Название: Penelope von der Polyantha
Автор: Edgar Wallace
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783752947861
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Penelope konnte nichts erwidern. Die merkwürdige Gefühllosigkeit dieser Frau beleidigte sie. Das Leben eines kleinen Schoßhundes war ja sicher nicht von großer Bedeutung, aber es schmerzte sie doch, daß sie diesen Charakterzug an einer Frau entdecken mußte, die sie sonst so verehrte und in jeder Weise bewunderte. Sie dachte an die dünnen, schmalen Lippen Cynthias und sah sie jetzt mit einem neuen Interesse an.
Ein paar bevorzugte Freunde der Passagiere kamen dem Schiff in einem kleinen Boot entgegen. Cynthia erwähnte nebenbei, daß ihr Mann vielleicht auch an Bord komme. Sie zeigte aber keinerlei besondere Freude darüber, daß sie ihn nach so langer Trennung wiedersehen würde, und trat nicht einmal zu der kleinen Gruppe interessierter Leute, die über die Reling schauten, als die Passagiere des kleinen Bootes herüberkamen.
Penelope hatte sowohl ihre eigenen als auch Cynthias Sachen gepackt und suchte nun noch einmal den Decksteward auf.
»Ich danke Ihnen, mein Fräulein«, sagte Mr. Beddle, als er den Fünfdollarschein aus ihrer Hand nahm. »Sie hätten mir das nicht zu geben brauchen, es war mir auch so ein großes Vergnügen. Besten Dank. Ich hoffe, daß ich Sie wieder einmal auf einer Reise bedienen kann. Sind Sie eigentlich auf einer Vergnügungsfahrt?«
»Ich hoffe, es wird ein Vergnügen für mich werden; ich bin nämlich nach England gekommen, um eine Stellung anzutreten.«
Der Mann schaute Penelope nachdenklich an. »Es ist kein schlechtes Land, und Sie mögen hier Ihr Glück machen. Heiliger Moses!« Er schaute an ihr vorbei und machte ein überraschtes Gesicht. »Schnell, mein Fräulein«, flüsterte er, »das ist er!«
»Er – wer?«
Penelope wandte den Blick in die Richtung, in die er zeigte, und sah einen eleganten, glattrasierten Herrn, der von Kopf bis Fuß tadellos gekleidet war. Es schien ihr, als ob er von der Bond Street in London plötzlich an Bord dieses Schiffes versetzt worden sei, ohne daß sein Anzug auch nur die geringste Falte davongetragen hätte.
Sein Gesicht war dunkel, und er trug einen kleinen Schnurrbart. Sein Kinn wirkte ein wenig lang. Im Augenblick lächelte er und zeigte seine weißen Zähne.
»El Slico«, sagte Beddle leise. Aber bevor Penelope ihn noch richtig betrachten konnte, eilte Cynthia schon auf sie zu.
»Meine liebe Penelope, ich möchte Sie vorstellen.« Cynthia faßte sie am Arm und ging mit ihr auf den vornehmen Herrn zu. »Dies ist mein Mann, Mr. Dorban!«
›El Slico‹ nahm den Zylinder ab und reichte ihr seine lange, schmale Hand.
Penelope ergriff sie mechanisch.
3
Der Decksteward mußte sich geirrt haben. Penelope sagte sich das tausendmal auf der Fahrt zwischen Liverpool und London. Es war doch zu absurd und lächerlich, daß dieser liebenswürdige, nette Herr der Boss einer gemeinen Verbrecherbande sein sollte, die unglückliche Opfer ausplünderte. Mr. Beddle hatte sich ganz bestimmt getäuscht. Mr. Dorbans Gesichtszüge waren nicht besonders charakteristisch, und man konnte ihn leicht verwechseln. Wozu sollte ein Falschspieler auch eine Sekretärin engagieren? Und warum sollte er zurückgezogen in einem Dorf in Devonshire leben? Sie wußte doch, daß Mr. Dorban eine große Erbschaft in Aussicht hatte. Außerdem hatte er so viel zu tun, daß er eine Sekretärin brauchte.
Mr. Dorban und seine Frau hatten sich ziemlich nachlässig und gleichgültig begrüßt. Keiner der beiden schien über das Wiedersehen besondere Freude zu fühlen.
Mr. Dorban hatte in der Bahn ein ganzes Abteil reservieren lassen, so daß sie allein blieben. Penelope wunderte sich, warum sie nicht in den Gang hinausgehen durfte. Sie hätte die beiden gern allein gelassen, damit sie sich nach so langer Trennung ungestört unterhalten konnten, aber sobald sie ihre Absicht andeutete, wurde sie von Cynthia zurückgehalten.
Mr. Dorban war ein interessanter Gesellschafter. Penelope schien es, als ob er die ganze Zeit von Abgang des Zuges bis nach London erzählte. Er sprach mit einer klangvollen, angenehmen Stimme und war sehr unterhaltend.
Er hatte braune Augen, und im allgemeinen liebte Penelope Männer mit braunen Augen nicht. Aber Mr. Arthur Dorban gefiel ihr trotzdem ganz gut. Sie fühlte sich eigentlich mehr zu ihm als zu Cynthia hingezogen. Kanada kannte er freilich nur oberflächlich.
»Ich bin einmal dort gewesen, als ich noch jung war«, sagte er. »Aber ich liebe Seereisen nicht. Ich will lieber freiwillig zehntausend Pfund zahlen als eine Reise über den Atlantischen Ozean machen.«
»Sind Sie früher häufig in Amerika gewesen?« fragte Penelope neugierig.
»Ich habe den Atlantik zweimal überquert«, entgegnete er vergnügt lächelnd. »Ich mußte das zweimal tun, weil ich sonst nicht nach England zurückgekommen wäre, Miss Pitt!«
Die Nacht verbrachten sie in einem kleinen Londoner Hotel, Mrs. Dorban nahm ein Auto und fuhr mit Penelope durch den Hyde Park. Das Mädchen war erstaunt und erfreut. Sie hatte sich London immer als einen Haufen niedriger, schmutziger Ziegelhäuser vorgestellt. Der Park machte einen großen Eindruck auf sie. Hinter dem dunklen Grün der Bäume tauchten die Türme und hohen Gebäude der Stadt auf. Sie war begeistert von dem Anblick der herrlichen Blumenbeete und des silberhellen Wassers.
Am nächsten Morgen fuhren sie mit dem Frühzug nach Torquay und erreichten spät am Mittag Borcombe.
Stone House, der Wohnsitz der Dorbans, lag nach der See zu in einer Talmulde der mit Grün bestandenen Dünen. Das Haus war ziemlich unregelmäßig gebaut. Oben von den roten Steinklippen aus konnte man es nicht sehen, und unten war es nach der Küste zu hinter einer Reihe von Ahornbäumen halb verborgen. Es war Ende des achtzehnten Jahrhunderts von einem Mann errichtet worden, der sich völlig von der Welt zurückgezogen und nur noch seinen Liebhabereien gelebt hatte.
Ein ziemlich steiler, enger Weg führte von den Klippen abwärts zu dem Gebäude. Seine schwere Zugänglichkeit war schon seit Generationen allen Handelsleuten ein Dorn im Auge.
Penelope erschien dieses Anwesen wie ein Paradies. Auf abschüssigem Gelände zog sich der Garten hin, in dem farbenprächtige Blumen wild wuchsen oder vom Gärtner gezogen wurden. Unten bildete eine Ziegelmauer die Grenze. Durch ein altes Tor kam man von hier aus auf einem Privatweg – es war eigentlich weniger ein Weg als eine Reihe von Steinstufen, die auf einer breiten Felsplatte endeten – zu dem Schuppen, in dem Mr. Dorbans starkes Motorboot untergebracht war. Die Natur hatte hier eine ideale Anlegestelle geschaffen, denn das Bootshaus, dessen Dach von zwei Felsen getragen wurde, lag an der innersten Stelle einer kleinen Bucht und wurde bei stürmischer See durch zwei Felsenriffe geschützt, die ziemlich weit vorsprangen und einen natürlichen Hafen bildeten.
»Entzückend, nicht wahr?« fragte Cynthia gleichgültig. Sie schien sich kaum für solche Dinge zu begeistern oder auch nur zu interessieren, sie war vollkommen auf die praktische Seite des Lebens eingestellt. »Es ist ein langer Weg bis zum Dorf, aber wir haben ein Auto, damit wir nicht hinaufklettern müssen. Können sie eigentlich selbst fahren?«
Penelope nickte.
»Schön. Und jetzt sehen Sie sich Ihr Zimmer an.«
Cynthia führte sie eine breite Treppe empor, dann durch einen langen, dunklen Gang, an dessen Ende das Zimmer lag. Es war klein und einfach eingerichtet, aber es hatte zwei Fenster, durch die man auf die СКАЧАТЬ