Название: Irgendwann krieg ich Dich
Автор: Irene Dorfner
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Leo Schwartz
isbn: 9783742732682
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Leo las die Daten auf dem Bildschirm. Und tatsächlich: Simon Maurer war in Frankreich.
„Und das ist absolut sicher? Keine Manipulation möglich?“
„Noi, die Daten stimmen absolut. Simon war in Frankreich, daran gibt es keinen Zweifel.“
„Wer außer Ihnen hat noch mit der Einteilung der Fahrer zu tun?“
„Sie vermuten trotzdem eine Manipulation? Können Sie vergessen, außer mir teilt niemand die Fahrer ein. Das ist allein meine Arbeit, leider. Meine Kollegin, die sie vorhin kennenlernen durften, ist zu nichts zu gebrauchen. Entschuldigen Sie, aber die Wahrheit muss nun mal gesagt werden, auch wenn sie die Cousine vom Chef ist. Wir sind schon lange auf der Suche nach einer vernünftigen Arbeitskraft, aber das ist echt schwierig, Sie glauben nicht, wer sich hier vorstellt, wenn überhaupt jemand kommt. Diejenigen, die vom Arbeitsamt zu uns kommen wollen nur eine Bestätigung, dass sie sich vorgestellt haben. Und alle anderen Bewerber sind entweder ungeeignet oder absolut dämlich. Wenn Sie jemand wissen, schicken Sie ihn oder sie zu mir. Viele muss man nicht mitbringen. Wenn man lesen, schreiben und ein Telefon bedienen kann, und dann noch mindestens einen IQ im 2-stelligen Bereich hat, sind das schon super Voraussetzungen. Es wäre phantastisch, wenn ich beruflich etwas entlastet würde. Meinen letzten Urlaub hatte ich vor über drei Jahren. Jedes Jahr planen wir einen wunderschönen, gemeinsamen Urlaub, der dann doch ins Wasser fällt. Meine Frau glaubt schon nicht mehr daran.“
Leo mochte Alois Niederwinkler sofort, denn er war gerade heraus und hatte einen herrlichen hintergründigen Humor, den er sehr liebte. Noch stundenlang hätte er ihm zuhören können, aber das Telefon klingelte bereits wieder. Herr Niederwinkler verabschiedete sich und nahm das Gespräch entgegen, das jedoch schon beendet war, noch bevor sie aus der Tür draußen waren.
„Moment noch,“ rief Alois Niederwinkler ihnen hinterher, „ich kann mich daran erinnern, dass Simon während besagter Tour einen Strafzettel von den Franzosen kassiert hat. Fragen Sie ihn danach. So wie ich ihn kenne, hat der Strafzettel aufbewahrt. Ich bin ja davon überzeugt, dass diese Schneckenfresser regelrecht Jagd auf deutsche LKW machen. Die sind nicht nur sehr schnell mit ihren völlig überteuerten Strafzetteln, die natürlich an Ort und Stelle bezahlt werden müssen, sondern dazu auch noch sehr unfreundlich.“
Niederwinkler nahm kein Blatt vor den Mund.
Leo und Anna fuhren zurück ins Büro. Nach den Fingerabdrücken dachten sie eigentlich, dass sie den Fall sehr schnell abschließen konnten. Weit gefehlt. Der vermeintliche Täter hatte für die Tatzeit ein Alibi, und zwar ein absolut Wasserdichtes. Trotzdem riefen sie bei Simon Maurer bezüglich des Strafzettels an, der ihnen dies bestätigte und tatsächlich noch das Original in seinen Unterlagen hatte. Er scannte den Strafzettel ein und sandte ihn per Mail an die Kripo. Wenige Minuten später hatten sie ihn in der Hand: An dem Alibi von Simon Maurer war wirklich nicht zu wackeln.
Auch die Aussagen der Vereinskameraden bezüglich des gestrigen Abends waren einstimmig, auch der Taxifahrer konnte sich sofort an die Fahrt erinnern. Also konnte Maurer auch nicht in die Pathologie eingebrochen sein und dem Toten die Stichwunde zugefügt haben.
„So einen Blödsinn hatten wir bislang noch nicht. Das würde ja heißen, dass jemand nicht nur das Messer von Simon Maurer geklaut hat, sondern damit in die Pathologie eingebrochen ist und dem Toten Karl Rauschberger das Messer in den Leib gestoßen hat. Und das alles mit Handschuhen! Wer macht sich denn so eine Mühe?“
„Keine Ahnung, das ist mir auch ein Rätsel und ergibt für mich echt keinen Sinn. Es sieht fast so aus, als wollte jemand Simon Maurer absichtlich belasten. Der Mann ist ein sehr charmanter Mensch, das musst du zugeben. Schon die Stimme allein ist absolut sexy, ich könnte ihm stundenlang zuhören.“
„Was ist an dieser Stimme denn so besonders? Mir ist nichts aufgefallen. Und ich finde ihn nicht charmant, sondern aalglatt und schmierig.“
Leo war aufgefallen, dass Anna Maurer interessant fand. Er war einer dieser Typen, die bei Frauen gut ankamen und problemlos um den Finger winkelten. Ihm sind diese Männer sehr suspekt und daher war er ihnen gegenüber voreingenommen.
Das Telefon klingelte, Leo sprach nur wenige Worte.
„Der Chef möchte mich sprechen. Ich kann mir den Grund bereits denken.“
Sein Vorgesetzter Michael Zeitler war Christine Künstles Bruder und sie hatte ihn bestimmt schon informiert. Jetzt war er bestimmt sauer. Warum hatte sie ihm das nicht überlassen?
„Was geht in unserer Pathologie vor? Wer ist da eingebrochen und wer zum Teufel sticht auf eine Leiche ein und lässt das Messer liegen? Und warum werde ich davon erst über Umwege informiert?“
Ohne eine Begrüßung wurde Leo mit Fragen überhäuft, denn Michael Zeitler war kein Freund von langen Worten und überflüssigen Höflichkeitsfloskeln. Diese Umwege, von denen er sprach, hießen bestimmt Christine Künstle.
„Sorry, ich war eben auf den Weg zu Ihnen und wollte Sie informieren. Die Fingerabdrücke auf dem Messer konnten wir zuordnen, aber der Verdächtige hat ein wasserdichtes Alibi für den Mord und den Einbruch in die Pathologie. Er kann definitiv mit all dem nichts zu tun haben.“
„Dann machen Sie sich an die Arbeit und suchen Sie den Täter, und zwar so schnell wie möglich. Und ich rate Ihnen, davon nichts an die Presse durchsickern zu lassen. Was glauben Sie, was los ist, wenn das an die Öffentlichkeit gerät?“ Zeitler malte sich in den schillerndsten Farben aus, wie ihn die Presse belästigte und wie er sich auch bei seinen Vorgesetzten und vor dem Innenministerium rechtfertigen und erklären musste. Nein, das durfte nicht geschehen.
Für Zeitler war alles besprochen und mit einer Handbewegung entließ er Leo.
Leo und Anna nahmen sich nochmals das Umfeld und das frühere Leben des Opfers Karl Rauschberger vor. Zum Glück meldete sich nun endlich eine Realschule in Kirchentellinsfurt bei Tübingen, die bis vor 18 Jahren einen Karl Rauschberger beschäftigt hatte. Die Recherchen diesbezüglich liefen aber ins Leere: Er war ledig, hatte keine Kinder und keine näheren Verwandten. Zu früheren Kollegen hatte er keinen engeren Kontakt. Er galt als verschlossen und schüchterner Menschen, der seinerzeit aus persönlichen Gründen gekündigt hatte.
Die Polizei recherchierte vor Ort bei der letztgenannten Anschrift in Wannweil, aber auch hier bekamen sie eine negative Auskunft: Niemand konnte sich an Karl Rauschberger erinnern. Auch bei Versicherungen, Banken und Vereinen gab es von Rauschberger von einem auf dem anderen Tag keine Spur mehr. Verträge und Konten waren von ihm gekündigt worden. Es gab aus den Unterlagen nicht den kleinsten Hinweis oder Anhaltspunkt auf seinen weiteren Aufenthaltsort. Keine Adresse, keine Telefonnummer, noch nicht einmal ein Postfach. Nichts, absolut nichts. Als ob es diesen Menschen ab einem gewissen Zeitpunkt vor über 18 Jahren nicht mehr gegeben hätte. Für Leo war diese Tatsache nur schwer zu ertragen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es niemanden gäbe, der einen vermissen würde, wenn man nicht mehr da wäre. Karl Rauschberger würde in einem anonymen Grab auf billigste Art und Weise beerdigt werden und kein Mensch würde sich je an ihn und seinen Namen erinnern. Einfach schrecklich, und das in unserer heutigen total vernetzten und überwachten Zeit. Er rief in der Pathologie an und gab den Leichnam zur Bestattung frei. Auch Christine, die den Anruf entgegennahm, wusste, was das zu bedeuten hatte, und ihre Gedanken waren ähnlich gelagert. Aber es half nichts, so war nun mal das System und es gab Vorschriften, wie man in einem solchen Fall zu verfahren hatte.
Leo legte den Akt zu den unerledigten Fällen und nahm sich fest vor, diesen Fall nicht aus den Augen zu verlieren, denn der ging ihm ziemlich an die Nieren. Er fuhr СКАЧАТЬ