Yester und Li. Bernhard Kellermann
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Название: Yester und Li

Автор: Bernhard Kellermann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754181560

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СКАЧАТЬ entfernt ihre Straße gehen. Oder sie dachten, es sind Leute, denen die aufkeimende Liebe die Lippen verschließt und schwermütige Gedanken eingibt.

      Während seine Sinne dies mechanisch beobachteten, rang seine Seele mit der fremden Gewalt, die auf ihn eindrang.

      Er wollte froh sein, wenn er wieder allein war. Auf der andern Seite jedoch fürchtete er diesen Moment und suchte er nach Möglichkeiten, ihn hinauszuschieben. Mit ärgerlichem Schrecken dachte er daran, daß er zum ersten und voraussichtlich zum letzten Male neben diesem Weibe ging, das seiner Seele nicht gleichgültig war. Und daß er es nicht verstanden hatte, diese günstige Lage auszunützen, das Wesen dieses Mädchens zu ergründen, und dadurch seine Gedanken vor der peinigenden Gier zu behüten, mit der sie ein ungelöstes Rätsel zu umkreisen pflegten.

      Da vernahm er plötzlich ihre Stimme.

      Er verstand ihre Worte nicht und mußte sich erst ihren Klang ins Gedächtnis zurückrufen, bevor er sie erfaßte.

      „Kennen Sie denn meine Gedichte?“ antwortete er lächelnd, erfreut, daß das Stillschweigen gebrochen war.

      Sie hatte gesagt: Ich kenne ein Gedicht von Ihnen, Herr Ginstermann, das sehr schön ist.

      „Ja,“ erwiderte sie, „ich habe sie gelesen. Ein Herr machte mich darauf aufmerksam. Viele sind mir zu herb, zu bitter, aber dieses eine ist sehr schön, und ich empfand das Bedürfnis, Ihnen das zu sagen, bevor wir uns trennen. Es heißt: Martyrium.“

      „Das war mein erstes, Fräulein Schuhmacher.“

      „Ihr erstes?“

      „Ja. Ich trottete meine Straße. Da kam es. Ganz von selbst, ich hatte früher nie Verse geschrieben.“

       Sie schwieg und blickte sinnend zu Boden.

      Da erschrak Ginstermann. Diese wenigen Worte erlaubten ihr, eine Menge Schlüsse auf sein damaliges Innenleben zu ziehen.

      „Der Gedanke ist schön, und das Bild ist schön,“ fuhr sie leise fort, „es hat einen tiefen Sinn. Ich kenne kein Gedicht, das einen so tiefen Eindruck in mir hinterlassen hätte.“

      Er wußte, daß dieses Gedicht gut war, zu seinen besten gehörte. Aber keine einzige Besprechung hatte es besonders hervorgehoben. Um so seltsamer erschien es ihm, daß sie darauf gekommen war.

      Das Gedicht war sehr einfach. Ein Mann, der vor einem Weibe in unverhüllter Schönheit kniet, bittet es, ihm den Dornenkranz der Liebe, mit dem es ihn krönt, tief, tief ins Haupt zu drücken.

      „Hier bin ich nun zu Hause,“ sagte Fräulein Schuhmacher und blieb stehen.

      Sie standen vor einer Villa in modernem Stile, deren originelle Architektur Ginstermann schon früher aufgefallen war. Zwei Fenster der ersten Etage waren matt erhellt, als läge ein Kranker im Zimmer.

      Ginstermann griff an den Hut, da es sich nicht schickt, eine Dame vor der Türe noch zu verhalten.

       Aber sie schien es nicht zu bemerken.

      Ihr Blick ruhte auf seinem Antlitz, und wieder gewann er die Vorstellung, als suche sie nach irgend etwas.

      „Wir sahen uns übrigens schon einmal,“ begann sie von neuem, und ihr Blick traf voll den seinigen.

      An diesem Blicke erkannte er sie.

      Hier ist ein Mensch! dachte er, freudig erschreckend. Er fühlte, wie die Erregung in langer Welle durch seinen Körper lief.

      Diese Augen waren hell und durchsichtig, als brenne ein Licht hinter ihnen. Er wußte, hinter diesen Augen wohnt jemand.

      „Ja, im Hoftheater,“ erwiderte er, und er lächelte und blickte ihr in die Augen. Es erschien ihm, als seien sie langjährige Bekannte.

      „Ich verwechselte Sie damals mit jemandem,“ fuhr sie fort, und ihre Lippen zuckten sonderbar, als unterdrückte sie ein Lächeln.

      Er habe das sofort bemerkt.

      Fräulein Schuhmacher blickte zum Himmel empor, aus dem große nasse Flocken fielen.

      „Es taut,“ sagte sie, „ich glaube, es wird nun wirklich Frühling.“

      Das klang einfach, aber eine krankhafte Sehnsucht nach dem Frühling lag in dem Tone ihrer Stimme und den Blicken, mit denen sie die großen Flocken verfolgte.

      Dann bot sie ihm die Hand, indem sie ihm für die Begleitung dankte. Sie sah ihn dabei an, aber es schien, als blickte sie durch ihn hindurch.

      Ginstermann entgegnete: „Ich danke, Fräulein Schuhmacher.“ Das „Ich“ betonend.

      Sie blickte ihn mit leichter Verwunderung an.

      Er aber wiederholte: „Ich danke.“ In der gleichen Betonung.

      Da drückte sie ihm die Hand, jedoch ohne eine andere Sprache als die der Höflichkeit einer modern denkenden Dame.

      „Adieu,“ sagte sie, „auf Wiedersehn.“

      „Adieu,“ sagte er.

      Sie nickte und ging. Im Augenblick war sie verschwunden.

      Ein dunkles, schweres Tor glitt lautlos hinter ihr ins Schloß, lautlos, unaufhaltsam.

      Ginstermann stand allein auf der Straße. Plötzlich fühlte er, daß es düster und kalt war.

      Er stand noch eine Weile, dann wandte er sich und machte einige zögernde Schritte. Etwas hielt ihn zurück. Und nun blitzte es auf. Sie hatte gesagt: auf Wiedersehen. Sie hatte gesagt: auf Wiedersehen. Er hörte ganz deutlich ihre geschmeidige, leicht verschleierte Stimme. Aber das allein war es nicht.

      Er ging wieder auf die Stelle zurück, wo er sich von ihr verabschiedet hatte, gleichsam als höre er hier ihre Stimme mit größerer Deutlichkeit in seinem Gedächtnis wiederklingen.

      Sie hatte das „Wieder“ betont. Das war es.

      Es war keine Höflichkeitsformel, mechanisch gesprochen. In dieser Betonung lag der Wunsch, ihn wiederzusehen und zugleich eine gewisse Freude, ihn kennen gelernt zu haben.

      Nun erst ging er seiner Wege.

      Nach geraumer Zeit bemerkte er, daß er die verkehrte Richtung eingeschlagen hatte.

      Er machte Kehrt und überschritt, als er sich der Villa näherte, die Straße, um nicht gesehen zu werden.

      Im Eckzimmer der ersten Etage war Licht. Rötliches, sanftes Licht, das durch das geöffnete Fenster wie feiner Dunst in die Straße hauchte.

      Er erschrack, ohne zu wissen weshalb, als er es bemerkte.

      Da wanderte die Flamme einer Kerze an den dunklen Fenstern der anstoßenden Zimmer vorbei und verschwand in dem Zimmer, das matt erleuchtet war.

       Ginstermann stand, verborgen im Schatten einer Pappel, und wartete. Er wartete lange und in sonderbarer Erregung, als spiele sich in dem Zimmer da droben etwas ab, was entscheidend für sein Leben sei. Und doch war es nur der Besuch eines Kindes bei seiner СКАЧАТЬ