Название: Zwischen meinen Inseln
Автор: Ole R. Börgdahl
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783847621041
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Brisbane, 30. September 1914
Wir waren wieder zur Untersuchung. Es ist soweit alles in Ordnung. Der Doktor sagt aber, wir müssen darauf achten, dass Toms Rücken immer hübsch gerade ist. Er möchte es sich in einem halben Jahr noch einmal ansehen. Ich weiß nicht, ob mich das beunruhigen soll. Onoo war immer kerzengerade und muskulös und ich bin doch auch nicht krumm und Vater auch nicht. Wir werden Tom schon einen geraden Rücken vererbt haben.
Brisbane, 3. Oktober 1914
Ich blättere in meinem Tagebuch. In den letzten beiden Monaten habe ich fast nur über den Krieg in Europa berichtet, alles andere steht zurück und das erschreckt mich.
Brisbane, 17. Oktober 1914
Ich schreibe ab heute auf Portugiesisch, es wird also am Anfang wieder etwas merkwürdig klingen. Ich warne mich selbst und hoffe, wenn ich diese Zeilen in ein paar Jahren einmal wieder lese, noch zu begreifen, was hier jetzt steht. Ich merke, dass ich einige spanische Wörter einfließen lasse, das muss ich unbedingt abstellen. In meinen ersten spanischen Aufzeichnungen musste ich auch viel herumkritzeln, immer wieder durchstreichen und neu schreiben. Eigentlich ist es etwas schade, weil ich mir doch sonst so viel Mühe gebe, in meinem Tagebuch sauber und ordentlich zu schreiben. Vielleicht werde ich künftig auch alles auf einem Zettel vorschreiben und erst dann in mein Tagebuch übertragen, das hätte ich vielleicht gleichmachen sollen.
Brisbane, 3. November 1914
Das Osmanische Reich hat sich den Deutschen und Österreichern angeschlossen und führt nun auch Krieg gegen England.
Brisbane, 5. November 1914
Der Krieg in Europa ist natürlich seit Wochen das große Thema auf dem College. Es erscheint mir alles wie aus einer anderen Welt. Natürlich ist die Welt näher zusammengerückt, das, was in Europa geschieht, erreicht uns unmittelbar in Form der Nachrichten. In den Kinos gibt es bereits Filme, die den heroischen Aufmarsch zeigen und auch die Schlachtfelder nicht auslassen. Längst hat auch Australien mobilgemacht und seine Söhne an den Ort des Geschehens geschickt. Australien und das ferne England sind stark miteinander verwoben und kämpfen gegen einen gemeinsamen Feind, der ebenfalls fern unserer Vorstellung ist.
Brisbane, 11. November 1914
Nach Deutsch Neuguinea sind jetzt auch die Inseln Bougainville und Buka, die zu den Salomonen gehören, von australischen Streitkräften besetzt. Es bleibt nicht mehr viel vom deutschen Einfluss im Pazifik übrig.
Brisbane, 30. November 1914
Australische Truppen sind schon seit Anfang des Monats auf dem Weg nach Ägypten in Nordafrika, um dort stationiert zu werden. Wo sie dann kämpfen werden, ist wohl nur den Befehlshabern bekannt.
Brisbane, 10. Dezember 1914
Paris ist wieder so sicher, dass die französische Regierung aus dem Exil zurückgekehrt ist. Die deutschen Truppen sollen aber keine sechzig Meilen von der Stadt entfernt die Front errichtet haben.
Brisbane, 25. Dezember 1914
Es war das erste Mal, dass Tom richtig begriffen hat, was Weihnachten ist. Es sind nicht die Geschenke, die hat er im letzten Jahr auch schon bekommen. Wir haben uns heute Nachmittag ein Krippenspiel angesehen und Tom war ganz fasziniert. Auf dem Rückweg hat er die ganze Zeit von dem Christuskind gesprochen. Vater meint allerdings, dass Tom sich mehr für die Tiere im Stall interessiert hat. Bei dem Krippenspiel gab es richtige Tiere, einen Esel und drei Schafe und unpassenderweise auch ein halbes Dutzend Hühner.
1915
Brisbane, 5. Januar 1915
In den Ferien habe ich kräftig Holländisch gelernt. Ich habe viel gelesen und übersetzt. Jetzt will ich auch in meinem Tagebuch auf Holländisch schreiben, mit dem Spanischen und Portugiesischen ging es doch recht gut. Ich bin beim Holländischen aber noch mehr darauf angewiesen vorzuschreiben, ansonsten müsste ich jedes zweite Wort durchstreichen, oder ganze Sätze, wenn ich am Ende merke, dass die Stellung der Wörter nicht stimmt. Ich habe ein Ziel, irgendwann möchte ich jederzeit zwischen den Sprachen umstellen können. Wenn jemand mir zuruft, denke und schreibe auf Spanisch, dann möchte ich es ohne Zögern können, ebenso mit dem Portugiesischen und dem Holländischen. Ich habe auch schon überlegt, mir drei Karten zu schreiben, für jede Sprache eine, und sie vor jedem Tagebucheintrag verdeckt zu ziehen. Steht auf der Karte Holländisch, so schreibe ich sofort auf Holländisch, ist es die spanische Karte, dann schreibe ich auf Spanisch und so weiter.
Brisbane, 7. Februar 1915
Ich bin gestern das erste Mal seit Monaten wieder ausgegangen. Wir waren zu fünft, eine ledige Mutter und zwei ehrbar verheiratete Paare. Olga und Helen habe ich letztes Jahr auf einem Wohltätigkeitsball kennengelernt. Sie sind auch Mütter und zum Glück etwa in meinem Alter. Sie haben aber jede ein Mädchen und ich habe sofort an potentielle Bräute für meinen Tom gedacht. Olga ist mit John verheiratet, John I, denn Helens Mann heißt ebenfalls John, John II und so nennen wir sie auch, wenn wir zusammen sind. Der gestrige Nachmittag hatte eine Besonderheit, denn wir haben einen dritten John kennengelernt, den wir aber nicht John III nennen, sondern John B., weil sein zweiter Vorname Bernhard lautet, John Bernhard Altsmith. Olga meint, dass John B. mich kennengelernt hat und nicht ich ihn und das kam so. Wir haben natürlich nicht auf die Pferde gesetzt, wir haben kein Geld gesetzt, wir haben aber untereinander gewettet und jeder hat seinen Favoriten für die Rennen genannt. Zweimal lagen wir alle daneben. Beim dritten Mal stand John B. hinter uns, als wir am Führring wieder über die möglichen Sieger des nächsten Rennens gesprochen haben. Ich hatte mir Beach gewählt, einen mutig aussehenden Fuchs und John B. verkündete plötzlich, dass er sofort auf mein Pferd setzen wolle. Wir waren natürlich überrascht. John I und John II haben nur geklatscht und für mich die Hälfte des Gewinns gefordert, falls tatsächlich Beach siegen würde. Wir haben John B. zum Wettschalter begleitet. Beach hat natürlich nicht gewonnen. Nach dem vierten Rennen haben wir dann die Rennbahn verlassen, diesmal zu sechst. Den Rest des Nachmittags haben wir in einem Café verbracht. Am nächsten Sonntag will John B. wieder auf der Rennbahn sein und er erwartet auch mein Kommen. Ich fürchte er ist mein erster Kavalier, seitdem ich in Brisbane lebe.
Brisbane, 10. Februar 1915
Helen und Olga haben mich ganz verwirrt. Sie drängen mich am Sonntag wieder die Rennen zu besuchen. Erst wollte ich natürlich nicht. Dann habe ich es doch zugesagt, vorläufig. Ich werde aber nur gehen, wenn mich Olga und Helen und die beiden Johns wieder begleiten. Diese Woche habe ich noch viel zu tun. Ich muss mich auf einige Prüfungen vorbereiten und noch eine ganze Reihe Bücher lesen. Anfang März geht es mit den Prüfungen los und ich hoffe, dass ich meinen ersten Abschluss nach zwei Jahren auf dem College schaffe. Eine schöne Vorbereitung für die mündlichen Prüfungen ist der Diskutierkreis, den ich zweimal in der Woche besuche, am Dienstag- und Donnerstagnachmittag. СКАЧАТЬ