Название: Die Recherche
Автор: Werner Siegert
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783738069792
isbn:
Am nächsten Morgen rief überraschend Miss Piggy an. Sie sei gerade in der Nähe. Ob man sich treffen könnte. In der Nähe? Ach ja, Miss Piggy hatte ja ihre Adresse. Einfach mal die Straße in ihr Navigationsgerät eingegeben und festgestellt, dass das ja sozusagen um die Ecke sei. Sie verabredeten sich in einem Bistro.
Irgendwie fand sie das putzig, schon am frühen Morgen mit einer prall herausgeputzten Frau in einem Schwabinger Bistro zu frühstücken. Ob sie dabei erspäht würde? Von Nachbarn? Diese Frau war nicht zu übersehen. Etwas zu viel Make-up. Das Blondhaar in einer Dauerwelle gebändigt. Der Busen gesäumt mit einem dunkelroten Spitzenbesatz. Miss Piggy heißt mit richtigem Namen Brigitte Kurz. Sie ist Finanzberaterin für Frauen. Freiberuflich. Das ist ihre Nische. Sie habe ja eine Banklehre abgeschlossen und nebenher bei einer Fern-Akademie Betriebswirtschaft studiert. Als die Bank Hunderte von Mitarbeitern entlassen habe, um profitabler zu werden, sei sie natürlich als Ledige mit dabei gewesen. Bei der Bank habe sie stets darunter gelitten, dass sie Kunden und vor allem unbedarften Kundinnen habe Finanzprodukte verkaufen müssen, die alles andere als profitabel waren. Aber sie musste ja ihr Soll erfüllen im Verkauf bankeigner Engagements. Sonderboni gab es für schlappe Ladenhüter.
„Als ich dann auf der Straße stand, habe ich sozusagen Rache geschworen! Ich kenne ja genügend lukrativere Finanzanlagen. Insbesondere auch solche, die die Banken selber nutzen, aber ihren Kunden vorenthalten. Einige Kundinnen kannte ich noch. Mit denen habe ich Verbindung aufgenommen. Mit zwei Kundinnen habe ich dann angefangen, mein eigenes Geschäft aufzubauen. Schnell wurde ich weiter empfohlen. Wenn Frauen erst einmal Blut geleckt haben, heißt, dass sie auf ihren Kontoauszügen schöne Gutschriften vorfinden, dass sie Geld abheben können, dann werden sie sowas von geldgeil! Frauen wissen immer, was sie mit Geld machen können: Shoppen, Kleider, Schuhe, insbesondere aber gibt es ein ganz großes Ziel: ein Sportwagen-Kabrio fahren. Das ist das Höchste! Meine Kundinnen sind ja fast alle unverheiratet, geschieden, in lockeren Beziehungen! Was glaubst du, was ich da zu sehen bekomme, wenn ich in den Abendstunden meine Kundentermine wahrnehme. Tagsüber arbeiten die ja. Aber abends! Da könntest du für deine Lesben-Recherche fündig werden. Denn natürlich sind da auch fanatische Lesben dabei, bei denen zu ihrer Geldgeilheit auch noch das Kämpferische hinzutritt: Den Männern paroli zu bieten. Nach außen zu demonstrieren, dass man diese Männchen, diese Drohnen, diese Schwachköpfe nicht braucht.“
Bettina spürte wieder ihre Unsicherheit. Das selbstverständliche Du. Miss Piggy – auch eine Lesbe? Oder nur auf Kundenfang? Bettina und Geld anlegen? Woher soll das kommen?
„Und wie weit bist du nun mit deiner Recherche gekommen?“
Bettina berichtete nun von Mandy, von diesem ersten tapsigen Desaster. Und von Edwinas Glamour-Shop. Und davon, dass sie eigentlich noch gar nicht so richtig fündig geworden sei.
„Den Glamour-Shop, den kenne ich. Edwina ist ja meine Kundin. Eine prima Frau. Sehr tüchtig. Die muss ja auch einiges sublimieren. Irgendwo müssen sich ja ihre verdrängten sexuellen Energien niederschlagen. Aber wenn du mal in so ein Szene-Lokal reinschnuppern willst, lass uns doch mal zusammen gehen!“
Als sie sich verabschiedeten, hatte Bettina schon wieder eine Freundin gewonnen – obwohl sie es gar nicht darauf angelegt hatte. Ja, sich sogar gegen dieses Bild wehrte. Zurück in ihrer kleinen Wohnung warf sie sich auf das noch nicht gemachte Bett. Sie trommelte mit den Fäusten auf ihr Kopfkissen. Warum? „Bettina, Bettina“, sagte sie schließlich zu sich selbst, „du zappelst wehrlos gleich in zwei Spinnennetzen - im Lesbennetz und in Piggys lockenden Geldverheißungen!“ Das hatte sie ja nur noch mit einer Notlüge abwenden können, dass diese Brigitte mit zu ihr hinauf in diese bescheidene, nicht aufgeräumte Bleibe gekommen wäre. Ob sie nicht auch ein paar Scheine mehr gebrauchen könnte, hatte sie gefragt. Und wie sie denn bisher ihr Geld angelegt hätte. Als ob sie überhaupt Geld zum Anlegen hätte. Aber das wollte sie natürlich nicht zugeben. Und was, wenn die geschäftstüchtige Blonde mehr gewollt hätte als nur einen Vertragsabschluss? Vor ihren Augen pendelten zwei prächtige Brüste, eingefangen von zarter dunkelroter Spitze. Sie blickte wie in einem Traum in das lieblich runde Gesicht, eingerahmt vom üppigen Blondhaar. Nein, das war keine Mandy. Das war Sinnenfreude in Person. Bettina musste ihre Hände disziplinieren. Ach, käme doch jetzt ein Michael oder Gregor und würde sie zurückvögeln in die Heterowelt! Würde die Spinnweben zerreißen wie einst der Prinz Dornröschens Rosenhecke. Jetzt würde sie sich ficken lassen. Gerade weil ihr dieses Wort verhasst war. Jetzt brauchte sie einen brutalen Orgasmus, um wieder ins Lot zu kommen. Und einen Cognac.
Ein Gregor? Ach, der ist verheiratet. Ist Familienvater! War ja immer nur ein Geschäftsreise-Fick. Amüsant. Sein Hotelzimmer blieb leer. Das Bett nur oberflächlich verwühlt. Gekuschelt wurde bei ihr. Und Wiedersehen gefeiert. Man kannte sich seit „hundert Jahren“.
Und Michael? Die Wonnemonate waren im Nu verflogen. Verflogen die Träume vom gemeinsamen Leben. Nach dem Reiz des Neuen, nach dem Luxus, den er zu verbreiten wusste, ohne ihn sich letztlich leisten zu können, da war nur noch Sex. Ausgehen und Sex. Sex und Ausgehen. Keine Gespräche mehr. Nicht das Bemühen um Empathie. Kaum noch die Frage „Wie geht’s dir?“ Eher der Blick in den Kühlschrank und der Griff nach Alkoholischem. Und Rauchen. Ohne zu fragen. Rauchen vor dem Sex, Rauchen nach dem Sex. Und schließlich die Sonja! Die peinliche Panne, dass sich die Sonja bei ihr nach Michael erkundigte. Ob sie wüsste, dass er eine andere hat. Rauswurf.
Bettina war zunehmend erregt. War da noch irgendwo ihr Summsebrumm, oder hatten die Batterien ausgedient? Und woher die Phantasien nehmen? Kissen zwischen die Schenkel – die tun es ja nicht. Nur nicht an Piggys Brüste denken. Nein, was war denn ihr erotischstes Erleben? Was in der nach oben offenen Bettina-Skala? War das mit Lukas, ihrem 15jährigen Neffen, mit dem verklemmten Pfarrerssohn, den sie nach Strich und Faden verführt hatte?
Ach Lukas! Wie stand er schüchtern vor ihrer Tür! Klassenfahrt nach München. Den Abend zur freien Verfügung. Bis spätestens 22 Uhr wieder in der Jugendherberge. Statt mit den anderen auf die Sause zu gehen, Hofbräuhaus mindestens, sollte er Tante Bettina einen artigen Besuch abstatten. Mit Blumenstrauß in der Hand. Tante! Eine Tante hatte er sich anders vorgestellt. Älter, grauhaarig, mit blassen Wangen. Stattdessen öffnete ihm ein junges Weib. Im Minirock. Und freizügiger Bluse. Grüß Gott, mein lieber Lukas, und lass mal die Tante weg. Ich bin Bettina. Und wir machen es uns jetzt richtig gemütlich. Hatte sie es darauf angelegt? Ja, ein wenig schon. Pastorensohn – das hatte sie provoziert. Sie wusste, wie eng es bei Pastors zuging. Besonders bei ihrem verklemmten Bruderherz! Und nun dieser junge Mann, hochgeschossen, braungebrannt, kräftig. Sie nahm ihn gleich in ihre Arme. Schön, dich endlich mal richtig kennenzulernen. Erzähl doch mal. Hast du eine Freundin? Er musste erst auftauen. Sie hatte Kaffee und Kuchen gedeckt. Der Kaffee wurde kalt. Der Kuchen auf später verschoben. Prosecco war angesagt. Viel Prosecco. Nein, eine richtige Freundin hätte er nicht. Nur aus der Klasse eine, die öfter mal Schularbeiten mit ihm machte. Sehr evangelisch. Aus der Öko-Gruppe. Rettet den Regenwald und so.
Die Sonne spielte mit. Es war ein heißer Sommertag. Dementsprechend warm war es auch in ihrer Wohnung. Der Anorak blieb nicht lange allein am Haken. Ihm folgte das T-Shirt. Gemeinsam schauten sie erst eine Weile über das Häusermeer von Schwabing. Sie legte – nur so – ihren Arm um seine Schultern. Massierte ihn ein bisschen. Was ihm offensichtlich sehr behagte. Kannst mich nachher auch ein bisschen massieren. Ich bin immer verspannt von der Schreiberei am PC. Machte ihn neugierig. Was schreibst du denn so? Na ja, da gibt es so Texte. Intime Texte. Dann Massage. Natürlich war der BH-Straps im Weg. Meinte sie. Um die Häkchen aufzumachen, war Lukas noch zu ungeschickt. Alles weitere lief dann eigentlich wie von selbst. Als sie sich umdrehte und er mit riesigen Augen und erröteten Wangen ihre Brüste aufragen sah. Der Vorteil kleiner Brüste, dass sie keck sind. Spitz. Ja, da wurde auch Lukas spitz. Eine Tante vögeln? mag er sich gedacht haben. Bettinas Hände ließen keine Zweifel daran, welche seiner Körperteile sie jetzt gern massieren würde. Aber das ging dann schief. Hätte sie wissen müssen. Auf einmal – Lukas konnte seine Jeans nicht mehr schnell genug runterziehen – СКАЧАТЬ