftlich fremde Betten frequentiert – ich muss los, und zwar pronto. So schnell kann mein Jüngling nicht mucksen, wie ich den Neoprenanzug im Rucksack verstaut und das Rad startklar habe. „Mein Zug wartet nicht“, erkläre ich Richi, der, mit dem Smartphone in der Hand, unschlüssig rumsteht und seine flotte Cilli im Einsatzmodus beobachtet.

      „Soll ich dich zum Bahnhof bringen?“, fragt er.

      „Danke, nein, ich radle, siehst du doch.“

      „Also treffe ich dich nicht mehr?“

      „Heute nicht, nein. Ich reise zu meinen Eltern. Sagte ich das nicht? Mein Vater hat Geburtstag und alle tanzen an. Familie hat Vorrang, das kennst du ja, mein Lieber, oder?“ Ich kann mir hin und wieder kleine Spitzen gegen meine verheirateten Sportkollegen nicht verkneifen. Die sind trainiert genug im Einstecken und verkraften auch mal eine scharfe Zunge. Wie lautet unser inoffizielles Vereinsmotto? – Nichts anbrennen lassen.

      „Schade“, meint er. „Ich habe dieses Wochenende sturmfreie Bude. Mona ist mit den Kids bei ihrer Mutter. Mann, wir könnten das ganze Wochenende zusammen …“

      „Emmerich, renk dich ein“, unterbreche ich ihn. „Geh in den Club. In der Bude ist bestimmt was los. Ich bin jetzt weg. Bye-bye and see you!“ Rennbrille auf, ein kurzer Wink über die Schulter, dann tret ich die Pedale und schau in die Sonne nach vorn. Sie steht tief und strahlt so warm als wär’s ein milder Juliabend.

      Im Zug nach Kreuzegg

      Das war knapp. Abfahrt geschafft auf den Pfiff exakt. Ich bin im Zug, den ich keinesfalls verpassen durfte, will ich in Waldberg den letzten Anschluss des Tages nach Kreuzegg erwischen. Meinen treuen Drahtesel konnte ich vorhin gerade noch ordnungsgemäß in seinem Stall, sprich im Hauskeller, anhängen, aber für einen Kleiderwechsel in meiner Wohnung hat die Zeit nicht mehr gereicht. Das ist nicht weiter tragisch, da es auf dem Bauernhof meiner Eltern niemanden stört, wenn ich in Trainingsklamotten umherschwirre, und was für ein paar auswärtige Übernachtungen an Utensilien nötig ist, habe ich in meinem Rucksack permanent dabei. Einzig der Neoprenanzug ist fehl im Gepäck, denn in Kreuzegg kann ich ihn mangels Schwimmgelegenheit nicht gebrauchen.

      Ohnehin wird morgen nicht geschwommen, sondern der achtzigste Geburtstag meines Vaters gefeiert. Wie genau das Festprogramm organisiert sein wird, weiß ich nicht, weil ich keinen Plan vom Ablauf der Party habe und die Einladung sich auf wenige mickrige Sätzchen am Telefon beschränkte: „Komm uns doch besuchen“, bat meine Mutter. Sie und Bernadette, meine Schwester, haben sich beratschlagt mit dem Ergebnis, niemand von uns sei erpicht auf eine pompöse Zeremonie, weshalb man eine solche auszuklügeln gar nicht erst in Betracht ziehe; stattdessen sollten wir eine schlichte und zwanglose Familienversammlung abhalten und alle mögen anwesend sein, denn wann waren wir zuletzt vereint im Hause, ohne dass nicht irgendwer gefehlt hätte? Eine gefühlte Ewigkeit ist das her und es sei sicherlich von jedem erwünscht, einfach nur mal wieder zusammenzutreffen. Unser Jubilar, der wie gewöhnlich auf sperrige Art vorgab, von seinem Geburtstag nichts zu wissen, werde sich fraglos freuen, wenn sein eigen Fleisch und Blut samt Anhang geschlossen anrückt auf dem Hof zu Plancken, dem Nabel des Universums meiner Eltern.

      Das Zugabteil ist rammelvoll. Die halbe Stadtbevölkerung scheint freitags nach der Arbeit auf das Land zu flüchten. Ich lümmle mich in einen wundersamerweise leer gebliebenen Fenstersitzplatz und checke den Nachrichteneingang auf meinem Handy. Neue SMS in Mengen, keine von Bedeutung. Ein witziger Spruch für diese und jene Freundin als Antwort, das reicht. Klaudia allerdings, meine Schwägerin und die Jungbäuerin von Plancken, sollte ich anrufen und mit einem Statusbericht versorgen. Als sie abhebt, schallen wilde Geräusche an mein Ohr, es scheppert und kracht, zackige Rufe von Männern im Hintergrund und dann ein dünnes: „Servus, Cäcilia, einen Moment, warte, ja, hier bin ich.“ Die Fistelstimme hat fast keine Chance gegen die Lärmkulisse.

      „Klaudia, hey, wo bist du?“

      „Im Stall. Die Kühe sind nervös. Jetzt rühr dich, Soraya!“ Ich nehme an, damit ist eine Kuh gemeint. Mein Anruf kommt offenbar ungelegen, also fasse ich mich kurz und bündig.

      „Du, ich bin im Zug und um halb neun am Bahnhof in Kreuzegg.“

      „Ich hol dich ab. Magdalena ist auch in diesem Zug und ich kann gleich euch beide aufladen. Soraya! Rühr dich, marsch!“

      „Toll, alles klar, wir sehen uns in Bälde.“

      „Passt, ich freu mich schon.“ Und piep-piep, das war’s.

      Lena ist auch im Zug? Wenn sie aus Nizza anreist, wovon ich ausgehe, dann steigt sie wie ich in Waldberg in die Lokalbahn, die durch das Gebirgstal hineinführt zur Endstation Kreuzegg. Auf einmal rückt mir die große Schwester verflixt nah. Wir haben uns jahrelang nicht mehr getroffen. Irgendwie klappt es nie mit dem leibhaftigen Kontakt. Vorhin am Mallsee sah ich sie zwar im James Bond-Filmchen von Richi, aber unwirklich erscheint mir der Auftritt, diffus wie eine Erinnerung an eine Sequenz aus einem schmalzigen Hollywoodstreifen. Roter Ferrari und weißgekleidetes Model auf den Stufen des Casinos von Monte-Carlo – bitte, was hat diese kitschige Szenerie mit Lena zu tun, meiner Schwester? Was treibt die eigentlich?

      Ich bin kein Mensch, der sich in Grübeleien verliert, dennoch, als ich aus dem Fenster in die vorbeigleitende Hügellandschaft schaue, über die sich leise die Dämmerung legt, und ich eine weiche СКАЧАТЬ