Название: Der dunkle König
Автор: Eckhard Lange
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742772442
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Auch Jonathan, der Sohn, hatte eine Schar junger Männer gesammelt. Auf einem nahegelegenen Acker Sauls hatten sie sich Lehmhütten errichtet, ein hoher Zaum umgab den ganzen Platz, damit keiner der Philister sehen konnte, wie sie Tag für Tag den Waffengang übten. Noch konnte der König ihnen keinen Sold zahlen, die Ältesten zögerten, in ihren Stämmen Abgaben zu erheben. Brot und Gemüse, Wein und Bier erhielten sie aus den Vorräten Sauls. Manchmal wünschte sich der König, er hätte gleiche Macht wie die Stadtfürsten dort unten in der Ebene, doch dann schalt er sich selbst: Allein Jahwe hatte das königliche Recht zu fordern. Freiwillig mußten die Gaben der Sippen sein, so wie sie die Opfer stellten für die Altäre Jahwes.
Die Sonne hatte ihre Höhe erreicht, es war heiß auf dem steinigen Ackerboden. Saul winkte seinen Knechten, daß sie zusammenkommen sollten, um im Schatten einiger Sträucher zu rasten und den Wasserschlauch kreisen zu lassen. Plötzlich rief einer der Knechte laut und wies den Hang hinunter. Saul folgte mit dem Blick. Dort stieg eine Rauchsäule empor, zu stark, um von einem Herd zu kommen. Auch die Äcker wurden noch nicht niedergebrannt, überall waren die Nachbarn bei der Ernte. Keiner hätte gewagt, ein Feuer zu entzünden, solange noch Weizen irgendwo auf dem Halm stand. Der König beschattete die Augen, um besser sehen zu können, und dann erkannte er: Der Rauch kam nicht aus Gibea, sondern wirbelte aus der Niederlassung der Philister auf. Sollte eine der Unterkünfte in Brand geraten sein? Mußte man den Fremden helfen, die doch stets Abstand hielten zu den Bewohnern Gibeas?
Da sah er, wie jemand den Hang heraufgelaufen kam, und rasch erkannte er die Gestalt: Es war Merab, seine älteste Tochter. Atemlos trat sie auf den Vater zu, brauchte eine Weile, ehe sie wieder sprechen konnte. Und dann hörte Saul die Botschaft, die ihn plötzlich und unerwartet zum Handeln zwingen sollte: "Jonathans Männer haben die Philister überfallen," keuchte Merab. "Sie haben die Häuser in Brand gesteckt." "Und die Philister?" fragte der König. "Man hat sie überrascht, sie sind erschlagen. Alle!" Saul hatte Mühe, seinen Zorn nicht an der Botin auszulassen. Ja, Jonathan hatte schon länger gedrängt, endlich die Philister aus Gibea zu vertreiben. Aber der König hatte abgewinkt. Nun also hatte sein eigener Sohn des Königs Weisung mißachtet, mutwillig den Kampf eröffnet.
Strafwürdig war die Tat, aber das änderte nichts daran, daß der Frieden gebrochen war. Sollte er jetzt seine Leibwache und ihren Anführer zur Rechenschaft ziehen? Jetzt, wo er jeden Kämpfer brauchen würde? Selbst wenn er sie dem König von Ekron ausliefern würde, es würde nichts mehr ändern. Der Sohn des Königs hatte Ekrons Männer getötet, hatte den König und den ganzen Stamm Benjamin stinkend gemacht bei den Philistern. Saul wußte: Nun mußte er handeln, und er mußte rasch handeln, ehe die Städte sich zusammenschlossen gegen Israel.
Kriegstagebuch Sauls, aufgezeichnet von seinem Schreiber Ahasja in Gibea
Im dritten Jahr des Königtums überfiel Prinz Jonathan ohne Befehl des Königs die Garnison der Philister in Gibea und tötete die überraschte Besatzung. Als der König Isch-Achon von Ekron danach ein Heer zusammenstellte, rief Saul kraft seines Amtes die Stämme Benjamin und Ephraim zu den Waffen und versammelte den gesamten Heerbann am Heiligtum von Gilgal, um die vorgeschriebenen Opfer vor dem Kampf vollziehen zu lassen. Während die Männer Israels dort vergeblich auf den Seher Samuel warteten, schlugen die Truppen Isch-Achons ihr Lager nördlich von Michmas auf und verbreiteten durch Überfälle und Plünderungen Angst und Schrecken unter der Bevölkerung. Daraufhin sah sich der König gezwungen, das Opfer selbst zu vollziehen, und führte die Truppen nach Geba, das jenseits es des Wadi Es-Weni Michmas gegenüber liegt.
II.
Das Heer, das König Saul aufgeboten hatte aus allen Stämmen Israels, versammelte sich in Gilgal, der großen Opferstätte, um sich zu heiligen und zu rüsten für den Kampf gegen die Philister. Samuel, der Seher aber hatte sich verborgen aus Angst vor den Feinden. So war niemand da, der das Opfer vollziehen konnte und den Herrn, den Gott Israels, anrufen konnte. Vergebens hatte man nach dem Seher geschickt, und die Zeit verrann.
Da trat Abner, Sauls Vetter und Führer des Heerbanns, in das Zelt des Prinzen Jonathan: "Wir können nicht länger warten. Jede Stunde, die nutzlos verrinnt, kostet uns ein Stück des Sieges."
"Ich weiß, Onkel," antwortete Sauls Sohn. "Ich leide wie du. Schließlich habe ich die Philister provoziert, mit meinen Männern die Besatzung von Gibea überfallen und getötet. Da waren wir im Vorteil, denn es dauert seine Zeit, bis ihre Könige sich einigen und ihre Truppen zusammenziehen. Groß sind die Gegensätze zwischen den Fürsten dort, und noch sehen sich die Städte im Süden und im Norden nicht bedroht. Es war der Plan des Vaters, anzugreifen, ehe die Koalition der Philister steht. Nur so kann uns ein Sieg gelingen: Wir müssen sie einzeln schlagen, müssen sie in die Berge locken, die unseren Männern vertraut sind und die sie hindern, in breiter Schlachtordnung aufzuziehen. Noch stehen die meisten ihrer Kampfwagen weit entfernt am Fuße der Berge. Noch ist die Zahl der Feinde gering, noch kann uns der Sieg gelingen."
"Ich weiß." Abner nickte, dann schlug er wütend mit der Faust gegen sein Kurzschwert, das ihm vom Gürtel hing. "Aber die Zeit spielt gegen uns. Unsere Männer sind schlecht bewaffnet, zu Hause wartet bei den meisten noch die Ernte auf ihre Arbeitskraft. Und die Gerüchte machen die Philister in ihren Augen größer und stärker mit jedem Tag. Angst läuft um im Lager, und stündlich schleichen sich ganze Gruppen davon. Ich kann sie nicht hindern. Frei ist jeder, dem Heerbann zu folgen - frei, solange nicht Jahwe selbst durch Opferschau und Seherspruch zum Kampf ruft. Was uns Kraft schenken soll, was uns ermutigen und begeistern soll, es wendet sich nun gegen uns."
Jonathan trat an die Tür des Zeltes und blickte hinaus. Er sah die Feuer brennen, von den Männern umlagert, hörte das Murmeln und Reden - verhalten klang es, und wie es schien, auch furchtsam und voller Sorgen. "Ich habe mit dem König gesprochen. Ich habe den Vater gewarnt vor den Folgen. Wir müssen handeln, die Männer halten, zusammenschweißen, wir müssen ihnen ihren Glauben zurückgeben an Jahwes Stärke. Aber Saul zögert. Er ist König, nicht Priester, nicht Seher. Es ist nicht sein Amt zu opfern."
"Er ist König." Abner sagte es mit bitterem Nachdruck. "Und es ist Krieg. Wenn die Vertreter des Glaubens nicht handeln, wenn sie sich feige verkriechen, dann sind die Sitten, die alten Ordnungen nichts mehr wert. Dann muß der König handeln, selber Glauben wecken, neue Sitten bestimmen, eine neue Ordnung schaffen. Dann ist der Herrscher gefragt, Verantwortung zu tragen für das Wohl des Volkes - für seine Freiheit, für den Kampfgeist und die Siegesgewißheit der Männer."
"Vater weiß das längst, weiß das alles. Aber er möchte den Konflikt vermeiden mit den starken Kräften des alten, vertrauten, überlieferten Glaubens. Er hat längst die Opfertiere bereitgestellt, den Altar aufgerichtet. Doch noch zögert er vor dem letzten, entscheidenden Schritt. Noch zögert er, den Mann zu verletzen, der ihn zum König gesalbt hat im Namen Jahwes."
"Die Philister aber zögern nicht, und das wird uns zum Verhängnis werden," entgegnete der Heerführer. "Sprich noch einmal mit deinem Vater, Jonathan, dränge ihn. Er muß den Kampf beginnen, ehe die letzten unserer Männer mutlos davongegangen sind. Er muß das Opfer selbst vollziehen, wenn Samuel nicht erscheint. Schließlich hat er den Tag selbst festgelegt, und siebenmal ist die Sonne untergegangen, ohne daß der Seher gekommen ist."
Jonathan reichte dem Älteren die Hand: "Ich gehe zum König. Ich werde es versuchen. Ich weiß, er schätzt den Rat des Sohnes." Und so geschah es. Er trat in das Zelt Sauls, der ruhelos auf und ab schritt. Er grüßte und stand schweigend vor dem Vater, wartete auf dessen Zeichen zu reden, wie es die Sitte gebot.
"Ich weiß, Jonathan, ich weiß, was du sagen willst." Der König unterbrach seine rastlose Wanderung zwischen den Wänden des Zeltes. "Und du hast recht." Er legte dem Sohn die Hand auf die Schulter und blickte ihn an. "Ich will das Alte nicht stürzen, und СКАЧАТЬ