Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 20. Frank Hille
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Название: Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 20

Автор: Frank Hille

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783750247659

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СКАЧАТЬ krachte es weiter vorn, dann ratterten Maschinenwaffen. Der Instinkt des vom Feind Gejagten ließ ihn brüllen:

      „Raus, alle raus, schnell!“

      Die Waggons boten auf den ersten Blick besseren Schutz als das freie Gelände, aber sie könnten zur tödlichen Falle werden, wenn Bomben den Zug trafen. Auf dem Gang drängten sich panisch verängstigte Fahrgäste, und sie kamen nicht voran, da der schmale Weg hoffnungslos mit Menschen verstopft war.

      „Wir müssen aus dem Fenster raus“ rief er.

      „Das ist doch aber viel zu hoch“ rief die attraktive junge Frau.

      „Los“ brüllte Haberkorn „wir haben keine Zeit mehr, die kommen wieder!“

      Er half dem Verwaltungsdirektor aus dem Fenster heraus, dieser ließ sich fallen und kam gut neben dem Gleisbett auf.

      Haberkorn sah die junge Frau direkt an und machte eine winkende Bewegung zu sich heran. Sie reagierte aber nicht, und wollte die Abteiltür zum Gang öffnen.

      Als Haberkorn ein näherkommendes Motorengeräusch hörte schrie er:

      „Runter! Auf den Boden!“

      Durchgängige Abschüsse von größeren Kalibern waren zu hören, dazwischen ratterten MG-Waffen. Die Menschentraube im Gang wurde plötzlich in einen Blutnebel getaucht, die Abteilfenster zum Gang waren auf einmal stark rot gesprenkelt und zerbarsten dann. Auch im Abteil schlugen Geschosse ein und rissen scharfkantige Holzteile aus den Abteilwänden. Die junge Frau hatte in den Gang gesehen, drehte sich entsetzt zu Haberkorn um, dann erbrach sie sich würgend. Jetzt gab es im Abteil kein Halten mehr, innerhalb kürzester Zeit waren alle aus dem Fenster geklettert. Die Leute hatten noch Teile ihres Gepäcks aus den Waggons geworfen, es geschnappt und rannten jetzt über das Gelände. Haberkorn war unter den Zug gekrochen und hatte festgestellt, dass zwei Flugzeuge den Zug attackiert hatten. So wie er die Situation einschätzte würden die Piloten keine Bomben mehr abwerfen, sondern noch etwas Jagd auf die fliehenden Passagiere machen. Im Zug waren Deutschen und Franzosen gewesen und es war schon eine ironische Geschichte, dass jetzt Franzosen von ihren Befreiern erschossen wurden. Als eine Maschine abdrehte sah er, dass es eine „Mosquito“ war. Auch das andere Flugzeug entfernte sich.

      Haberkorn kam unter dem Zug hervor und betrachtete die Gegend. Er sah die weggekippte Lokomotive, er sah, dass einer der hinteren Waggons brannte, vielleicht waren Leuchtspurpatronen mit eingegurtet worden und hatten das Feuer entfacht. Er war als letzter aus dem Abteil geflohen, und sein Gepäck war noch dort. Er musste es unbedingt holen, in der jetzigen Zeit bekam man kaum Ersatz für alltagsnotwendige Dinge wie Socken oder Unterhosen. Er kletterte in den Waggon zurück und wusste, dass ihm schon wieder ein belastender Moment bevorstand, er musste den Fenstergang passieren. Natürlich hätte er warten können, bis irgendwelche Sanitätsfahrzeuge und Bergungstrupps aufgekreuzt wären, das wollte er aber nicht tun, da der Ort schon zu erkennen war, und dort wollte er hin. Der Luftangriff hatte ihn nicht so sehr schockiert, eher die Tatsache, dass der Gegner jetzt schon Jagd auf Personenzüge und einzelne Menschen machte.

      Als er auf dem Perron stand und die Tür zum Waggon öffnete stieg ihm der bekannte Blutgeruch in die Nase. Er erbrach sich unvermittelt und schaute wie irr nach unten, ob etwa Spritzer seine blankgeputzten Schuhe verunreinigt hätten. Die Geschosse der 20-Millimeter-Maschinenkanonen und die der 7,7-Millimeter-MG der „Mosquitos“ hatten das Holzdach des Wagens fast völlig zerrissen und alles, was sich im Fenstergang befunden hatte, getroffen. Zum Zeitpunkt des Beschusses hatten sich etliche Reisende dort aufgehalten, und alle waren tot. Einige der Körper waren übereinander gefallen, andere lagen in unnatürlichen Stellungen auf dem Gangboden. Zwischen den Leichen gab es keine freien Stellen wo er hätte hintreten können um an sein Gepäck zu gelangen. Was ihn am meisten erschreckte war nicht der Anblick der grässlichen Wunden der Toten, sondern das Bild einer Mutter und ihrer kleinen Tochter. Noch im Tod hielt die Frau ihr Kind umklammert. Dem Mädchen hatten die Geschosse den halben Schädel weggerissen. Der Gang schwamm in Blut, er würde dort niemals entlanggehen, selbst wenn man versuchen würde, ihn dazu zu zwingen.

      Haberkorn stieg mit schwachen Beinen von dem Waggon herunter und setzte sich gut 5 Meter von der Gleisstrecke entfernt auf den Boden. Seine zu Beginn der Reise noch vorhandene Energie war wie weggeblasen, er würde sich gern einfach hinlegen und schlafen, nur noch schlafen. Mittlerweile waren zwei klapprige Wehrmachts-LKW am Zug eingetroffen. Die Soldaten waren abgesessen und vor den Fahrzeugen angetreten. Ein Feldwebel meldete einem Leutnant, und dieser kam auf Haberkorn zu. Martin Haberkorn erhob sich. Der Leutnant schaute überrascht auf Haberkorns Ritterkreuz.

      „Leutnant Seltmann von der Standortkommandantur Lamballe. Wir sollen hier Hilfe leisten, der Zug soll beschossen worden sein.“

      „Ja“ erwiderte Haberkorn „Hilfe wird nicht mehr nötig sein, es wird wohl darum gehen, die Toten zu bergen. Die paar Leute, die neben dem Gleis sitzen, haben nichts abbekommen, einige sind über die Felder geflüchtet. In den Waggons liegen etliche Leichen.“

      „Gut“ antwortete der Leutnant „ich habe 80 Prozent Rekruten dabei, das wird nicht ganz einfach für die werden.“

      Er blieb kurz still, dann sagte er wütend:

      „Diese Verbrecher machen jetzt schon Jagd auf Zivilisten. Schweine! Sie dürfen nicht die Überhand gewinnen!"

      Haberkorn sah ihn an. Vor ihm stand ein schmächtiger junger Mann, vielleicht Anfang der Zwanzig. Die Uniform wirkte überall viel zu groß an ihm, insbesondere die Schirmmütze. Wahrscheinlich war er wie Haberkorn ehemals als Abiturient eingezogen worden. Vermutlich hatte sich sein militärisches Leben im ehemals so beschaulichen und ruhigen Frankreich auf Exerzieren und ein paar Übungen beschränkt.

      Der Leutnant hatte die ungefähr 30 Soldaten jeweils zu viert auf einen Waggon verteilt, er wusste ja nicht, wo sich die Opfer befinden würden. Jeweils zwei Leute würden die Toten an den Armen und Beinen packen und zu den Perrons tragen, um sie den anderen beiden Soldaten am Gleis dann zu übergeben. Der Leutnant oder wer auch dafür verantwortlich gewesen war hatte aber vergessen den LKW Decken oder Zeltbahnen mitzugeben, um die Opfer des Angriffs darauf abzulegen. Haberkorn war ein Stück auf dem Feld zurückgetreten um den Ablauf der Aktion zu beobachten. Fast zeitgleich erschienen zwei Soldaten auf den Perrons, um sich dort mit grünen Gesichtern zu erbrechen. Der Leutnant war sofort bei Ihnen.

      „Reißen Sie sich doch zusammen Mann“ brüllte er „und führen Sie Ihren Auftrag aus. Ich werde Ihnen zeigen, wie man das macht. Kommse mit.“

      Zwei Minuten später trugen der Leutnant und der Soldat einen Toten auf den Perron des Waggons. Aus Haberkorns Perspektive sah es aus, als würden sie einen schweren Sack transportieren, den sie jetzt laut nach Luft schnappend über die Stufen der Waggonplattform den beiden untenstehenden Soldaten übergeben wollten. Die beiden unterstehenden jungen Männer schauten unsicher nach oben, packten dann aber die Beine des Toten. Der Leutnant und der andere Soldat auf dem Waggon standen oben und hielten die Arme der Leiche fest.

      „Los ihr Trottel“ rief der Leutnant „nehmt uns diesen schweren Sack endlich mal ab, seid ihr zu blöd dazu?“

      Irgendwie schafften die Soldaten es dann doch, den Toten neben dem Zug abzulegen. Auch die anderen Trupps hatten die Opfer des Luftangriffs aus den Waggons geräumt. Der Leutnant war noch einmal zu Haberkorn gekommen.

      „14 Tote. Die Schweine haben voll auf die Wagen draufgehalten. N paar ältere Leute, aber auch zwei jungen Frauen, und zwei Kinder. Gut, dass die Rekruten das gesehen haben. Das erwartet uns, wenn die gewinnen.“

      Der СКАЧАТЬ