Автор: Ricarda Huch
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: gelbe Buchreihe
isbn: 9783754183250
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Dem leidenschaftlichen Erobererwillen Ludwig XIV. hatte er diese Frömmigkeit und sein Pflichtgefühl entgegenzusetzen, und etwas, was freilich auch Magie war: das habsburgische Cäsarenbewusstsein, das sich mit seiner kindlich-spielerischen Natur wunderlich vereinte. Dadurch, dass er nichts tat, ermöglichte er es zuweilen der Zeit und dem Zufall, etwas für ihn zu tun. Etwas österreichischer Skeptizismus und Fatalismus war auch dabei; er sah um sich herum so viele Leute, auch seine eigenen Kinder, sterben, sah so viele Glückswechsel, Erwartungen und Enttäuschungen: basta, pazienza, man musste es geschehen lassen, man konnte nichts tun, als hoffen, dass es besser komme.
So war es aber doch nicht, dass sich Leopold des Gegensatzes zu Frankreich, der ein Erbteil seiner Familie war, nicht bewusst gewesen wäre. Frankreich gegenüber fühlte er sich deutsch und erhob sich auch wohl zu dem Gefühl der Verantwortung, die er als Kaiser für das Reich übernommen hatte. Seine Briefe waren, wie gewiss auch seine Rede, gespickt mit lateinischen, italienischen, spanischen Brocken, denn diese Sprachen beherrschte er und hatte viel Gelegenheit, sie zu brauchen; aber nie kommt ein französischer Ausdruck vor. Es musste ihn erbittern, dass Ludwig ihm in Spanien den Rang ablief und die Hand der ältesten Tochter des spanischen Königs errang, die er schon als die seinige betrachtet hatte. Durch unablässiges Werben und Drängen setzte er die Vermählung mit der zweiten, Margarethe Theresia, durch, einem zarten, gebrechlichen Wesen, das nach mehreren Geburten geduldig starb. Einstweilen jedoch bestanden zwischen Versailles und Wien gute Beziehungen, Leopolds vertrautester Rat, Lobkowitz, war sogar ein Bewunderer des französischen Königs.
Wenzel Eusebius Fürst Lobkowitz (1609–1677)
Vergleicht man die Persönlichkeit der beiden Regenten, so musste, wenn es sich um kriegerische Entscheidungen handelte, Leopold hinter Ludwig zurückstehen; noch weit mehr aber war das der Fall, wenn man den Unterschied in der Verfassung der Länder bedenkt. Ludwig verfügte über alle finanziellen und militärischen Kräfte Frankreichs; wenn auch Leopold keinen Widerstand der Stände mehr zu befürchten hatte, so war doch Österreich bei weitem nicht so zentralisiert wie Frankreich, und auf den österreichischen Adel musste viel mehr Rücksicht genommen werden. Als Kaiser bedeutete Leopold militärisch überhaupt nichts. Ob das Reich, das unter einem Führer eine fast unwiderstehliche Macht ins Feld hätte schicken können, sich ihm anschließen wollte, hing vom Belieben der einzelnen Reichsstände ab, von denen ein großer Teil an Frankreich verkauft war. Ohne Verbindung mit einer auswärtigen Macht konnte Leopold kaum einen Krieg mit Frankreich wagen.
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Ludwigs erster Raubkrieg
Ludwigs erster Raubkrieg
Wie rasch ein großes und mächtiges Reich zur Bedeutungslosigkeit herabsinken kann, davon ist das Spanien des 17. Jahrhunderts ein Beispiel. Nach dem 80jährigen Krieg mit Holland und dem 24jährigen mit Frankreich, den der Pyrenäische Friede im Jahr 1659 abschloss, konnte die einst so stolze, gefürchtete Macht nicht mehr handelnd und richtunggebend in die Welthändel eingreifen. Wie es oft der Fall ist, bestand auch in Spanien ein merkwürdiger Zusammenhang zwischen dem Zustand des Landes und dem seiner Herrscher. Ebenso ohnmächtig hinschwindend wie das Land war die Dynastie. Die Bilder der letzten spanischen Habsburger, die Velazquez gemalt hat, zeigen höchst verfeinerte Geschöpfe, heimatlos, ziellos, von der Wehmut des Abschieds überhaucht. Man hatte sich daran gewöhnt, in Philipp IV. den letzten der Familie zu sehen, als ihm zu allgemeiner Überraschung noch ein Sohn geboren wurde, der den Namen seines größten Vorfahren, Karl, erhielt. Das blonde Kind, um dessen Dasein begehrliche Leidenschaften kreuzten, war so zart, dass man meinte, ein Hauch könne es auslöschen. Angstvoll behütet, wurde es launisch und unlenkbar. Man suchte es abzuhärten, durch Selbstüberwindung zu stählen. Der österreichische Gesandte am Hof von Madrid berichtet nach Wien, dass der kleine Prinz das Ausziehen eines Stockzahnes heroisch überstanden habe, und Leopold, sein kaiserlicher Oheim, der selbst Zahnschmerzen hatte und einer etwaigen Operation zitternd entgegensah, war geneigt, diesen Beweis frühen Heldentums als glückliches Vorzeichen zu betrachten. Im Allgemeinen aber waren die europäischen Höfe überzeugt, dass Karl nicht lange leben und dass er keine Kinder zeugen werde. Die regierenden Familien, die spanische Prinzessinnen als Mutter, Großmutter oder Urgroßmutter aufzuweisen hatten, bereiteten ihre Ansprüche vor und lauerten sprungbereit auf den schicksalsvollen Augenblick. Infolge der Festsetzungen Karls V. bildeten die Österreichischen und Spanischen Habsburger eine einzige Familie, ihre Länder eine Einheit, der eine Zweig war Erbe des anderen. Wie Familien unverbrüchlich zusammenhalten trotz etwaiger innerer Gegensätze, so handelte es sich auch bei den beiden Habsburger Linien, ganz abgesehen von den Gefühlen, um eine feste, vom Schicksal gewollte Verbundenheit. Der Zwang, dem Leopold infolge der Wahlkapitulation unterstand, Spanien nicht gegen Frankreich zu unterstützen, hatte etwas entfremdend gewirkt. Der junge Kaiser wurde von Madrid aus mit argwöhnischen Augen betrachtet, der spanische Gesandte berichtete nach Hause, wenn Leopold eine französische Theateraufführung besuchte, Leopold entschuldigte sich, so gut es gehen wollte, und kam wohl spanischen Vorwürfen zuvor, indem er sich über spanische Langsamkeit und Schwerfälligkeit lustig machte. Seit er in den Besitz der Königstochter gelangt war und dadurch sein Erbrecht verstärkt hatte, sah er der Zukunft in Hinsicht auf das Erlöschen der Dynastie gelassen entgegen.
Da, im Jahr 1665, starb Philipp IV., und Ludwig XIV. entschloss sich, dies Ereignis zu einer Eroberung zu benützen. Noch atmete der junge Karl, nunmehr König von Spanien, er schien zäher zu sein, als man gemeint hatte; unabsehbar lange Zeit tatenlos zuzuwarten entsprach dem Charakter Ludwigs nicht. Es ist eine Huldigung, die auch der mächtigste Räuber der Idee des Rechts darbringt, dass er in der Öffentlichkeit nicht rauben, sondern ein Recht wahrnehmen will. Die Rechtsverwahrungen Ludwigs XIV. waren sehr fadenscheinig, wurden aber mit viel Aufwand und Gravität verkündigt. Diesmal wurde ein in Brabant herrschendes Erbfolgegesetz, das sich auf Privatverhältnisse bezog, wonach die Töchter aus erster Ehe den Vater beerben, auf den Staat angewandt und daraus der Anspruch Ludwigs, als Gatten der ältesten Tochter des verstorbenen Königs Philipp, auf die spanischen Niederlande abgeleitet.
Es war ein glänzender Erfolg der französischen Diplomatie, dass es ihr gelungen war, vorher denjenigen unschädlich zu machen, der am meisten berufen war, dem überfallenen Spanien zu Hilfe zu kommen, nämlich Leopold. Er war dadurch zum Stillsitzen gezwungen, dass Ludwig ihn bewogen hatte, einen Teilungsvertrag über das spanische Erbe mit ihm abzuschließen.