Название: Centratur - zwei Bände in einer Edition
Автор: Horst Neisser
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783741800696
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„Wir haben Hunger“, rief Aramar. „Bitte gebt uns eine Brotzeit. Wir werden auch bezahlen.“
„Wir verkaufen nichts!“
„Dann macht doch einmal eine Ausnahme.“
„Ach, lasst mich in Ruhe und verschwindet.“ Die Stimme der Bäuerin klang ärgerlich.
„Brot, Butter und ein Glas Milch werden wir übrighaben, Bäuerin“, sagte plötzlich eine ruhige Stimme.
Der Bauer war aufgetaucht und beruhigte seine Frau. Mit einer Handbewegung wies er den Fremden den Weg in die Küche und hieß sie, sich an dem grob gezimmerten Tisch setzen. Dann holte er wortlos Brot, kaltes Fleisch und einen großen Krug mit kühler Milch aus der Speisekammer. Als seine Gäste versorgt waren, setzte er sich zu ihnen und fragte neugierig: „Was führt euch in unsere einsame Gegend?“
„Wir kommen aus den Bergen. Dort haben wir uns verirrt“, antwortete Horsa.
„Und was wolltet ihr in den Bergen?“ fragte der Bauer misstrauisch. „Ihr macht mir nicht den Eindruck, als würdet ihr zum Vergnügen Bergsteigen gehen. Ausgerüstet für derartige Unternehmungen seid ihr übrigens auch nicht, wie ich sehe.“
Nun begannen alle drei Besucher gleichzeitig mit weitschweifigen Erklärungen. Dabei verwickelten sie sich vor dem schweigenden Bauern so sehr in Widersprüche, dass Aramar schließlich die Gefährten mit einer Handbewegung zur Ruhe brachte und sagte: „Es ist wohl besser, wir sagen die Wahrheit. Wir sind auf der Flucht vor den Soldaten.“
„Das habe ich mir gedacht.“
„Wie kommst du darauf?“
„Heute Morgen waren Reiter in Uniform hier. Sie ritten von Hof zu Hof und fragten, ob drei Landstreicher hier durchgekommen wären.“
„Was hast du geantwortet?“
„Die Wahrheit natürlich, nämlich nein. Aber man trug uns auf, Boten zur Oststraße zu schicken, wenn jemand auftauchen sollte. Dort wären stets Patrouillen anzutreffen. Doch nun heraus mit der Sprache, wer seid ihr und weshalb werdet ihr gesucht?“
„Mein Name ist, äh“, mischte sich nun Mog räuspernd ein, „mein Name ist Bilg, Bilg aus Weststadt. Und dieser alte Mann heißt Bruchhagen und kommt aus dem Osten.“
Er wollte gerade auch Horsa mit einem falschen Namen vorstellen, da sagte dieser rasch: „Ich habe es nicht nötig, mich zu verleugnen.“
Er stand auf und reckte sich zu seiner vollen Größe. Seine vornehme Herkunft war nun für jedermann erkennbar. Dann erklärte er stolz: „Mein Name ist Horsa. Mein Vater, Pet aus der Familie der Hagen, ist der Markgraf vom Heimland. So und nun kannst du die Schergen rufen!“
„Warum sollte ich jemanden rufen?“ fragte der Bauer und lächelte verschmitzt. „Aber zuerst einmal heiße ich euch unter diesen neuen Umständen noch einmal und umso herzlicher willkommen.“ Dann wurde sein Gesicht ernst. „Ich glaube, ich habe keine guten Nachrichten für euch. Vor zwei Wochen kam hier ein verwundeter Reiter an. Er trug die Rüstung der markgräflichen Soldaten. Mitten auf dem Hof stürzte er von seinem Pony. Das einzige was er sagen konnte, war: ‚Abtrünnige haben mich überfallen. Ich bitte euch, verbergt mich.'
Wir trugen ihn auf den Heuboden und machten ihm ein Bett. Dort liegt er noch immer in tiefer Ohnmacht. Ich weiß nicht, ob er überleben wird. Meine Frau kümmert sich Tag und Nacht um ihn. Ständig hat sie Angst, er könnte entdeckt und fortgeschleppt werden. Sie erschrickt über jeden Fremden, der auf unseren Hof kommt. Deshalb war sie auch so abweisend zu euch."
„Hat der Reiter irgendetwas über meinen Vater gesagt?" fragte Horsa hastig.
„Nein, aber er hatte ein Bündel bei sich, das er an seiner Brust barg, und das er noch krampfhaft umklammerte, als er längst ohnmächtig geworden war. Wir haben es ihm vorsichtig entwunden, aber bisher nicht geöffnet. Es trägt das markgräfliche Siegel. Wir wussten nicht, ob wir es untersuchen durften. Aber Ihr seid aus der Familie unseres Herrn. Für Euch ist das Siegel kein Hindernis."
Der Bauer stand auf und ging hinaus. Als er zurückkam, legte er vorsichtig ein seltsames Päckchen auf den Tisch. Es war ein blaues Tuch, dessen vier Enden verknotet waren. Der Stoff war verblasst und schmutzig und auf einer Seite von Blut befleckt. Deutlich konnte man noch das gestickte Wappen erkennen. Der Knoten war mit einer dünnen Schnur umschlungen, die ein rotes Siegel trug. Vorsichtig nahm Horsa das Bündel, brach das Siegel und löste den Knoten. Tränen standen ihm in den Augen. Zum Vorschein kamen zwei goldene Uniformlitzen, ein Ring, ein seltsames metallenes Ding, das golden glitzerte, und ein eng zusammengefaltetes Stück Papier. Vorsichtig nahm Horsa den Ring und sah ihn lange an.
„Es ist der Ring meines Vaters“, sagte er.
Dann untersuchte er die goldenen Schulterklappen. Auch bei ihnen bestätigte er, dass sie dem Markgrafen gehört hatten. Schließlich entfaltete er vorsichtig das Papier und las laut vor:
„Diese Gegenstände sind meinem Sohn Horsa zu übergeben. Er ist von nun an der rechtmäßige Herrscher über das Heimland. Ich gebe hiermit das vom König empfangene Lehen, das ich nach meinen besten Kräften und mit lauteren Absichten verwaltet habe, an meinen Sohn weiter. Möge der Segen des Himmels auf ihm ruhen, möge er walten zum Wohl des Heimlands und seiner braven Bewohner. Möge er geschützt sein vor allen Unbilden, Gefahren, Lug und Trug."
Horsa konnte nicht weiterlesen. Tränen rannen ihm über die Wangen, und die Stimme versagte ihm. Endlich nahm er das Papier wieder auf und las weiter.
„Mein lieber Sohn,
wenn du diese Zeilen in den Händen hältst, so bin ich sicher nicht mehr am Leben. Ich muss dir gestehen, dass ich nach Whyten nicht nur aufgebrochen bin, um Meliodas die letzte Ehre zu erweisen. Ich habe auch versucht, das wird mir nun immer klarer, vor den Problemen in unserer Familie davonzulaufen. Erspare mir bitte, dich einzuweihen. Die Kenntnis all der widerlichen Begebenheiten der letzten Monate würde dich nur allzu sehr belasten.
Aber es gab noch einen anderen Grund für diese Reise. Nun, da das Alter mich bereits zu zeichnen begonnen hat, wollte ich zurück an die Stätten der großen Zeit meines Lebens. Zu den Orten, wo ich einmal wirklich Mut gezeigt und mir Freundschaft verdient hatte. Nie mehr bin ich später so glücklich gewesen wie damals in all dem Leid, der Angst und der Gefahr. Doch man kann das Vergangene nicht zurückholen, und so stand unsere Fahrt unter keinem guten Stern.
Zunächst ritten Marrham und ich mit unserem Gefolge den Tabakweg hinab. Noch bei der Welmfurt, der Brücke über den Erfstrom, schien alles friedlich. Aber in Rudia hatten die Bewohner alle Tore der Stadt geschlossen und verwehrten uns den Eintritt. Wir rasteten zwei Tage vor Rudia, und obgleich wir wirklich keinen Anlass zu irgendeinem Misstrauen gaben, öffneten sich die Tore zu keinem Zeitpunkt. Auch, und dies war besonders seltsam, bekamen wir keinen der Bewohner zu Gesicht. Auf der Alten Südstraße wollten wir das Paradland durchqueren.
Dort gerieten wir in einen Hinterhalt. Wir hatten in einem kleinen Wäldchen nach langem Suchen eine Quelle gefunden und unser Lager aufgeschlagen. In der Nacht wurden wir angegriffen. Die meisten unserer Wachen hat man hinterrücks ermordet. Bevor wir alle erwacht und kampfbereit in Stellung gehen konnten, СКАЧАТЬ