Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre ….. Band 2. Jörn Kolder
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СКАЧАТЬ einmal umziehen“ bat er den Polizisten scheinbar unterwürfig „mir ist kalt.“

      „Na gut“ sagte dieser „aber Sie (er wandte sich an die Bademeister) passen am Eingang auf, dass er nicht abhaut.“

      „Geht klar“ bestätigten die beiden sofort.

      Frieder Bergmann ging schwankend zu den Umkleidekabinen und entwickelte seinen Plan weiter. In der Kabine entkleidete er sich und zog nur die Unterhose an, seine restlichen Sachen stopfte er in den Beutel. Dann spähte er aus dem Raum heraus und sah, wie sich die beiden Bademeister lachend unterhielten. Dies stachelte seine Wut heftig an und er schlich wie ein Assassine zur Damenumkleide und schlüpfte ungesehen hinein. Jetzt kam es darauf an, ob sein Kalkül aufging, und er hatte Glück. Die Seniorinnen waren durch die Programmänderungen so überrascht gewesen, dass eine von ihnen vergessen hatte, den Kleiderschrank zu verschließen. Frieder Bergmann sichte den Kleidungsbestand flüchtig und stellte fest, dass die Konfektionsgröße der seinen entsprechen könnte. Zuerst zwängte er sich in eine Strumpfhose, dann streifte er einen knielangen Rock über, der an seinen Hüften herumschlotterte, aber das war momentan egal. Die Bluse spannte zwar mächtig über seinem Bauch und auch die Jacke war ein Stück zu eng, das größte Problem stellten jedoch die Schuhe dar. Hinein kam er noch ganz gut, aber mit ihnen zu laufen war schwierig, denn sie hatten für ihn ungewohnt hohe Absätze. Zum Schluss drückte er sich noch einen Hut weit ins Gesicht, holte tief Luft und begab sich auf den Gang hinaus. Er hielt es für eine gute Idee, ein Hinken zu imitieren und mit gebeugter Haltung vorzurücken, dies sollte altersbedingte Hinfälligkeit ausdrücken. Scheinbar war sein Auftritt überzeugend, denn die Bademeister riefen ihm nur ein „Auf Wiedersehen“ zu und schienen sich noch immer darüber zu amüsieren, wie sie diesen komischen Vogel, der sich im Gitter verklemmt hatte, gelinkt hatten. So kam Bergmann unbeschadet aus der Schwimmhalle hinaus und hielt es immerhin noch bis zu seinem Auto durch, hinkend und gebeugt zu laufen. Dort ließ er sich aufatmend in den Sitz fallen, streifte die Schuhe ab und fuhr mit Schmackes los. Er wollte heute nichts mehr riskieren und unterließ so auch den Versuch, die Damensachen irgendwo loszuwerden. Also betrat er das Treppenhaus in diesem Aufzug und stieg mühselig nach oben, leider begegnete ihm Schulz und musterte ihn misstrauisch. Frieder Bergmann wusste genau, dass der Mann verfolgen würde, in welche Wohnung er gehen würde, hatte aber keinen Elan mehr, heute noch mehr Theater zu spielen. Kurz entschlossen öffnete er die Tür, trat ein und humpelte in die Küche, um ein Bier zu öffnen. Seine Frau Petra erschien und riss die Augen auf.

      „Du kannst dir nicht vorstellen was mir heute passiert ist“ sagte Frieder Bergmann erschöpft und erstattete dann Bericht.

      Petra Bergmann hörte ungläubig zu und schüttelte den Kopf, dann sagte sie:

      „Da kannst du nie wieder hingehen, oder erst in ein paar Jahren, wenn Gras über die Sache gewachsen ist. Such` dir doch mal was Unverfängliches.“

      Am folgenden Tag informierte die Zeitung im Regionalteil, dass die Schwimmhalle wegen umfangreicher Reparaturarbeiten in Höhe von geschätzten 320.000 Euro voraussichtlich erst in einem halben Jahr wieder öffnen würde.

      „Enormer Muskelaufbau schon nach 3 Trainingsrunden“ las Frieder Bergmann interessiert in einer der kostenlosen Wochenpostillen. „Eine besondere Art der sportlichen Freizeitbeschäftigung mit dem Kick des Abenteuers“ hieß es weiter. Bogenschießen schien keine schlechte Sache zu sein, und da er Wert darauf legte seine Armkraft zu verbessern (er wollte sich später unbedingt einmal in einem Kletterpark ausprobieren), ging er zu einer „Schnupperstunde“ in einer ehemaligen Montagehalle hin. Das Gebäude war von außen vollkommen schmucklos, aber in seinem Inneren gab es fünf Schießbahnen, die mittels mannshoher und in größeren Abständen stehenden schmalen Kästen voneinander abgetrennt waren. Die Scheiben waren auf kleinen Wagen mit Elektromotoren befestigt, so dass man sie über Schienen näher heranholen oder weiter weg platzieren konnte. Die dafür erforderliche Verkabelung verlief in gut 3 Meter Höhe und war an von der Decke herab reichenden Montageisen befestigt. Auf dem Boden waren großflächig Sägespäne verstreut, möglicherweise wollte man so noch vorhandene Ölflecke des ehemaligen Industriegebäudes verdecken. Alles wirkte aber ordentlich und sauber und auch der Trainer, der auf Frieder Bergmann zukam, hinterließ einen seriösen Eindruck.

      „Schön, dass Sie es einmal ausprobieren wollen“ sagte er zur Begrüßung „das ist ein Sport für richtige Kerle und nicht für solche Weicheier, die in teuren Jogginganzügen durch die Kante schleichen oder n bisschen im Wasser rumpaddeln. Hier braucht man Kraft und Köpfchen. Rohe Gewalt bringt gar nichts, man muss die Gesetze der Physik berücksichtigen und enorme Konzentrationsfähigkeit mitbringen, sonst kann man es gleich lassen. Sie sehen so aus, als ob Sie genau diese Dinge draufhaben. Darf ich fragen, was Sie beruflich machen?“

      „Ich bin Referatsleiter in einer Behörde“ antwortete Frieder Bergmann bescheiden.

      „Hab` ich`s doch gewusst“ freute sich der andere „nach den täglichen intellektuellen Anforderungen suchen Sie den Ausgleich in dieser martialischen Tätigkeit, ja, den Phallus in das Ziel rammen, wenn ich mal so sagen darf. Sehen Sie, wenn Sie mit dem Bogen und dem Pfeil hantieren verlängern Sie sozusagen eines Ihrer wichtigen Körperteile (er grinste anzüglich) enorm, Sie transportieren Ihre Sehnsüchte mit dem Schuss und wenn Sie dann noch gut treffen, ist das ein Triumphieren über den Ihnen entgegen tretenden Gegner. Sie haben keine Ahnung, wie das Bogenschießen das Selbstbewusstsein steigert und Aggressionen nimmt.“

      Frieder Bergmann versuchte das Gehörte zu verarbeiten, so hatte er den Effekt des Bogenschießens noch nie gesehen. Der Trainer informierte ihn über die Sicherheitsbestimmungen, die kurz gefasst hießen: ja nicht in eine andere Bahn geraten und erst zur Scheibe gehen, wenn das Kommando dazu gegeben wurde. Dann zeigte er Frieder Bergmann, wie er den Bogen spannen konnte, wie man das Ziel anvisiert und wies ihn noch auf eine spezielle Atemtechnik hin. Über eine Fernbedienung ließ er die Scheibe auf 10 Meter herankommen und nickte seinem Schüler zu. Dieser holte tief Luft, spannte den Bogen, legte den Pfeil ein, und konzentrierte sich. Er nahm die Scheibe in den Blick und ließ die Bogensehne los. Der Pfeil begab sich auf einen kurzen Flug, um dann direkt im Zentrum der Scheibe einzuschlagen. Der Trainer sah ihn erstaunt an und bugsierte die Scheibe auf 15 Meter Entfernung. Bergmann schoss erneut und wieder mit dem gleichen Ergebnis. Zufrieden lächelnd legte er nunmehr auf die 20 Meter entfernte Scheibe an und traf wiederum genau in die Mitte. Die maximale Entfernung betrug 40 Meter und der Trainer fuhr die Scheibe jetzt dorthin.

      „Das hat noch keiner beim ersten Training geschafft“ sagte er trocken „wenn Ihnen das gelingt haben Sie die nächste Übungsstunde auch noch gratis.“

      Frieder Bergmann war jetzt ganz im Jagdfieber und gab bei diesem Schuss alles. Der Pfeil surrte davon und auf die Entfernung war nicht genau zu erkennen, wo er die Scheibe getroffen hatte. Der Trainer ließ den Wagen heranrollen und vor Verwunderung stand ihm der Mund offen, als er das Ergebnis erkennen konnte. Auch dieser Pfeil steckte perfekt in der Mitte der Scheibe. Vier Pfeile drängten sich auf einer Fläche von zirka 3 Zentimetern, ein überzeugendes Trefferbild.

      „Unglaublich“ sagte der Mann beeindruckt „Sie sind ein Naturtalent. In Ihrer Person mischen sich tatsächlich hervorragende intellektuelle Fähigkeiten, Kraft und Geschick. Ich vermute mal, dass Sie in der Schule und im Studium immer zu den Besten in Physik gezählt haben, anders kann ich mir diese sensationelle Leistung nicht erklären.“

      „Nun ja, ich war nicht ganz schlecht darin“ erwiderte Frieder Bergmann scheinbar bescheiden, er konnte dem Mann ja kaum erklären, dass er gerade in diesem Fach immer nur Bahnhof verstanden hatte und gerade so mit einer schlechten vier durchgekommen war.

      „Bis nächste Woche Mittwoch wieder“ verabschiedete er sich und erzählte Petra euphorisch von seinen Erfolgen.

      Der Arbeitstag war für ihn nicht so gut gelaufen. СКАЧАТЬ