Sichelland. Christine Boy
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Название: Sichelland

Автор: Christine Boy

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783844242553

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СКАЧАТЬ vergessen. Als sie von den Wachen auf den Platz geschleift worden war, war es dieser Geruch gewesen, der ihr gezeigt hatte, was sie erwartete.

      Feuer ist der größte Feind der Sichelländer.

      Das wussten sogar die Mittelländer. Und sie machten es sich zunutze. So wie dieser hier.

      Jetzt war er tot.

      Und mit ihm das Gefühl, unterlegen gewesen zu sein.

      Jemand war da.

      Hinter ihr.

      Sie fühlte es, aber sie drehte sich nicht um. Sie wollte nicht gestört werden. Diese Erinnerung zum ersten Mal ohne Bitterkeit zu durchleben, war ein Genuss. Ein letztes Mal noch hob sie den Kelch und ließ die letzten Blutstropfen die Kehle hinabrinnen.

      Der Jemand hinter ihr nahm ihr das Gefäß aus der Hand. Es ist genug, hörte sie ihn sagen. Er sprach ganz leise. So weit weg. Durch das Rauschen kaum zu verstehen. Aber sie widersprach nicht.

      Der Mond flimmerte vor ihren Augen, als das Wasser durch einen Reiher aufgewühlt wurde. Doch auch als es sich wieder beruhigte, hörte das Flimmern nicht auf. Da war jetzt nicht mehr die silberhelle Scheibe, sondern tausende von Sternen, die über den See tanzten.

      Der Jemand hinter ihr legte die Hände auf ihre Schultern. Sie waren das einzige, was fest blieb. Der Steg auf dem sie saß, schien in die Tiefe zu fallen. Die Hände zogen sie nach hinten, bis sie sich gegen einen Körper lehnte. Jemand kniete da. Begann ihre Schultern zu massieren.

      „Wir sollten bis morgen früh hierbleiben.“ sagte eine angenehm tiefe, sehr vertraute Stimme. „Es ist schön hier am See.“

      Sie schloss die Augen und sah immer noch die Sterne, die umherwirbelten.

      „Wer war das?“ fragte die Stimme jetzt. „Er war etwas Besonderes, nicht wahr? Du hast dir viel Zeit mit ihm gelassen. Und… hast viel von ihm genommen.“

      Als sie antwortete, spürte sie, wie schwer ihre Zunge war und ihre eigene Stimme hörte sich fremd und weit entfernt an.

      „Er war ein Nichts. Aber er hat etwas getan, wofür er bezahlen musste. Vielleicht... erzähle ich es dir... irgendwann...“

      „Du solltest schlafen gehen.“

      „Ich wäre jetzt gern im Sichelland...“ Sie gab jegliche Körperspannung auf und ließ es zu, dass sie jetzt nur noch von dem, der hinter ihr kniete, gestützt wurde. Seine Hände lockerten weiter ihre Muskeln und sie versank in einen barmherzigen Zustand der Gleichgültigkeit.

      „Du hast einen Krieg zu führen, Lenyca. Ein ganzes Volk braucht dich.“

      „Seit wann nennst du mich so?... Das hast du lange nicht getan...“

      „Ich glaube, das habe ich noch nie getan. Ich spreche jetzt aber zu dir als meiner Herrscherin. Ich sehe, wie du dich immer weiter von uns entfernst. Auch von deinem Land. Ich möchte dich daran erinnern, zurückzukommen.“

      „Ich bin doch hier...“

      „Dein Körper ist mitten unter uns, Shaj der Nacht. Aber dein Geist ist es mit jedem Tag weniger. Das Blut unserer Feinde schärft unser Bewusstsein, aber deines wird davon genommen. Mit jedem Kelch ein wenig mehr.“

      „Vielleicht will ich es so...“

      „Vielleicht weißt du gar nicht mehr, was du noch willst.“

      Es folgte ein langes Schweigen.

      Fast glaubte der Jemand, sie sei eingeschlafen, aber dann sagte sie leise:

      „Warum bist du hergekommen, Rahor? Warum lässt du mir nicht diesen Moment, in dem ich endlich einmal frei von allem bin?“

      „Weil du dir selbst etwas vormachst. Viele Menschen haben Angst vor dir, Lenyca Ac-Sarr. Aber ich habe Angst um dich. Du bist nicht wie dein Vater. Das, was in ihm war, ist auch in dir. Aber in dir ist es stärker. Und es macht dich stärker, aber zugleich raubt es dir auch deine Kraft.“

      „Warum sprichst du von ihm? Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe?“

      „Das kann ich nicht. Ich habe geschworen, mein Leben für deines zu geben, wenn es notwendig sein sollte. Ich möchte wissen, wie viel Leben wirklich noch in dir ist.“

      „Du unterschätzt mich. Ich kann euch alle besiegen. Iandal... Log... ich werde sie alle ins Verderben schicken. So etwas kann kein Toter.“

      „Kannst du es wirklich? Wie viel braucht es noch, um dich ins Verderben zu schicken? Du bist der Hölle vielleicht näher als wir alle....“

      „Ich bin die Hölle, Rahor. Ich bin das, was ihr am meisten fürchtet...“

      „Im Augenblick bist du vor allen Dingen berauscht von viel zu viel Blut. Manchmal frage ich mich, ob ich nicht in Momenten wie diesen mit deinem wahren Ich spreche.“

      Sie lachte leise. Rahor fühlte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten. Dieses Lachen, das so selten zu hören war, ließ ihn erschauern.

      „Was ist mein wahres Ich, großer Krieger? Wenn ich es nicht kenne, wie könntest du es dann?“

      „Bist du ein Mensch, Lennys? Bist du wirklich ein Mensch?“

      „Was sollte ich wohl sonst sein?“

      „Warum ist in dir dann so wenig, was einen Menschen ausmacht?“

      „Ich vermisse nichts.“

      „Ich glaube schon. Es gibt viele Dinge, die wichtig sind. Freude und Trauer... und... auch etwas viel Tieferes. Gefühle, Lennys. Hast du die noch?“

      Sie lachte wieder.

      „Du redest Unsinn, Rahor.“

      „Wirklich? Du hattest sie doch einmal, nicht wahr? Warst du nicht traurig, als dein Vater starb?“

      Sie sagte nichts, sondern versuchte, über seine Worte nachzudenken. Versuchte, sich an damals zu erinnern. Es gelang ihr kaum.

      „Ich war wütend...“

      „Das ist etwas anderes.“

      Sie hob den Kopf und sah wieder hinaus auf den See. Es fiel ihr schwer, ihn überhaupt noch zu erkennen.

      „Frag mich nicht solche Dinge, Rahor. Frag mich... gar nichts.“

      Lange kam Rahor dieser Bitte nach und schwieg. Er massierte ihr weiter die Schultern und stellte fest, dass er es genoss, ihr so nahe zu sein.

      „Sara... hat das manchmal gemacht.“ sagte sie plötzlich. „Sie konnte das.“

      Rahor biss sich auf die Lippen. Die Frage, die ihm jetzt auf der Zunge lag, wagte er nicht zu stellen. Aber wenn nicht jetzt, wann dann?

      Als könne sie seine Gedanken lesen, kam Lennys ihm zuvor.

      „Du möchtest wissen, ob ich manchmal an sie denke... oder… ob... sie mir fehlt. Nicht СКАЧАТЬ