Название: Sichelland
Автор: Christine Boy
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783844236200
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Natürlich hatte sie keine Ahnung gehabt, was für ein Mensch die Botschafterin aus Cycalas war, wie alt sie war oder wie sie aussah. Sie wusste sehr wohl, dass die eigentümliche schwarze Augenfarbe auf der Sichelinsel in einigen Regionen verbreitet war, das hatte sie schon in einer der Tempellehren gelesen. Auch die robuste Kleidung hätte die Novizin eigentlich nicht überraschen dürfen, war es doch bekannt, dass beinahe alle Cycala, die nach Süden reisten, ausgebildete Krieger waren. Kein schutzloser Händler oder Gelehrte hätte sich alleine ins Mittelland gewagt, dazu war die Vergangenheit wohl doch noch zu lebendig.
Sara wusste selbst nicht, womit sie gerechnet hatte, aber sicher war eines: nicht damit. Die junge Frau war wohl nur einige Jahre älter als sie selbst und sah eher so aus als würde sie am liebsten jedem die Kehle aufschlitzen, der dafür verantwortlich war, dass sie sich gleich mit Menschen wie Sara, Beema oder den anderen Tempelbewohnern herumärgern musste.
Bevor die Novizin in irgendeiner Form auf diese unvorbereitete Begegnung reagieren konnte, kam Menrir ihr zuvor.
„Lennys, das ist Sara.“ Er erklärte nicht, weshalb er Sara hierher gebracht hatte und die Cycala fragte auch nicht. Sie zeigte überhaupt keine Reaktion, sondern sah ihre neue Dienerin nur weiter unverwandt an. Der Heiler wartete einen kurzen Augenblick, dann fuhr er fort.
„Sara, wir halten es für besser, den Empfang in der Halle auf das Nötigste zu verkürzen. Vielleicht könntest du hinaufgehen in das Zimmer, das für Lennys ausgesucht wurde? Ich werde Beema erklären, dass es der Wunsch der Botschafterin war, dass du dort wartest. Wir werden dann gleich nachkommen.“
Sara nickte stumm, doch dann besann sie sich ihrer Pflicht und senkte den Kopf in Richtung Lennys. „Wie ihr wünscht, Herrin.“
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Lennys die Augen verdrehte.
„Du kannst gehen.“ sagte sie dann. Ihre Stimme klang kalt und obwohl sie sehr leise gesprochen hatte, konnte sie einen gewissen Ärger darunter nicht verbergen.
Kaum hatte Sara wieder den Turm umrundet, hörte sie Menrirs beschwichtigende Worte.
„Sie muss sich erst mal an dich gewöhnen, sei nicht so ungeduldig.“
„An mich gewöhnen? Wozu? Sie wird nicht viel in meiner Nähe sein.“
„Warte es ab.“
„Ich brauche niemanden. Und jetzt lass uns diesen Empfang hinter uns bringen. Wieso hast du sie überhaupt in mein Zimmer bestellt?“
„Das erkläre ich dir auf dem Weg nach drinnen. Du hast recht, bringen wir es hinter uns.“ Er zögerte. „Lennys, ich weiß, du machst dir nichts aus diesen Leuten und aus dem Tempel selbst. Aber könntest du vielleicht.....“
„Ich werde dich schon nicht in Verlegenheit bringen, falls es das ist, weswegen du dir Sorgen machst.“
„Die Menschen hier mögen euch Sichelländer, vergiss das nicht.“
„Hast du Angst, dass sich das meinetwegen ändert?“
„Nein, so meine ich das nicht....“ Menrir schien um Geduld zu ringen.
„Hör zu, Menrir. Ich glaube nicht, dass es dir zusteht, mir Verhaltensmaßregeln aufzuerlegen. Ich habe weder vor, einen Krieg anzuzetteln, noch werde ich dafür sorgen, dass diese Beema heute vor Enttäuschung über mich ihr Kopfkissen nass weint. Aber wenn ich es vorhätte, dann würdest du mich nicht daran hindern, haben wir uns verstanden?“
Der Heiler seufzte resigniert. „Ja, das habe ich. Gibt es eine Chance, dass sich deine Laune heute noch bessert?“
„Ja, falls du es schaffst, mich aus diesem Abendessen herauszuhalten.“
Sara erreichte die Nebenpforte, die Stimmen waren nun nicht mehr zu hören.
'So sehr ich dir bisher auch vertraut habe, Menrir...' dachte sie während sie die Stufen zum Obergeschoss empor eilte, '...aber das hier wird nicht gut gehen. Ich kann tun, was ich für richtig halte. Aber ich kann keine Wunder vollbringen.'
Oberin Beema lief nervös auf der Galerie auf und ab und immer wieder wanderte ihr Blick hinunter zum Tempelportal, zu dessen beiden Seiten die Novizinnen Ilele und Eria darauf warteten, dass sich der erwartete Gast ankündigte. Die Sonne stand schon recht tief und noch immer gab es keinerlei Anzeichen dafür, dass der hohe Besuch sich näherte. Normalerweise war es üblich, dass Boten oder Diener vorgeschickt wurden, um die baldige Ankunft ihrer Herren auszurufen, doch Menrir hatte Beema diese Illusion schnell genommen. Er hatte ihr erklärt, die Botschafterin würde allein reisen und wünsche nicht, dass um ihre Anwesenheit viel Aufhebens gemacht wurde. Dies hatte er derart ernst betont, dass Beema ihren Plan, alle Novizinnen und Vorsteherinnen zur Begrüßung Spalier stehen zu lassen, schnell verwarf. Stattdessen hatte sie ihre beiden bevorzugten Zöglinge am Eingang postiert, damit eine von ihnen den Gast willkommen hieß, während die andere sie selbst, die Oberste des Nebeltempels, darüber informierte, so dass der offizielle und rituelle Empfang dann direkt in der Eingangshalle nur unter den Augen weniger Auserwählter vor sich gehen würde. Dieser Vorschlag hatte auch Menrirs Zustimmung gefunden und Oberin Beema gab zu, dass es bei einem Gast mit solch bescheidenen Vorlieben wohl von Vorteil war, auf den Heiler zu hören. Er schien die Botschafterin ja doch recht gut zu kennen.
Ein dumpfes Klopfen ließ die Portalflügel aus schwarzem Akazienholz erzittern. Bebend vor Aufregung öffnete Eria, die über die Enttäuschung, diesmal keine große Rolle spielen zu dürfen, noch nicht ganz hinweg war, die in der Tür eingelassene Sichtluke. Überrascht erkannte sie das faltige Gesicht Menrirs. Er strahlte.
„Eria, bitte lass deine Oberin wissen, dass Lennys, die Gesandte Cycalas, soeben eingetroffen ist und um die Gastfreundschaft des Nebeltempels ersucht.“
Erst jetzt bemerkte Eria die schwarz gekleidete Gestalt, die einige Meter hinter Menrir im Schatten einer hohen Steinsäule stand. Sie war noch zu weit entfernt, um Gesichtszüge oder andere Details zu erkennen und so blieb Eria nichts anderes übrig, als Menrirs Bitte nachzukommen und sofort zu Beema zu eilen. Sie nickte Ilele kurz zu, die Menrirs Worte jedoch selbst mitverfolgt hatte und sich nun daran machte, den rechten Flügel des Portals zu öffnen.
Als Beema die Galerietreppe hinab stieg, sah sie bereits von weitem, dass Menrir mit seiner Vermutung recht gehabt hatte. Die Botschafterin war tatsächlich allein gekommen, wenn man einmal davon absah, dass der Heiler an ihrer Seite stand. Auch schien sie nicht im Geringsten verwundert oder überrascht, dass ihr kein großer Empfang bereitet wurde, wohl, weil Menrir ihr dies zugetragen hatte. Ob sie mit dem Arrangement zufrieden war, ließ sich ihrer verschlossenen Miene jedoch nicht entnehmen.
„Es ist mir eine große Ehre, einen Vertreter des Sichellandes in unseren bescheidenen Mauern begrüßen zu dürfen, Herrin Lennys. Ich hoffe, dass unsere Räumlichkeiten euren Wünschen entsprechen und dass euer Aufenthalt im Nebeltempel zu eurer Zufriedenheit verlaufen wird. Bitte zögert nicht, auf die Dienste aller Anwesenden zurückzugreifen.“
Beema verneigte sich tief. Ein Gast aus dem sagenhaften Sichelvolk gehörte unbestreitbar zu den Glanzpunkten einer langen Liste ehrenvoller Namen, die diese Begrüßungsformel über sich hatten ergehen lassen müssen. Und zweifellos wurde sie von vielen hohen Häusern darum beneidet, dass СКАЧАТЬ