Название: Lizenz zum Schnüffeln
Автор: Martin Cordemann
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Harry Rhode
isbn: 9783750214439
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„Zeigen Sie mir alles, was Sie über einen Mann namens Frank Prosser da drin haben.“ Ich deutete auf den Computer. Er sah erschrocken auf.
„Das meinen Sie doch nicht im Ernst?“
„Er hat sich auch meine Akte angesehen.“ Ich hob unschuldig die Schultern. „Eine Routine-Sicherheitsanfrage. Ich meine, wir müssen doch auch sichergehen, dass er der ist, der er zu sein vorgibt, oder?“
„Wenn Sie meinen...“ Er gab alles ein.
„Naja, dann werden Sie mich wohl alleine lassen müssen.“ Ich deutete auf den Bildschirm. „Streng geheim!“
Er verschwand und ich las mir alles durch, was es über den Karrieristen ein paar Etagen über mir zu lesen gab. Es war weder interessant noch berauschend. Es sagte nur aus, dass er ein Faible für große Aktionen hatte. Mit großen Aktionen konnte man viel Ruhm ernten. Sie waren sicher für ihn. Wenn was schief ging, fand sich schnell ein Sündenbock, wenn es klappte, war er der Held. Ich hasste das.
Später am Tag erfuhr ich, dass es auch Dinge gab, die er hasste, mal abgesehen von meinem Erscheinungsbild. Wutschnaubend kam er in mein Büro-das-wie-wir-ja-alle-wissen-diesen-Namen-durchaus-nicht-verdiente-aber-dennoch-sympathischer-war-als-Prosser gestürmt und schrie: „Was bilden Sie sich eigentlich ein?“
Das war eine Frage, auf die eine komplexe Antwort von Nöten gewesen wäre, aber ich war ziemlich sicher, dass es nicht das war, was er hören wollte.
„Sie haben in meiner Akte geschnüffelt!“
„Ja.“
„Sie haben nicht das Recht...“
„Doch, das habe ich.“ Aufgebracht näherte er sich meinem Schreibtisch, setzte sich aber nicht auf die Lehne meines Besuchersessels. „Ich bin sogar verpflichtet dazu. Es hätte ja sein können, dass man Frank Prosser umgebracht hat und Sie ein Betrüger sind.“
„Und? Hat man?“
Zu meinem Bedauern hatte man nicht.
„Dann bin ich ja beruhigt, dass Sie zufrieden sind.“
„So kann man das eigentlich nicht nennen. Ach, wo Sie schon mal hier sind: Planen Sie zufällig etwas für die nächsten Tage? Eine größere Aktion vielleicht?“
„Woher wissen Sie...?“
„Sie machen sowas gerne. Habe ich mir sagen lassen. Sagen wir, es steht in Ihrer Akte. Außerdem ist ja wohl eine Aktion fällig, mit der Sie uns und der Öffentlichkeit Ihre Präsenz beweisen wollen. Die Bösewichter werden davon bestimmt überwältigt sein.“
„Tun Sie einfach Ihre Arbeit, Sie Witzbold. Überlassen Sie das Denken mir.“
„Dabei wird nicht viel herauskommen. Bedenken Sie Ihren eigenen Denkfehler: Es ist mein Job zu denken!“
„Mischen Sie sich nicht in meine Angelegenheiten.“ Er drehte sich um und marschierte auf die Tür zu.
Als er sie geöffnet hatte, sagte ich: „Wollen Sie sich nicht setzen?“
Wir mochten uns nicht, soviel stand fest. Und ich hatte das untrügliche Gefühl, dass das erst ein kleiner Vorgeschmack war, nur ein Schlückchen der versalzenen Suppe, die man mit einem kleinen Löffel probiert.
Das reizende Fräulein Rausch kam herein. „Haben Sie Probleme mit ihm?“ fragte sie.
„Er liebt mich, aber ich habe ihm gesagt, dass ich mich nicht mit Leuten einlasse, mit denen ich beruflich zu tun habe.“
Sie lächelte ein Lächeln, das einen einen solchen Grundsatz schnell vergessen lassen konnte. „Wenn ich nur die geringsten Chancen bei Ihnen hätte, würde ich es ja versuchen“, sagte ich. „Aber so ist nun mal das Leben. Falls Sie interessiert sind, rufen Sie mich doch mal an, wenn ich hier rausgeschmissen werde.“ Ich hob eine Braue und sie ging lächelnd raus.
„Ich würde Sie vermissen“, sagte sie und schloss die Tür. Vielleicht war der Tag doch nicht so schlecht. Er begann mir zu gefallen. Doch das sollte sich nach dem Mittagsessen ändern!
Als ich nach dem Mittagessen, das ich leider ohne das ausgesprochen reizende Fräulein Rausch einnahm, zurück in mein Büro-das-immernoch-mehr-Ausstrahlung-hatte-als-Prosser kam, fand ich dort eine Notiz vor, die mich anwies, um Punkt 14.00 Uhr im Chefbüro-das-in-diesem-Fall-diesen-Namen-genausowenig-verdiente-wie-das-meinige zu erscheinen, also vor genau 4 Minuten. Für meine Verhältnisse war ich noch gut in der Zeit. Es stellte sich jedoch heraus, dass jemand anderer anderer Ansicht war. Wütend blickte mich Frank Prosser an, als ich endlich durch seine Tür spazierte. Und das ohne größeren Grund, immerhin war ich der erste der erschien – immer vorausgesetzt, dass die anderen aus meiner Abteilung nicht schon wieder weg waren. Die waren nämlich zu dieser Audienz bei seiner Exzellenz auch eingeladen.
„Mahlzeit“, sagte ich und trat näher. Wieder hatte Prosser seine J. Edgar Hoover-Stellung direkt hinter dem Schreibtisch eingenommen und fixierte mich mit seinen kalten geschäftlichen Augen. Er hatte wieder Fassung gewonnen, war ruhig geworden und wartete ab.
„Bin ich der erste?“ fragte ich scheinheilig, immerhin war ich auf eine derartige Geste der Höflichkeit von ihm nicht gefasst gewesen.
„Wieder zum Scherzen aufgelegt?“
„Kann nicht klagen.“ Was gelogen war. Ich konnte, ich tat es nur nicht. Also machte ich es mir gemütlich und wartete. Weder die Atmosphäre noch mein Gegenüber waren für ein heiteres Gespräch geeignet.
Bald erschienen Lohmann, Schlüter, Sauer, die Fischer, Petermann, Karl Fenting, Gerd Stollner, Alfred Tomberg und Rudolf Cornelius, die anderen Kollegen von der Mordkommission. In zwei Tagen war dies schon die zweite Versammlung, auf der wir alle versammelt waren, es kam nicht oft vor, dass wir uns trafen. Das lag nicht etwa daran, dass wir uns alle nicht leiden konnten, es hing vielmehr damit zusammen, dass es selten derlei Anlässe gab und meistens der eine oder andere irgendwo unterwegs war.
„Meine Dame, meine Herren“, begann Prosser als alle anwesend waren, „Sie scheinen in Bezug auf Ihre Arbeitszeiten unter meinem Vorgänger eine Einstellung gewonnen zu haben, die ich unter keinen Umständen billigen kann.“
Cornelius warf mir einen Blick zu und verdrehte die Augen. Sie alle wussten, was das bedeutete. Prosser war ein Bürohengst, ein Schreibtischstratege, ein Politiker, der selten, wenn überhaupt, einen Tatort besuchte, sich die Nachmittage in Leichenschauhäusern vertrieb oder nächtelang jemanden observierte. Die Beamten der Mordkommission dagegen wussten es. Wie oft hatten wir an unseren freien Tagen Leichen angesehen und Spuren verfolgt? An Tagen, an denen sich Prosser seiner Familie widmete.
„Wie ich es jedem einzelnen von Ihnen bereits mitgeteilt habe, stehen wir, die Polizei, im Blick der Öffentlichkeit. Aus diesem Grund habe ich mich entschlossen, der Öffentlichkeit zu beweisen, dass sie die Steuern nicht nutzlos bezahlt, sondern dass sie Vertrauen in uns setzen kann.“
Fenting wandte sich ab, um sein Grinsen zu verbergen, Cornelius begann zu husten und auch ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Prosser СКАЧАТЬ