Ingeborg. Bernhard Kellermann
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Название: Ingeborg

Автор: Bernhard Kellermann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754181539

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СКАЧАТЬ Usedom ging zweimal im Laufe einer Woche an Edelhof vorüber, er ging schnell den Berg hinauf, langsam und schwebend den Berg hinunter. Es gingen Dinge vor sich.

      Wie ein Knabe durch ein Astloch in eine Schaubude späht, so spähte ich in diese Dinge. Sie huschten und zuckten an meinen Augen vorüber.

      Ein leises trauriges Lied klang eines Abends durch meine Seele.

      Mich fröstelte . . . . .

      Eines Abends, als der Wald rot leuchtete in der untergehenden Sonne, begegnete ich Ingeborg und Harry Usedom droben auf der Höhe. Sie kamen des Weges daher, trugen große Sträuße von Maiglöckchen in der Hand und lachten. Ich sah es, ich hörte es. Lächelnd kamen sie beide heran, in Ingeborgs Augen schimmerte nicht die leiseste Erinnerung an jenen Abend.

      Harry Usedoms Augen strahlten. Nie hatte ich solche Augen gesehen, sie hingen wie Lampen in seinem Gesichte und sein Gesicht, das immer weiß und krankhaft erschien, war von einer feinen Röte des Glückes überzogen.

      „Die Herren kennen sich? Natürlich — — natürlich —“ sagte Ingeborg und lächelte. Dann sprach sie mit Pazzo, und ich wechselte einige Worte mit Harry Usedom. Ob es ihm auf Rote Buche gefalle. Sehr schöne Wälder, nicht wahr? Prachtvolle Wälder! Und den See habe er auch noch!

      Es gefalle ihm sehr gut auf Rote Buche! Seine Augen strahlten, sie waren wie dunkle Höhlen voller Geschmeide. Ich mußte immerfort diese strahlenden Augen ansehen.

      Er schreibe gegenwärtig eine Oper. Die Konzertreisen wolle er aufgeben.

      Harry Usedoms Lippen waren breit, in den Mundwinkeln gekräuselt. Sie erinnerten an Orangenschnitten. Sie waren rot.

      Die Herren zogen den Hut, Ingeborg nickte und verneigte sich leicht, wir trennten uns.

      Ich bog in den nächsten Seitenweg ein und zündete mir die Pfeife an. Viele Dinge wirbelten im Rauch der Pfeife vor meinen Augen herum.

      Pazzo sah mich an. Er kannte mich genau, und als ich ihn ansprach, sprang er an mir empor, um mich zu liebkosen. Ich streichelte ihm den Rücken mit sanfter Hand — immer auf und ab.

      Einige Tage darauf. Ich ging mit Ingeborg oben auf der Höhe, am Waldesrande entlang. Die Sonne stand schräg und schon etwas rot über dem Walde und warf einen schattigen, dunkelen Spitzenkragen über den Hügel. Auf diesem Spitzenkragen schritten wir dahin, hoch über dem Tale und seinen kleinen Dörfern und blitzenden Bächen. Sonnenflecken zuckten über Ingeborgs Kleid und Gesicht, wir sprachen nichts. Pazzo schritt neben uns her, er tauchte mit Behagen die schlanken Füße in das hohe, saftige Gras.

      Ingeborgs Gesicht erschien grün im Widerschein des Grases und des Waldes, zuweilen kam die Sonne, dann glühte es für einen Augenblick.

      Ingeborgs Stirn war voller Gedanken.

      Wir kamen an eine Bank und Ingeborg sagte: „Wollen wir uns ein wenig niederlassen?“ Sie blickte mich kurz an, während sie die Frage stellte. Ich war ihr dankbar für den Blick und für die nichtssagenden Worte. Sie fühlte es, denn sie blickte mich nochmals an und prüfte meine Mienen. Ich merkte es sehr gut. Ich stellte das Gewehr an einen Baum, Pazzo bewachte es.

      Hinter der Bank sang ein Vogel. Ich lauschte, was für ein Vogel war es doch? Es war ein Vogel, den ich noch nicht gehört hatte. Vielleicht hatte er sich verflogen.

      Es hatte sich manches geändert, das sah ich wohl ein. Ich saß neben Ingeborg und mein Herz klopfte. Ingeborg saß mit gleichgültigem, verschlossenem Gesicht da, das Kinn in die Hand gestützt und interessierte sich für die jungen Heupferdchen, die im Grase herumschnellten.

      Eine feine Falte zog zwischen Ingeborgs Brauen, ich wagte es nicht, zu sprechen. Wenn sie bei schlechter Laune war, weshalb ging sie dann nicht?

      Sie saß so nahe, daß ich meine Hand nicht neben mich legen konnte, ohne sie zu berühren, und plötzlich stieg mir das Blut in den Kopf, so nahe saß sie. Ich fühlte ihre Wärme.

      Ich saß still, ich regte mich nicht, ich dachte an die feine Falte zwischen Ingeborgs Brauen. Sie konnte über mich befehlen, ja, das konnte sie. Ein Wink und ich verschwand, und ich trat ihr nie wieder unter die Augen. Ich verließ die Gegend, wenn sie es verlangte, meine Gegenwart sollte ihr nicht die Laune verderben.

      Schön lag das Tal zu unsern Füßen, und bis auf die kleine Falte Ingeborgs wäre alles herrlich gewesen. Ein Bauer mähte mit einer blitzenden Sense tief unten, er war nicht größer als eine Ameise. Über dem Tale flimmerte es in einer grünen Wiese wie von einem Edelsteine, aber es war nur ein Stück Glas, eine zerbrochene Flasche, die dort blitzte. Drüben lagen zerstreute Häuschen, still, sie schienen unbewohnt zu sein.

      Da tauchte plötzlich aus dem nahen Kornfelde ein Spaten auf, dann ein Hut, ein Kopf, der Kopf hüpfte auf und ab und verschwand wieder im Korn und auch der Spaten tauchte unter.

      Dieser hüpfende Kopf scheuchte mich aus meiner Versunkenheit auf. Ein wahnsinnig kühner Gedanke schoß durch meinen Kopf. Wie, wenn ich einfach meinen Arm um Ingeborg legte und sagte: Nun —? Es ist schön hier neben Ihnen zu sitzen und das Tal zu betrachten. Stundenlang könnte ich hier neben Ihnen sitzen, wenn Sie auch nichts sprechen.

      Ich bewegte die Lippen, feuchtete sie an, dann sagte ich: „Es ist schön hier zu sitzen und das Tal zu betrachten.“

      Ingeborg nickte. „Ja,“ sagte sie.

      Im Tal ging der Mann mit dem Spaten, klein, blau. Mein Herz krampfte sich zusammen. Die Glasscherbe drüben im Felde hörte auf zu blitzen, die Schatten stiegen. Ich heftete die Augen auf die Häuschen uns gegenüber. Sie waren bewohnt, vorhin war eine Tür offen gestanden, jetzt hatte man sie geschlossen. Aus dem Walde, der den Hügel oberhalb der Häuschen bedeckte, kam etwas hervorgekrochen. Es sah aus wie ein Kärrchen, das von weißen Mäusen gezogen wurde. Etwas Weißes ging nebenher, etwas Weißes lag auf dem Kärrchen. Er war ein Müller, der Säcke auf einem Karren fuhr, den zwei Schimmel zogen. Die Beine der Schimmel verschwanden im Getreide. Das Kärrchen fuhr bis zu den kleinen Bauernhäuschen. Dort machte es Halt, und einige Leute kamen aus den Türen. Eine Magd schlug auf die Säcke und Mehl stieb heraus, ein rundes Wölkchen, als habe sie geschossen.

      Das alles sah ich ganz genau, während sich mein Herz zusammenzog.

      Ingeborg bewegte einen Fuß, ich erschrak. Sie bewegte wieder einen Fuß, ich erschrak. Ja, nun stand sie auf. Wir gingen. Im Walde war es dunkeler geworden, immer dämmeriger wurde es. Der Himmel leuchtete rot wie Wein durch die düsteren Wipfel. Lang war unser Weg, wir sprachen nichts.

      Ein Vogel zwitscherte. Ich lächelte. Ingeborg sah mich an.

      „Ich muß an einen Traum denken, Fräulein Giselher,“ sagte ich. Ich sprach sehr schnell, ich wußte, daß ich nun sprechen konnte und die Freude durchrann mich. Ich fuhr fort. „Ich muß an einen Traum denken. Ich denke oft, was es doch für eine sonderbare Sache mit der Seele des Menschen ist. Heute denke ich nicht daran zu stehlen, aber morgen habe ich den Wunsch es zu tun und übermorgen tue ich es. Aber vor drei Tagen, da dachte ich noch nicht daran. Nun sitze ich im Gefängnis und denke über mich nach. Plötzlich fällt mir ein, daß ich schon zuweilen vom Stehlen geträumt habe. Ja, was sage ich da. Es paßt nicht hierher, ich wollte es auch nicht sagen, ich wollte sagen, unsere Seele hat ihre besonderen Wünsche, aber wir kennen sie nicht. Was wollte ich sagen? Ich wollte Ihnen von einem Traume erzählen, den ich hatte. Ich träume die sonderbarsten Dinge der Welt zusammen. Nun hören Sie, vor einigen Wochen träumte ich von einer Stimme. Welch eine Stimme war es СКАЧАТЬ