Yester und Li. Bernhard Kellermann
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Название: Yester und Li

Автор: Bernhard Kellermann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754181560

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СКАЧАТЬ vorigen Winter.

      Und er sann . . . . .

      Der blonde Goldschmitt, der ewig Lebendige, erzählte irgend etwas. Von seinen Fußwanderungen. Vorigen Sommer. Von mittelalterlichen Städtchen, die in der Dämmerung versanken und von Kornfeldern, die in der Sonne kochten, und vom Meer, das er in einer Sommernacht hatte leuchten sehen. Und vom Walde — ah, vom Walde. Goldschmitt, der Malerdichter. Er sprach nur in Superlativen, ebenso seine Mienen. Und fortwährend strich er sich mit den Fingern über das strähnige Haar, das von der Stirne bis in den Nacken lief, eine einzige Welle. Und Dichter Glimm saß, ohne eine Silbe zu sprechen, die Zigarette zwischen den Lippen, durch die Wimpern ins Licht blickend, und ließ sich durch Goldschmitts Schilderungen Stimmungen suggerieren.

      Dieser Goldschmitt erzählte in der Tat gut. Er sah impressionistisch, immer Licht, immer Farbe, ein roter Klecks auf dem Kirchturmdach, und das Bild war fertig.

      Dazwischen kam Kapelli mit der Zigarettenschachtel und beugte sich über den Tisch, so daß ein Büschel grauer Haare über seine Stirne fiel. Wenn er sprach, so funkelten die Vokale gleich leuchtenden Steinen, und man verspürte Lust, ihn zum Singen aufzufordern.

      An den Tischen lärmten und lachten sie, und ewig war Ritts nasale Stimme zu hören.

      Und Fräulein Scholl hing mit den Blicken an Goldschmitts Lippen und hielt die Zigarette mit steifen, ungewohnten Fingern, hier und da Tabak von den Lippen nehmend. Sie schüttelte den Kopf, wenn sie lachte, und die Wellen ihrer Haare wippten. Diese Haare waren von genau der gleichen Farbe wie ihre Augen. Ihre Zähne waren schneeweiß, klein, Puppenzähne, und zuweilen blitzte eine goldene Plombe auf. Manchmal unterbrach sie den Erzählenden und begann eine ähnliche Schilderung, um mitten darin abzubrechen, da ihr der Ausdruck fehlte. Dann blies sie stets eine dünne Rauchwolke in die Luft.

      Daneben ihre Freundin, reserviert im Wesen. Sie lächelte liebenswürdig. Sie rauchte nicht. Sie hielt die Augen auf Goldschmitt gerichtet und brachte ihn einigemal in Verwirrung, als er sich ungeschickt ausdrückte. Es war, als beobachte sie genau, was um sie vorging, und bilde sich über alles ein Urteil. Dazwischen wieder lachte sie herzlich, wie ein Kind, als sei sie für einen Augenblick eine andere geworden. Wenn sie sprach, so sprach sie schön und ohne Hast. Ihre Stimme erinnerte an die Töne einer Geige, sie war weich und gedämpft. Diese Stimme drang tiefer als in die Ohren und erweckte das Bedürfnis, sie bei geschlossenen Lidern zu hören. Gleichzeitig klang der kühle Stolz einer sich abschließenden Seele aus ihr.

      Und er saß und sann.

      Wie seltsam es doch ist, dachte er, das Schicksal hat die Menschen an Fäden und führt sie zusammen und auseinander und wieder zusammen, je nach seiner Laune.

       Hier also traf er sie wieder.

      Schon angesichts der Büste hatten seine Gedanken hartnäckig eine Erinnerung in ihm auszulösen gesucht. Er entsann sich dessen noch deutlich.

      Aber nun stand sie klar vor seinen Augen, wie an jenem Abend.

      In leuchtend weißem Kleide sah er sie vor sich, auf Marmorstufen stehend, mitten im Licht. Und sie hielt die großen Augen auf ihn geheftet, gleichsam erstarrt vor Freude. Als sei er ihr Geliebter und nach langer Fahrt über ferne Meere unerwartet zurückgekehrt. Er stieg die Stufen zum Foyer hinauf und hielt unwillkürlich den Schritt an, betroffen durch den Ausdruck dieses Blickes. Und sah sie an.

      Das alles währte nicht länger als eine Sekunde. Es war sonderbar, wie ein Rätsel.

      Sie hatte ihn heute nicht einmal wieder erkannt. Trotzdem war es ihm, als ob ihr Blick zuweilen über seine Züge tastete und etwas suchte.

      Dann erhoben sich die Damen, und auch er stand auf. Und ohne eigentlich daran gedacht zu haben, bot er ihnen seine Begleitung an.

      Und nun ging er neben ihnen her.

      Und war noch so verwirrt durch die Eindrücke des Abends, daß er kein Wort zu sprechen vermochte.

       All die vielen Gesichter schwebten ihm noch vor Augen, lächelnd, lachend, mit den Augen zwinkernd, er hörte immer noch das Gewirr von Stimmen, und da war wieder die verschleierte Lampe, das mit Zigarettenasche bestreute Tischtuch, Goldschmitt, Glimm, Fräulein Scholl und daneben Fräulein Schuhmacher.

      Er sah sie ganz deutlich vor sich. Ihre hellen Augen, ihre schmalen Lippen, die leise und vornehm lächelten, ihre Hand. Er hatte noch nie eine solche Hand gesehen. Sie erschien ihm wie ein denkendes, selbständiges Wesen.

      Und wieder empfand er jenen undefinierbaren Schrecken wie in jenem Moment, da er in seinem Gegenüber jene Dame vom Hoftheater entdeckte.

      Ah — das war auch zu sonderbar. Das mochte jetzt über ein Jahr her sein.

      Wiederum aber war es ihm unerklärlich, wie ihn dieser alltägliche Zufall in derartige Aufregung versetzen konnte. War ihm diese Spannung rätselhaft, mit der er jeder Bewegung dieses Mädchens gefolgt war, jeder noch so unmerklichen Veränderung dieses durchsichtigen Antlitzes.

      Das war absolut nicht mehr die Objektivität, mit der er sonst seine Modelle studierte.

      Wurde er nicht komisch vor sich selbst, daß er mit den jungen Damen lange Straßen entlang ging? Wenn er aber ehrlich sein wollte, so mußte er sich gestehen, daß es ihm auf der anderen Seite unangenehm gewesen wäre, hätte ein anderer diese Rolle übernommen. Daß es ihm gleichzeitig eine physische Befriedigung bereitete, neben dem schlanken Mädchen einherzugehen.

      Er dachte an sein verlassenes, dunkles Zimmer, das er liebte nahezu wie einen Menschen. Er sah sich bei der Lampe sitzen und schreiben, wie er es Tag für Tag, seit zwei Jahren gewohnt war. Er sah seine Manuskripte auf dem Tische liegen, mit der großen Rede Rammahs, die er in der Mitte abgebrochen hatte, um zu Kapelli hinunterzusteigen. Es erschien ihm töricht, daß er seine Arbeit im Stiche gelassen hatte. Kapelli hätte es ihm gewiß nicht übel genommen, wenn ihm auch Frau Trud einige Zeit böse gewesen wäre. Nun würde er die große Rede, die Rammah, der Gefangene, an die Königin Lehéhe zu richten hatte, beendigt haben. Rammah, der seinen Kopf aufs Spiel setzte, um noch einmal das Antlitz seiner Geliebten zu sehen.

      Und er dachte an Rammah und Lehéhe, die Königin. Und wiederholte sich im Geiste die Szene und die Worte, die der Gefangene zuletzt sprach.

       Rammah sagte: Gib dem Gefangenen eine Hand voll Ton, er wird das Bildnis seines Weibes formen, bei Tag, bei Nacht, in jeder Miene — so formt ich Euer Bildnis, Königin, bei Tag, bei Nacht, aus Wolken, Steinen, Wasser, Bäumen, Wind, in jeder Mime, stolz und milde, lächelnd, strahlend, wie ich es sah.

      Und nun sollte er erzählen, daß ihn seine Qual zu den Mönchen getrieben.

      Aber seine Rede verwirrte sich.

      Eine unerklärliche Erregung erschütterte Ginstermanns Wesen.

      Während er sich diese Worte wiederholte, erschien es ihm, als empfände er sie inniger als am Abend, als kämen sie aus dem Tiefsten seines Wesens. Und Lehéhe, die Königin, hatte sich verändert. Nicht mehr die orientalischen Züge, die schmale gebogene Nase, das blauschwarze glatte Haar, nun trug sie die Züge des Mädchens, das ihm zur Seite schritt . . . . .

      Ginstermann hüllte sich dichter in den Mantel und gab sich Mühe, auf andere Gedanken zu kommen.

      Die Gewänder der Mädchen rauschten sanft. Es war ihm, als gingen sie sehr rasch. Diese Vorstellung wurde dadurch verstärkt, daß man ihre Schritte nicht hörte. Es war frischer Schnee gefallen.

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