Drei Phantome 1 - Gänsehaut für Kids. Martin Clauß
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Название: Drei Phantome 1 - Gänsehaut für Kids

Автор: Martin Clauß

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783847628514

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      Ihre fleischigen Hände schienen ein Eigenleben zu führen. Obwohl die Frau ansonsten reglos auf dem Fußboden lag, krabbelten die Hände über ihren Körper. Die roten Wurstfinger krochen in die Handtasche, die auf ihrem Bauch lag, und kramten vier Dinge heraus: zwei Blatt Papier und zwei Kugelschreiber.

      Die Hände breiteten das Papier auf ihrem prallen Bauch aus, rechts und links von der Handtasche. Dann ergriff jede Hand einen Stift und begann auf eines der Blätter zu schreiben. Die rechte Hand malte auf das rechte Blatt, die linke auf das linke, und jede malte etwas völlig Unterschiedliches.

      „Ich glaube, ich träume“, flüsterte Heiner.

      Während die rechte Hand der Frau eine Adresse notierte, malte die linke Hand ein Bild aufs Papier. Was genau es werden sollte, war im Moment noch schwer zu sagen. In der Mitte gab es einen runden Kreis, eine Art Gesicht vielleicht, und davon gingen Strahlen ab wie bei einer Sonne oder einem Stern. Die ganze Zeit über hielt die Frau die Augen geschlossen. Es schien, als schlafe sie. Nur ihre Hände waren wach.

      „Hilfe!“, schrie Heiner. „Einen Arzt!“

      Einer seiner Kollegen hörte ihn und tippte auf dem Diensthandy die 112.

      Als der Notarzt fünf Minuten später eintraf, kniete Heiner noch immer neben der Frau. Ihre Hände hatten aufgehört zu malen, hielten jetzt die Blätter fest. Sieben Kollegen standen im Kreis um ihn und die Dicke herum, und die Retter mussten sich einen Weg durch die Gaffer bahnen.

      „Hallo“, sagte einer der Weißgekleideten zu der Frau. „Können Sie mich hören?“

      Sie atmete ruhig und gleichmäßig, doch sie reagierte nicht.

      Zwei kräftige Sanitäter und ein Arzt schafften es nicht, sie auf die Bahre zu hieven. Schließlich musste jeder der Umstehenden mit anpacken. Die Bahre mit der schweren Patientin in gebückter Haltung unter dem Laufband durchzutragen, war eine Tortur. Irgendwie schafften sie es, doch einige von ihnen hielten sich danach das Kreuz und konnten minutenlang nicht aufrecht gehen.

      Alle erzählten sich ausführlich, welche grässlichen Rückenschmerzen sie hatten, und keiner merkte, wie der Frau eines der beiden Blätter entschlüpfte und zu Boden flatterte.

      Keiner außer Heiner.

      Er hob das Papier auf und betrachtete es, während die anderen die Sanis zum Krankenwagen begleiteten. Die Zeichnung füllte das gesamte Blatt. Sie zeigte eine Art Maske mit vielen Stacheln. Die Maske streckte dem Betrachter die Zunge heraus und sah ziemlich schlecht gelaunt aus. Nein, nicht schlecht gelaunt, sondern abgrundböse. Heiner erinnerte das Bild an Reliefs von indianischen Gottheiten, die man in Mexiko gefunden hatte. Er hatte so etwas einmal in einer Zeitschrift gesehen.

      Er wollte es den Sanitätern bringen, doch sie waren beschäftigt und hörten ihm nicht zu. Als der Krankenwagen schließlich abfuhr, stand Heiner mit der Zeichnung in der Hand da wie ein begossener Pudel.

      „Heute“, murmelte er geistesabwesend, „heute ist endlich mal etwas passiert.“ Er faltete die Zeichnung zusammen, steckte sie in seine Hosentasche und machte sich wieder an die Arbeit.

       Geheimnis am Totenbett

      „Hey Finchen, du machst ja ein Gesicht, als ob jemand gestorben wäre.“ Mit diesen Worten begrüßte Alkan seine Mitschülerin Serafina im Klassenzimmer. Er saß schon mit ausgepackten Büchern an seinem Tisch in der letzten Reihe, als sie durch die Tür kam. Sie hatte den Kopf gesenkt, ihre Arme hingen schlaff an ihren Schultern, als wären sie aus Gummi.

      „Es ist jemand gestorben, du Dummkopf“, fauchte das Mädchen zurück.

      „Was?“ Alkan sprang so hastig auf, dass er den Stuhl dabei umwarf. „Um Gottes Willen, das tut mir leid. Ich … wollte nicht …“ Er hatte sie necken wollen, einfach nur so, wie er es immer tat, wenn sie morgens verschlafen zur ersten Stunde kam. Serafina war kein Morgenmensch – sie wachte erst in der großen Pause so richtig auf. Er lief auf sie zu, stolperte dabei über seine eigene Schultasche, ruderte mit den Armen und hätte sich fast vor ihr flachgelegt.

      „Schon gut“, gab sie leise zurück. „Du konntest es ja nicht wissen.“

      Alkan schluckte. „Wer … wer ist es, ich meine, wer war es denn, der … du weißt schon …“

      Das Mädchen ging um ihn herum, steuerte ihren Tisch an und zog ihren Stuhl vor, setzte sich aber nicht darauf. Wie eine Statue stand sie daneben, und es sah aus, als hätte sie vergessen, wozu ein Stuhl gut war. „Ein Großonkel von mir“, sprach sie nach einer langen Stille weiter. „Onkel Richard. Du kennst ihn nicht.“

      „Doch“, widersprach Alkan sofort. „Er hat bei deiner letzten Geburtstagsparty kurz vorbeigeschaut. Der hagere Mann mit den buschigen Augenbrauen, stimmt’s? Er hatte diese komischen Drops dabei. Jedem von uns hat er eins geschenkt, aber keiner hat seins gegessen.“

      „Salmiak-Bonbons“, murmelte Serafina abwesend. „Scheußliches Zeug. Er hat immer eine Tüte davon in der Westentasche. Hatte.

      „Hast du ihn sehr gemocht?“

      Das Mädchen starrte ihn an, als hätte er etwas Verbotenes gefragt. „Natürlich, was denkst du denn!“, kläffte sie. Dann wurde sie wieder still, und nach einer Weile gestand sie: „Er war mir ziemlich unheimlich. Eigentlich habe ich mir nicht viel aus ihm gemacht, als er noch lebte. Aber jetzt, wo er tot ist, ist das irgendwie anders. Er tut mir so leid, weißt du? Das macht mich total fertig.“

      „Das ist völlig normal, Fina“, tröstete Alkan sie. Fina, das war der übliche Spitzname, mit dem er sie immer rief. Finchen nannte er sie nur, wenn er sie ärgern wollte.

      Bisher waren die beiden alleine im Klassenzimmer gewesen, doch nun trudelte eine Gruppe von drei Schülern ein. Serafina blickte Alkan scharf an und legte kurz den Finger auf den Mund. Bitte erzähl den anderen nichts, hieß das. Ich möchte es nicht allen erklären müssen. Jetzt nicht.

      Sie ließen zwei Stunden Mathe und eine Stunde Geografie über sich ergehen, und Serafina war geistig so abwesend, dass es den Lehrern bestimmt auffiel, aber sie schimpften nicht und löcherten sie auch nicht, was mit ihr los sei. Wahrscheinlich hatten Serafinas Eltern die Klassenlehrerin über den – wie sagte man? – Trauerfall in der Familie informiert. Ja, so musste es sein, denn die Lehrer fassten das Mädchen heute mit Samthandschuhen an, lächelten ständig und lobten sie, ohne dass sie etwas Lobenswertes getan hätte.

      Es war ein ganz merkwürdiges Gefühl, dabei zuzusehen, wie man sie verwöhnte und verhätschelte. Normalerweise sah das Verhältnis der Lehrer zu Serafina nicht so rosig aus. Da flogen öfters mal die Fetzen. Serafina galt als schwierig. Sie war eine gute Schülerin, aber sie konnte sehr stolz und empfindlich sein und ließ sich nicht gerne etwas sagen. Außerdem ging bisweilen ihre Fantasie mit ihr durch, und sie verwechselte ihre Traumwelt mit der Wirklichkeit. Lehrer schätzen so etwas nicht.

      In der großen Pause trafen sich Alkan und Fina in ihrem Versteck. Natürlich war es kein richtiges Versteck, denn Schulhöfe werden nicht so angelegt, dass die Schüler sich irgendwo vor den Blicken der Lehrer verbergen können. Trotzdem: Die Stelle neben dem Geräteschuppen war ziemlich abgelegen, und man kam sich wenigstens ein bisschen vor, als wäre man alleine. Zu den beiden gesellte sich sofort Marie. Außer Marie hätten sie alle СКАЧАТЬ