Название: Centratur I
Автор: Horst Neisser
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783741883101
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Aramar murmelte: „Mein guter Mog, das ist ja das Problem! Seit Tagen zermartere ich meinen Kopf, von wem die Gefahr ausgehen könnte. Ich kenne aber niemand anderen, der so mächtig wäre, um den Schrecken hervorzurufen, der Centratur jetzt in Atem hält.“ Er machte eine Pause und fuhr dann verwirrt fort: „Niemanden, außer dem Alten. Aber der ist unschädlich gemacht. Er ist in einem Berg gefangen. Vor ihm müssen wir uns nicht fürchten.”
„Kann sich der Alte nicht befreit haben?"
„Wenn Ormor frei ist, dann Gnade uns Gott. Das wäre das Schlimmste, was passieren könnte. Allen Wesen in Centratur bliebe dann nur die Wahl zwischen Unterwerfung und Versklavung oder dem Tod."
Der alte Erit schauderte bei diesen Worten. Er kannte den Zauberer und wusste, dass dieser niemals übertrieb.
Irgendwann brach die Dunkelheit vollends herein. Zusammen mit Ev und den beiden Söhnen saßen sie am Kamin. Die Schrecken des Nachmittags verblassten. Man ging früh zu Bett, denn der nächste Tag würde anstrengend werden. Aramar brauchte Informationen und wollte das Schloss des Markgrafen in Hochhag besuchen. Ein weiter Ritt stand bevor.
Hochhag
Am nächsten Morgen standen alle schon bei Sonnenaufgang auf. Ev machte den Männern ein kräftiges Frühstück und packte ihnen Proviant in die Satteltaschen. Es sollte ein bequemer und angenehmer Ausflug werden.
Auf der Oststraße war schon reger Verkehr. Diese große, gut ausgebaute Straße war eine der wichtigsten Verbindungen in Centratur. Sie begann am Golf von Orex und führte auf dem kürzesten Weg nach Osten zum Thaurgebirge. Dann durchquerte sie die Berge und erreichte Bajar. Dort vereinigte sie sich mit der Alten Oststraße. Von da ging es weiter am Fuß des Grauen Gebirges bis Mintel. In Brunel endlich endete der lange Weg, der Centratur in seiner ganzen Breite verband.
Die Oststraße war gut ausgebaut, so dass sie auch von schweren Karren befahren werden konnte. Aus den alten Zeiten stammten auch noch die gemauerten Unterstände. Sie waren in Abständen von einstündigen Märschen am Straßenrand errichtet und sollten die Reisenden bei Unwettern schützen. Doch wurden sie schon lange nicht mehr benutzt und waren zum großen Teil verfallen. Mäuse, Ratten, Ungeziefer und sogar Schlangen hatten sich die Ziegelbauten zur Heimstatt auserkoren. Zu beiden Seiten der Straße waren hohe Bäume gepflanzt, die wohltuende Schatten spendeten. Zwischen den Baumstämmen wuchsen Ginster und Haselnuss.
Es war ein sonniger Tag, und die beiden Reiter kamen gut voran, obgleich viel Volk auf der Straße unterwegs war. Hauptsächlich begegneten sie Zwergen, die große Bündel schleppten. Dann und wann sahen sie Menschen aus dem Süden mit dunklen Gesichtern. Manche fuhren auf hoch bepackten zweirädrigen Wagen, die von Mauleseln gezogen wurden, andere zerrten schwer beladene Packpferde hinter sich her.
Die Reiter überholten auch Reisekarren. Diese wurden von vier Ponys gezogen und hatten hölzerne Bänke auf ihren Dächern. Dort saßen Reisende, die keine eigenen Pferde hatten und nicht laufen mochten.
Bald darauf sah Mog die ersten Flüchtlinge, von denen an den Stammtischen in Heckendorf und Mühlendorf so viel geredet wurde. Es waren Elendsgestalten, die sich in zerlumpten Kleidern vorwärts quälten. Manche zerrten Handkarren hinter sich her. Andere, wahrscheinlich die Wohlhabenderen, hatten magere Esel vorgespannt. An einigen der Karren war eine Ziege angebunden, die meckernd mitlief. Kleine Kinder bemühten sich Schritt zu halten. Die meisten waren barfuß. Viele der Großen hatten sich Lappen um die Füße gebunden, sie waren schmutzig und blutig. Alte Leute, die nicht mehr laufen konnten, lagen auf den Karren. Die Gesichter, die nackten Arme, die Körper wiesen Geschwüre und Wunden auf. Verzweiflung stand in den Gesichtern. Gestank begleitete die Trecks, der Geruch von Dreck und Angst. Besonders auffallend aber war die lähmende Müdigkeit, die über allen zu liegen schien.
„Das soll der so teuer erkämpfte Frieden in Centratur sein?" fragte Aramar bitter.
Sie gaben den Flüchtlingen ihre Vorräte und machten gegen Mittag eine freudlose Rast im Schatten von drei mächtigen Kastanien. Danach ritten sie weiter und erreichten am späten Nachmittag Weststadt. Dort klopften sie bei Mogs Tochter Almira an. Ihr Mann war auch zu Hause. Das Paar freute sich über den unerwarteten Besuch. Es lebte in einem gemütlichen Haus, bei dessen Kauf ihnen die Eltern mit Geld unter die Arme gegriffen hatten. Es war eng, aber ein Bett für den Vater und seinen Freund fand sich allemal.
Die Sonne lockte die Reisenden am nächsten Morgen schon zu früher Stunde aus dem Haus. Sie machten sich auf zu einem Streifzug durch die Stadt. Weststadt war neben Grünbergen nicht nur einer der größten Orte im Heimland, sondern auch Garnisonsstadt. Der Markgraf hatte bei der Übernahme seines Lehens vom König die Auflage bekommen, fünfhundert Männer ständig unter Waffen zu halten. Mit ihnen sollte er die westlichen Grenzen schützen und dem König bei einem Krieg zu Hilfe kommen. Zwar waren Erits keine großen Krieger, aber die westlichen Grenzen galten als sicher und ungefährlich.
Im Ort herrschte reges Treiben. Auf einem kleinen Platz hatten Flüchtlinge ihr Lager aufgeschlagen. Dort wuschen sie Wäsche und kochten in großen Kesseln über offenem Feuer. Die Weststadter sahen die Flüchtlinge ungern. Diese Fremden brachten schließlich kein Geld, sondern nur Unordnung. Zudem musste man sie, ob man wollte oder nicht, unterstützen. Es ging nicht an, dass im Heimland jemand verhungert, und seien es auch nur Flüchtlinge.
Die beiden Männer sahen Gaukler und Schwertschlucker. Bettler saßen vor öffentlichen Gebäuden und sahen sehr leidend aus. Einer fiel Mog besonders auf. Er spielte auf einer winzigen Flöte eine wundersame, bezaubernde Melodie. Dieser Mensch hatte eine seltsam helle, beinahe weiße Hautfarbe. Quer über sein Gesicht zog sich ein feuerrotes Mal. Obgleich er auf dem nackten Boden kauerte, schien er von stattlicher Körpergröße. Als der Zauberer und der Erit vor ihm stehen blieben, sah er auf. Seine Flöte tönte weiter, aber seine Augen blickten klar und stolz. Wie konnte es geschehen, dass solch ein Mann um Almosen betteln musste? Eine Weile kreuzte er die Augen mit Mog. Keiner wandte den Blick ab. Aramar machte dem Duell schließlich ein Ende und warf eine Münze auf das Tuch, das vor diesem seltsamen Menschen lag. Dann nahm er seinen Begleiter am Arm, und sie gingen weiter. Hinter sich vernahmen sie ein Murmeln, das sie als Dankeswort auslegten.
Fremde Händler hatten in den Straßen Stände aufgeschlagen und boten Tuche, Werkzeuge und Waffen aus aller Welt feil. Besonders Zwerge taten sich mit Waren aus dem fernen Osten hervor. Es waren nützliche Dinge von eigenartiger Schönheit, aber auch wundersames Spielzeug, wie es nur Zwerge herzustellen vermögen. Niemand der Einheimischen kümmerte sich noch um all das fremde Volk. Es gehörte zum Alltag und wurde schon lange nicht mehr beachtet.
„Hier hat sich viel verändert", bemerkte Aramar. „Ihr Erits seid doch ein wandlungsfähiges Völkchen. Ist das überhaupt noch das Heimland, das ich kenne?"
Sie kehrten zu Almira und ihrem Mann zurück um sich zu verabschieden. Dann bestiegen Mog und Aramar ihre Pferde und ritten nach Süden.
Das Schloss des Markgrafen war ein imponierender Herrschersitz. Eine weiße Mauer schützte vor Fremden und Neugierigen und versperrte den Blick auf das Privatleben der Grafenfamilie. Das Schloss lag am Rand eines Plateaus, das mit alten Eichen bewachsen war.
Die Familie des Markgrafen hatte sich für ihren Stammsitz bewusst einen abgelegenen Fleck im Heimland ausgesucht. Die Hochebene war nicht nur eine der schönsten Gegenden im ganzen Land, man war auch dort auch so weit entfernt, dass man auf Hochhag nach eigenem Gutdünken leben konnte und sich nicht den Gepflogenheiten des Heimlands anpassen musste.
Hochhag war Anziehungspunkt für zahlreiches Volk, das aus allen Himmelsrichtungen zusammenkam: Antragsteller, Neugierige, Gäste aus fremden Ländern, Verwaltungsleute und natürlich Soldaten. In der Regel СКАЧАТЬ