Ingeborg. Bernhard Kellermann
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Название: Ingeborg

Автор: Bernhard Kellermann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754181539

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СКАЧАТЬ er hat Zähne spitz wie Dornen. Ich hasse Jagdhunde und Jäger!“ sagte sie und sie wurde ganz rot im Gesicht.

      „Adieu, Fürst!“ sagte sie kurz.

      „Adieu, Fräulein Giselher.“

      Aber Ingeborg ging nicht sogleich, sie wandte sich zurück.

      „Sie sagten vorhin, es freue Sie, daß ich die Wälder von Edelhof liebe. Weshalb sagten Sie dies?“

      Ich lächelte, zog die kurze Pfeife aus der Tasche und steckte sie in Brand. Ich blinzelte durch den Rauch, wartete noch ein Weilchen, dann antwortete ich:

      „So? Habe ich das gesagt? Nun das war albern, Sie haben recht. Jeder Gutsbesitzer hätte so etwas sagen können, der sich auf seine Wälder etwas einbildet.“

      Ingeborg sah mich prüfend an. Es habe so geklungen —

      Adieu, Fürst!

      Adieu, Fräulein Giselher!

      Im Walde rief ein Kuckuck. Ich ging meines Weges und lächelte in mich hinein. Der Laubgang war zwei Wegstunden von Ingeborgs Behausung entfernt, ich aber konnte ihn in zehn Minuten erreichen. —

      Ich ging hin und her. Es war ein schöner Morgen. Tief drinnen im Walde wurde Pazzo unruhig und blickte ins Dickicht. Ich sah einen Mann durch das Dickicht eilen, der den Hut in der Hand hielt. Er trat auf den Weg heraus, schwang den Hut und tat, als ginge er spazieren. Es war ein schlanker, junger Mann mit samtschwarzen Haaren und einem bleichen Gesichte. Von weitem schon fielen mir seine Hände auf. Sie waren lang, bläulichweiß und feingegliedert. Es waren grausame Hände, die eine große Macht in sich trugen. An diesen Händen erkannte ich den jungen Mann. Es war Harry Usedom, der Geiger. Ich hatte ihn gute sechs Jahre nicht mehr gesehen, damals war er fast noch ein Knabe und ganz aus Samt, Samt sein Anzug, seine Haare, seine Augen und sein Gesicht. Auch sein Spiel war Samt, violetter seidenweicher Samt war sein Spiel, mit einem Orchideengeruch.

      Ich verstand, natürlich. Jetzt begriff ich alles.

      „Harry Usedom?“ sagte ich. Er hatte wohl an mir vorübergehen wollen, denn er heftete die Blicke zu Boden. Er wußte nicht, daß ich ihm eine große Freude machen wollte. Er wandte mir seine großen Augen zu, die wie Veilchen aussahen, und lächelte müde. Er hatte einen großen Mund, Ekel und Sünden. Aber er war schön. Wie eine bleiche Frau sah Harry Usedom aus mit schmalem, schlankem Kopfe.

      Wir begrüßten uns und sprachen dies und jenes.

       „Viele Grüße an Ihren Vater,“ sagte ich, „ist er noch leidend?“

      „Ja.“

      Harry Usedom hatte nicht Lust viel zu sprechen.

      Ich lächelte, es sei mir eine Freude, ihn getroffen zu haben. Oft vergingen Tage und ich träfe keinen Menschen im Walde, heute habe ich schon zwei getroffen, ihn und vor kurzer Zeit eine junge Dame im Buchengang. Nun also, auf Wiedersehen!

      Harry Usedom verbeugte sich und errötete. Er ging, ich stellte mich hinter einen Baum und blickte ihm nach. Er hielt den Kopf gesenkt, schwang den Hut, wie vorhin, und gab sich den Anschein, als setze er in aller Ruhe seine Promenade fort. Aber ich bemerkte wohl, daß er übernatürlich große Schritte machte.

      Ich lachte.

      Ich, Axel, der Patron der Liebenden! Einen Heiligenschein um den Kopf, Liebestränke in der Flasche!

      Ich wünschte den beiden Glück.

      Es ist Frühling und Gott will, daß sich die roten Münder finden!

      MMan soll die Tage, die ohne Wunsch sind, die wunschlosen Tage soll man preisen und besingen. Sie sind wie ein stiller, stillschaffender Sommer im Herzen, überwuchern alles, lassen Rosenhecken auf Gräbern wachsen, sie sind stille Fruchtbarkeit und machen reich, und der Reiche ist gerecht. Darum soll man die wunschlosen Tage loben!

      Man soll die Tage der heißen lodernden Wünsche loben, auch sie! Sie sind wie Sensenhiebe in schläfriges Unkraut, sie tragen den Samen glänzender fremder Blüten ins Herz, die Blut anstatt Honig haben und nach Mord und Vernichtung duften, sie sind wie ein schwarzes Wetter im schwülen Sommer, das Blitze sät und morsche Bäume fortlacht. Sie machen demütig und stolz, auch sie soll man loben.

      Man soll das Leben in jeder Form loben, den Mord und die Liebe, heilig sind Mord und Liebe.

      Meine wunschlosen Tage waren gekommen. Sie zogen still vorüber wie Leute, die aus der Kirche kommen. Mit einem warmen, weichen Herzen ging ich einher und oft habe ich in mich hineingekichert, wenn ich allein war im Walde.

      Vor einigen Jahren war ich draußen in der weiten Welt. Ich tanzte. Über Menschen und heilige Bücher bin ich hinweggetanzt, gewiß habe ich manches Unheil angerichtet, hier und da habe ich auch einer armen Seele eine kleine Freude bereitet.

      Nun lebte ich allein für mich, ich brauchte niemand, ich war mir allein genug.

      Ich hatte nie Langeweile, nein, niemals.

      Tag und Nacht flogen vorbei, und von vielen wußte ich nicht, wie sie vergingen.

      Es gab keine Uhren in meinem Hause, in meiner Tasche. Es gab ohnedies genug Uhren, die Sonne, das Laub der Bäume, der Brunnen im Parke. Er rauschte am Tag anders als in der Nacht, um Mitternacht anders als gegen Morgen. Auch der Geruch des Waldes war eine Uhr. Auch die kleinen, kleinsten Geräusche, deren Ursache man nicht kennt, sie hatten ihre bestimmten Stunden. Übergenug Uhren gab es ohnehin.

      Ich denke daran, wie diese Tage vergingen, da mein Herz ohne Wünsche war.

      Ich pfiff Pazzo, und wir streunten im Walde umher. Zuweilen zog ich die hohen Stiefel an und ging mit dem Gesinde auf die Felder. Ich schaufelte und harkte. Hinter dem Pfluge ging ich einher, scherzte und schnupfte und trank aus irdenen Krügen. Ich ging in die Bibliothek, zog ein Buch heraus und las. Ich fand einen berückenden Gedanken, erschrak über seine Schönheit, seine Tiefe, stellte ihn mir vor, verfolgte ihn. Eine Krone diesem Mann! dachte ich, eine Krone und ein Kaiserreich. Es hat Köpfe in der Welt gegeben . . .

      Ich setzte mich ans Klavier und schlug eine Taste an und ließ den Ton durch mein Blut rieseln. Lange Stunden konnte ich damit verbringen. Dieser Flügel war ein allwissendes, allempfindendes Wesen. Des Menschen wildes, zuckendes Herz war darin verborgen, sein süßes Weinen und sein irrsinniges Lachen. Ich lauschte. Was ist das? dachte ich und erschrak. Und ich wagte es nicht, den folgenden Akkord anzuschlagen, ich wagte es nicht. Ich hatte soviel Schmerz in einem Auge gesehen und konnte dieses Auge nicht mehr vergessen.

      Es wurde dunkel, die Welt verlor die Farben, und in meinem Kopfe erwachten sie. Korallenwälder und ein Meer aus Regenbogen, Wände von Katzenaugen und eine silberne Unendlichkeit. Kreisende Kometen an meinen Augendeckeln. Haha!

      Ich konnte mir die Welt nach Gutdünken und Belieben zeichnen und malen. Kohlschwarze Flüsse, rote Himmel, grüne Menschen, wie ich wollte. Das Unmögliche konnte ich vollbringen. Es ist schwer, den Teufel auf eine Nadelspitze zu setzen, aber ich konnte es, und ich konnte mich ergötzen an seinem jämmerlichen Gesichte, ich konnte Jehovah vorüberwandeln lassen, die Sonne am Siegelring, ich konnte alles was ich wollte. So herrlich waren die Visionen hinter den geschlossenen Augenlidern, daß ich mir zuweilen wünschte, blind zu sein. СКАЧАТЬ