Im Sommer, wenn niemand bleibt. Andreas Nolte
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Название: Im Sommer, wenn niemand bleibt

Автор: Andreas Nolte

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783844259650

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СКАЧАТЬ hingen noch die Angebote des Räumungsverkaufs. Der Schmuckhändler hatte seine Schaufenster wieder frisch geputzt. Felix fragte sich, wer wohl so viel Geld übrig hat, diese teuren Uhren und Ringe zu kaufen. Sein Vater erzählte ihm einmal, dass die teuersten Stücke gar nicht ausgestellt würden, sondern im Tresor lägen. Vermutlich hat in dieser Stadt niemand das Geld dafür– so oft Felix vorbeikam, immer funkelten dieselben Brillianten in der Vitrine. Als sie damals zusammen vor dem Geschäft standen, bemerkte sein Vater, es bliebe meist verborgen, wie reich oder arm jemand ist. UND WIE REICH SIND WIR? hatte Felix gefragt, doch da wollte sich Herr Armbruster nicht festlegen: ARM SIND WIR NICHT. ABER AUCH NICHT SO REICH.

      Als Felix zurück nach Hause kam, machte seine Schwester gerade eine Modenschau. Sie verpflichtete ihn als Publikum. Zuerst trat sie in einem kurzen Kleid auf und drehte sich um ihre Achse wie eine Ballerina. „Wie sieht das aus?“ fragte sie.

      „Na ja, deine Oberschenkel“, murmelte Felix.

      „Was ist mit meinen Oberschenkeln?!“ Sie postierte sich vor ihm, die Hände in die Hüften gestemmt.

      „Willst du nun meine ehrliche Meinung hören oder nicht?“ Felix wollte sich schon abwenden, da antwortete sie: „Ja, sag halt schon!“

      „Deine Oberschenkel sind zu stramm dafür.“

      Wortlos ging sie durch die Tür, eine Minute später kam sie in Jeans zurück. Auch die saßen stramm, trotzdem sah es besser aus. Über der Hose trug sie ein T-Shirt, sie hatte jetzt einen ihrer Täuschungs-BHs angezogen. Auch das war zu prall, aber er sagte nichts mehr. Beim Bücken nach ihrem Lifestyle-Magazin schauten über dem Gürtel die Schnüre ihres Tangas hervor, die in der Poritze verschwanden. „Oh, wie schön!“ rutschte es Felix heraus, obwohl er genug von der Schau hatte.

      Kurz stockte sie in ihrer Bewegung. „Was meinst du?“ fragte sie.

      „Na ja, das wär mir aber zu unbequem.“

      „Lass das mal meine Sorge sein!“

      „Na, wenn du es schön findest.“

      „Du bist ja spießiger als Mama!“

      „Wenigstens hast du kein Arschgeweih.“

      Patrizia stand für einen Moment vor ihm, bereit, ihm das Magazin entgegen zu schleudern. Am Ende erhob sie lediglich ihren Kopf und verließ den Raum. Als sie später wiederkam, hatte sie ein längeres T-Shirt an, das bis über die Hüfte reichte. Sie redete nicht mehr mit Felix. Er saß auf dem Sofa und las seine Comics, während sie das Wohnzimmer mit Gläsern und Knabbereien für die Party vorbereitete. Manchmal spürte er ihren Blick– es war klar, dass sie ihn lossein wollte, wenn die ersten Freunde kämen, und genauso klar würde er dann noch hier sitzen!

      Sie wurde immer unruhiger, ab sechs begann sie, die Porzellanfiguren der Mutter in den Schrank zu räumen; auch hängte sie einige Bilder von der Wand. Felix fragte: „Willst du nicht noch die Möbel wegräumen?“

      „Sieht das denn nicht alles scheußlich aus hier?! So bieder, das ist ja peinlich!“

      Felix zuckte mit der Schulter: „Es ist ja nicht deine Schuld.“

      „Was sollen meine Freunde denn für einen Eindruck bekommen?!“ Es war das erste Mal, dass sie zu Hause eine Party gab.

      „Wieviel Leute kommen denn?“

      „Ich hab so zehn Bescheid gesagt.“ Sie schloss ihren Laptop an die Stereoanlage und verstaute die Platten von Herrn Armbruster in einem Bananenkarton. „Hilf mir mal“, forderte sie Felix auf. Sie wartete an dem Karton auf ihn.

      „Ich glaub nicht, dass Papa das mag.“ Die Vinylsammlung ist Herr Armbrusters Schatz; immer wenn er eine Platte auflegt, zelebriert er es mit einem Tuch, das er behutsam über die Rillen wischt.

      „Er weiß ja nix davon.“

      „Ah ja?“ erwiderte Felix, worauf ihn seine Schwester argwöhnisch ansah. „Okay“, sagte sie schließlich, „du darfst eine Weile hier unten bleiben. Vorausgesetzt du belästigst meine Freunde nicht mit deinen Ideen.“

      „Was für Ideen?“

      „Na, du weißt schon: Diese komischen Ideen vom Weltuntergang und wie man uns davor bewahren könnte. Komm, jetzt hilf mir tragen.“ Die Platten waren schwer, sie trugen sie in den Keller. Patrizia nahm einen ganzen Korb voller Weinflaschen mit hoch. „Willst du dich heute wieder betrinken?“ fragte Felix.

      „Das ist nur für meine Freunde. Und außerdem geht dich das gar nichts an.“

      „Wann wollten die denn kommen?“

      „Na, so gegen sieben.“

      Es war viertel vor acht, als es das erste Mal klingelte. Ein junger Mann mit gescheiteltem Haar stand in der Tür. Er brachte Blumen mit und war ordentlich gekleidet. Es war aber nicht der Gast, den Patrizia erwartete. „Ah, du bist es, Torsten“, sagte sie mit eisigem Lächeln und wandte sich sofort um. „Nimm doch im Wohnzimmer Platz!“

      Torsten setzte sich aufs Sofa; nur auf eine Ecke, als wolle er gleich wieder aufspringen und davon rennen. Er lächelte Felix unsicher zu. Der nahm seinen Comic, um weiter zu lesen.

      „Willst du was zu trinken?“ rief Patrizia von der Küche aus.

      „Wenn du ein Wasser hättest!“ rief Torsten zurück. Da es in dem Moment erneut klingelte, würde er wohl verdursten müssen; deshalb holte Felix ihm das Wasser.

      Die nächsten Gäste waren viel lauter: Ein Pärchen, das aneinander gewachsen schien und jemand in Lederjacke und Stiefeln, der viel männliche Luft verströmte. Er hatte einen Ring an der Augenbraue, und ein weiterer hing in seiner Lippe. Patrizia begrüßte ihn aufgeregt– auf ihn hat sie also gewartet, die anderen Gäste dienen nur als Vorwand. Dieser Mann sieht nicht so aus, als würde er noch zur Schule gehen; vermutlich hat er draußen vor der Tür ein Motorrad stehen oder so etwas ähnliches.

      Von nun an musste Felix die Tür öffnen, wenn es klingelte, weil Patrizia nicht mehr von der Seite des Mannes wich. Der hieß Carlos, auf dem Sofa nahm er Platz für zwei ein. Seine Hand legte er auf ihren Oberschenkel, als gehöre der ihm. Er nahm die Hand auch nicht weg, als er die ganze Gesellschaft mit seinen Anekdoten unterhielt. Alle lachten, Patrizia am lautesten. Dazu tranken sie viel Wein, seine Schwester natürlich auch. Torsten saß die ganze Zeit still in einer Ecke, nicht weit von Felix. Er wandte den Blick nicht von den anderen Gästen und Felix schien es, als mache sich der junge Mann im Geist Notizen. Er fragte ihn: „Weißt du, weshalb die alle lachen?“

      „Keine Ahnung“, antwortete Torsten, „ich verstehe so groben Humor nicht.“ Eventuell gebe es da auch gar nichts zu verstehen, fuhr er fort, wahrscheinlich läge es am Wein, dass niemandem das auffalle. Torsten trank die ganze Zeit nur sein Wasser. Er fragte, was Felix außer seinen Comics am liebsten liest. Felix musste nicht lange überlegen: „Am liebsten lese ich Zeitschriften über die neuesten technischen Entwicklungen, beziehungsweise die negativen Folgen, die sie haben können.“

      „Du meinst Katastrophen?“

      „Ist dir etwa noch nicht aufgefallen, dass immer weniger Menschen hier in der Stadt leben?“

      „Das liegt an den Ferien“, vermutete Torsten.

      „Das liegt nicht an den Ferien. СКАЧАТЬ