Die Faehlings - eine Lübecker Familie. Eckhard Lange
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Название: Die Faehlings - eine Lübecker Familie

Автор: Eckhard Lange

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783738082043

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СКАЧАТЬ hinauf und stand dann vor seinem Haus. Nichts regte sich, das Herdfeuer im Inneren war eilig gelöscht worden, die Bewohner verschwunden. Auch die Nachbarhäuser waren leer. Ganz offensichtlich waren die deutschen Kaufleute mit Familien und Gesinde in den nahen Wald geflüchtet, vielleicht sogar dem alten Handelsweg gefolgt, um nach Buku zu gelangen, dem alten Siedlungs- und Burgplatz der Wagrier, in dessen Nähe eine kleine Niederlassung deutscher Händler war, die den Weg traveaufwärts nahmen. Die Palisadenwand der Burg war zwar weithin zerfallen, aber der Erdwall bot doch einen gewissen Schutz, falls es auch hier zu einem Angriff kommen würde.

      Nur einen kurzen Blick warf Hinrich auf die hölzernen Bohlen, die einen Teil des Bodens bedeckten – dort, wo die Schemel der Familie standen. Alles war unberührt, das Erdloch unter den Brettern, in dem er die Münzen zu verbergen pflegte, damit sie weder Diebe noch Feuer erreichen könnten, hatte niemand geöffnet. Es war wohl nicht zu erwarten, dass die Ranen jetzt auch hier noch brandschatzen würden, doch was wusste er von ihren Plänen! Und unten am Ufer lag sein Schiff, beladen mit kostbaren Gütern. Da war es geraten, beides zunächst in Sicherheit zu bringen. Seine Familie war ja nicht mehr in Gefahr, die kleine Kolonie würde sicherlich auf ihrer Flucht zusammengeblieben sein.

      Erleichtert kehrte der Kaufmann ans Ufer zurück. Er ließ sich über die hohe Bordwand ziehen und gab Befehl, die Fahrt fortzusetzen. Auch ihm schien der kleine Hafen unterhalb des Hügels Buku, weit genug entfernt vom brennenden Liubice, der beste Platz, den Morgen abzuwarten. Und er hoffte insgeheim, dort auch die Bewohner der Kaufmannssiedlung zu treffen. Dennoch war er voller Sorge um die Zukunft: Was würde aus ihrer Niederlassung werden, wenn Stadt und Burg in Trümmern lagen? War Pribislaw, der letzte aus dem Geschlecht der Könige, erschlagen oder gefangen, und wenn er geflüchtet war, würde er den Ort wieder aufbauen können, wenn so viele Einwohner getötet worden sind?

      Vor allem aber: Gab es noch einen Fürsten im Land Wagrien, der seine schützende Hand über die Kolonie der Deutschen halten könnte, oder wären sie in Zukunft einem Herrscher ausgeliefert, der allem feindlich war, was aus dem Reich kam, nun, wo Kaiser Lothar tot war und die deutschen Fürsten sich nicht auf einen Nachfolger einigen konnten? Schon immer hatte ein schwaches Reich, hatte der Tod eines Königs den oft nur mühsam unterdrückten Haß vieler Slawen erneut aufbrechen lassen, hatte dazu geführt, die widerwillig anerkannte Oberhoheit der deutschen Fürsten über das Slawenland gänzlich abzuschütteln. Politische Unsicherheit aber ist Gift für den Handel über die Grenzen hinweg – ist eine Gefahr für jeden Kaufmann, der durch das Slawenland ziehen musste, um das Meer zu befahren.

      Hinrich von Soest stand schweigend im Bug seines Schiffes, an eben jener Stelle, wo er noch vor Stunden zufrieden und dankbar vorausgeschaut hatte. Er zog den Mantel mit dem Fuchspelz enger. Ihn fröstelte, und das nicht nur, weil von seinen nassen Beinlinge die Kälte an ihm emporkroch. Nein, diese Welt war nicht friedlich, sie war es ganz und gar nicht.

      Zweites Kapitel: Januar 1139

      Sie leuchteten wie silberne Scheibchen im Licht der tiefstehenden Wintersonne. Um jeden Schilfhalm hatte sich in der Nacht eine kleine Eisschicht gebildet, die mit den Wellen der Wochenitze einen zarten Tanz aufführten. Duscha saß am Ufer und beobachtete das Spiel. Sie hatte ein dickes Wolltuch um ihr Kleid gewickelt, auch ihr lockiges braunes Haar war unter einem wärmenden Tuch verborgen. Sie war vor wenigen Wochen sechs Jahre alt geworden und und konnte der Mutter schon in vielem zur Hand gehen. Aber heute hatte sie sich in aller Frühe aus dem Haus geschlichen, denn über Nacht war es empfindlich kalt geworden, und sie hatte gehofft, dass der Fluß bereits zugefroren wäre. Doch der sanfte Wellenschlag hatte die Eisbildung bisher verhindert, nur dort, wo die Wassertropfen an den dünnen Röhrchen des Schilfs hängengeblieben waren, waren sie Eis geworden. Aber für Duscha waren es kleine Silberstückchen, die dort glänzten.

      Die kleine Slawin war ein aufgewecktes Kind, aber sie war auch voller Fantasie und voller Träume, und manchmal schalt ihre Mutter, dass sie mitten in einer Arbeit innehielt und vor sich hin blickte: „Schlaf nicht ein, Kind,“ sagte sie dann, aber Duscha blickte sie nur an und antwortete erstaunt: „Ich schlafe doch nicht! Ich denke nach.“ „Wir hätten dich nicht Duscha nennen sollen,“ seufzte die Mutter manchmal, denn „Duscha“ bedeutete soviel wie Seele, und das Kind hatte eine große Seele – wissbegierig, nachdenklich, ja, und eben oft auch verträumt.

      „Hier bist du also, du Ausreißer!“ Es war die Stimme ihres Vaters, der sie aus diesen Träumen riß. „Deine Mutter sucht schon nach dir. Du hättest etwas sagen sollen, wenn du zum Fluß hinunter gehst. Und außerdem wartet der Hirsebrei auf dich. Also – marsch nach Hause!“ Aber das Mädchen blieb und blickte den Vater bittend an: „Du fährst heute wieder zu den Kaufleuten? Warum nimmst du mich nicht endlich einmal mit?“ „Ach Kind, das ist wirklich nichts für kleine Mädchen. Jetzt liegen all die Knorre und Langschiffe am Ufer, und die Schiffsknechte haben wenig zu tun im Winter. Da kommen diese Kerle oft genug auf dumme Gedanken, und eine kleine Slawin käme ihnen gerade recht.“

      „Kann man denn dumme Gedanken haben? Es ist doch klug, wenn man denkt, oder?“ Der Fischer Rastislav, ihr Vater, war ein eher schweigsamer und verschlossener Mann, doch jetzt musste er lachen. „Eigentlich hast du ja recht, Duscha. Aber leider gebrauchen viele Menschen ihren Kopf nicht dazu, etwas zu lernen oder etwas Neues zu erfinden, sondern eben, um sich etwas Dummes auszudenken. Und was hat dein Kopf heute morgen gemacht, als du einfach so aus dem Haus geschlichen bist? Das war auch nicht besonders klug, findest du nicht?“ Duscha senkte den Blick: „Ja, Vater,“ sagte sie gehorsam. Dann stand sie auf und ging langsam den Hang hinauf zur Hütte ihrer Eltern, die zwischen den anderen in einem zum Fluß hin offenen Halbkreis stand.

      Der Kietz, in dem sie mit den anderen Fischerfamilien wohnten, lag etwas oberhalb des Ufers, denn es geschah nicht selten, dass bei östlichem Sturm das Wasser der Trave anschwoll und auch in die Mündung der Wochenitze drängte. Dann mussten die Fischer ihre Boote höher aufs Land ziehen, während die hölzernen Stangen, an denen die Netze trockneten, manchmal schon knietief im Wasser standen. Für die Kinder war es eher ein Vernügen, in dem flachen Wasser herumzuspringen, aber an Fischfang war dann oft für mehrere Tage nicht zu denken, und die Männer gingen dann mit den Frauen zu den kleinen Äckern oben am Waldrand, um ihnen beim Unkrautjäten zu helfen.

      Sonst fuhren sie mehrmals in der Woche die Trave hinunter bis zu dem Landeplatz der deutschen Kaufleute, um ihren frischen Fang gegen allerlei Dinge einzutauschen, die sie nicht selbst herstellen konnten und dennoch für das tägliche Leben brauchten. Seitdem viele Händler aus dem fernen Liubice sich hier am Hügel Bucu niedergelassen hatten, lohnte sich die Fahrt. Früher machten die Kauffahrer dort meist nur für eine kurze Rast fest und hatten wenig Lust, für ein paar Fische ihre Waren vom Schiff zu holen. Außerdem lebten damals noch mehrere slawische Fischer in Hafennähe, und die hatten stets einen Vorteil, wenn es galt, Barsche, Forellen und Aale oder gar einen Wels zu verkaufen. Doch jetzt hatten die Deutschen die wendischen Fischer dort bis auf wenige vom Ufer verdrängt, an dem nun ihre seetüchtigen Schiffe festmachten.

      Auch heute wollte Rastislav seinen Fang dort anbieten, wer weiß, wie lange es noch dauerte, bis der Fluß zugefroren war, und die wenigen Fische, die sie dann noch aus Eislöchern mit der Angel herausholten, brauchten sie für die eigene Familie. Und wer wollte sich schon zu Fuß dorthin aufmachen, um den geringen Fang im Korb über den Hügel hinweg in die Siedlung zu tragen! Rastislav war gerade dabei, den schmalen Kahn ins Wasser zu schieben, als er vom Dorf her Lärm und erregte Stimmen hörte. Da kam auch schon Duscha angelaufen und rief schon von weitem: „Nicht fahren, Vater! Die Holsten kommen!“

      Der Fischer hielt inne und fluchte leise vor sich hin. War also doch wahr, was die Leute im Hafen sich seit Monden erzählten? Die Holsten, diese sächsischen Mordbrenner, die immer wieder über die Grenze ins Land der Wagrier einfielen, hatten den Winter genutzt, um über hartgefrorene Sümpfe einen neuen Angriff zu führen. Und jetzt näherten sie sich also auch der Trave und Bucu. Mit einem harten Schub stieß Ratslaw seinen Kahn ins Wasser, verband СКАЧАТЬ