Das Wesen des Christentums. Feuerbach Ludwig
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Название: Das Wesen des Christentums

Автор: Feuerbach Ludwig

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754945940

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      Es ist aber hier sogleich wesentlich zu bemerken – und diese Erscheinung ist eine höchst merkwürdige, das innerste Wesen der Religion charakterisierende –, daß, je menschlicher dem Wesen nach Gott ist, um so größer scheinbar der Unterschied zwischen ihm und dem Menschen ist, d.h. um so mehr von der Reflexion über die Religion, von der Theologie die Identität, die Einheit des göttlichen und menschlichen Wesens geleugnet, und das Menschliche, wie es als solches dem Menschen Gegenstand seines Bewußtseins ist, herabgesetzt wird. Der Grund hievon ist: weil das Positive, das Wesentliche in der Anschauung oder Bestimmung des göttlichen Wesens allein das Menschliche, so kann die Anschauung des Menschen, wie er Gegenstand des Bewußtseins ist, nur eine negative, menschenfeindliche sein. Um Gott zu bereichern, muß der Mensch arm werden; damit Gott alles sei, der Mensch nichts sein. Aber er braucht auch nichts für sich selbst zu sein, weil alles, was er sich nimmt, in Gott nicht verloren geht, sondern erhalten wird. Der Mensch hat sein Wesen in Gott, wie sollte er es also in sich und für sich haben? Warum wäre es notwendig, dasselbe zweimal zu setzen, zweimal zu haben? Was der Mensch sich entzieht, was er an sich selbst entbehrt, genießt er ja nur in um so unvergleichlich höherem und reicherem Maße in Gott.

      Die Mönche gelobten die Keuschheit dem göttlichen Wesen, sie unterdrückten die Geschlechterliebe an sich, aber dafür hatten sie im Himmel, in Gott, an der Jungfrau Maria das Bild des Weibes – ein Bild der Liebe. Sie konnten um so mehr des wirklichen Weibes entbehren, je mehr ihnen ein ideales, vorgestelltes Weib ein Gegenstand wirklicher Liebe war. Je größere Bedeutung sie auf die Vernichtung der Sinnlichkeit legten, je größere Bedeutung hatte für sie die himmlische Jungfrau: sie trat ihnen selbst an die Stelle Christi, an die Stelle Gottes. Je mehr das Sinnliche verneint wird, desto sinnlicher ist der Gott, dem das Sinnliche geopfert wird. Was man nämlich der Gottheit opfert – darauf legt man einen besondern Wert, daran hat Gott ein besonderes Wohlgefallen. Was im Sinne des Menschen, das ist natürlich auch im Sinne seines Gottes das Höchste; was überhaupt dem Menschen gefällt, das gefällt auch Gott. Die Hebräer opferten dem Jehova nicht unreine, ekelhafte Tiere, sondern die Tiere, die für sie den höchsten Wert hatten, die sie selbst aßen, waren auch die Speise Gottes. Cibus Dei. 3. Mose 3, 11.Wo man daher aus der Verneinung der Sinnlichkeit ein besonderes Wesen, ein gottwohlgefälliges Opfer macht, da wird gerade auf die Sinnlichkeit der höchste Wert gelegt und die aufgegebne Sinnlichkeit unwillkürlich dadurch wiederhergestellt, daß Gott an die Stelle des sinnlichen Wesens tritt, welches man aufgegeben. Die Nonne vermählt sich mit Gott; sie hat einen himmlischen Bräutigam, der Mönch eine himmlische Braut. Aber die himmlische Jungfrau ist nur eine sinnfällige Erscheinung einer allgemeinen, das Wesen der Religion betreffenden Wahrheit. Der Mensch bejaht in Gott, was er an sich selbst verneint. Die Religion abstrahiert vom Menschen, von der Welt, aber sie kann nur abstrahieren von den, sei es nun wirklichen oder vermeintlichen Mängeln und Schranken, von dem Nichtigen, nicht von dem Wesen, dem Positiven der Welt und Menschheit, sie muß daher in die Abstraktion und Negation das, wovon sie abstrahiert oder zu abstrahieren glaubt, wieder aufnehmen.

      Und so setzt denn auch wirklich die Religion alles, was sie mit Bewußtsein verneint – vorausgesetzt natürlich, daß dieses von ihr Verneinte etwas an sich Wesenhaftes, Wahres, folglich nicht zu Verneinendes ist –, unbewußt wieder in Gott. So verneint der Mensch in der Religion seine Vernunft: er weiß nichts aus sich von Gott, seine Gedanken sind nur weltlich, irdisch: er kann nur glauben, was Gott ihm geoffenbart. Aber dafür sind die Gedanken Gottes menschliche, irdische Gedanken; er hat Plane, wie der Mensch, im Kopf; er bequemt sich nach den Umständen und Verstandeskräften der Menschen wie ein Lehrer nach der Fassungskraft seiner Schüler; er berechnet genau den Effekt seiner Gaben und Offenbarungen; er beobachtet den Menschen in all seinem Tun und Treiben; er weiß alles – auch das Irdischste, das Gemeinste, das Schlechteste. Kurz, der Mensch verneint Gott gegenüber sein Wissen, sein Denken, um in Gott sein Wissen, sein Denken zu setzen. Der Mensch gibt seine Person auf, aber dafür ist ihm Gott, das allmächtige, unbeschränkte Wesen ein persönliches Wesen; er verneint die menschliche Ehre, das menschliche Ich, aber dafür ist ihm Gott ein selbstisches, egoistisches Wesen, das in allem nur sich, nur seine Ehre, seinen Nutzen sucht, Gott eben die Selbstbefriedigung der eignen, gegen alles andere mißgünstigen Selbstischkeit, Gott der Selbstgenuß des Egoismus. Die Religion verneint ferner das Gute als eine Beschaffenheit des menschlichen Wesens: der Mensch ist schlecht, verdorben, unfähig zum Guten, aber dafür ist Gott nur gut, Gott das gute Wesen. Es wird die wesentliche Forderung gemacht, daß das Gute als Gott dem Menschen Gegenstand sei; aber wird denn dadurch nicht das Gute als eine wesentliche Bestimmung des Menschen ausgesprochen? Wenn ich absolut, d. h. von Natur, von Wesen böse, unheilig bin, wie kann das Heilige, das Gute mir Gegenstand sein? gleichgültig ob dieser Gegenstand von außen oder von innen mir gegeben ist. Wenn mein Herz böse, mein Verstand verdorben ist, wie kann ich was heilig, als heilig, was gut, als gut wahrnehmen und empfinden? Wie kann ich ein schönes Gemälde als schönes wahrnehmen, wenn meine Seele eine ästhetische Schlechtigkeit ist? Wenn ich auch selbst kein Maler bin, nicht die Kraft habe, aus mir selbst Schönes zu produzieren, so habe ich doch ästhetisches Gefühl, ästhetischen Verstand, indem ich Schönes außer mir wahrnehme. Entweder ist das Gute gar nicht für den Menschen, oder ist es für ihn, so offenbaret sich hierin dem Menschen die Heiligkeit und Güte des menschlichen Wesens. Was schlechterdings meiner Natur zuwider ist, womit mich kein Band der Gemeinschaft verknüpft, das ist mir auch nicht denkbar, nicht empfindbar. Das Heilige ist mir nur als Gegensatz gegen meine Persönlichkeit, aber als Einheit mit meinem Wesen Gegenstand. Das Heilige ist der Vorwurf meiner Sündhaftigkeit; ich erkenne mich in ihm als Sünder, aber darin tadle ich mich, erkenne ich, was ich nicht bin, aber sein soll, und eben deswegen an sich, meiner Bestimmung nach, sein kann; denn ein Sollen ohne Können ist eine lächerliche Chimäre, ergreift nicht das Gemüt. Aber eben indem ich das Gute als meine Bestimmung, als mein Gesetz erkenne, erkenne ich, sei es nun bewußt oder unbewußt, dasselbe als mein eignes Wesen. Ein anderes, seiner Natur nach von mir unterschiednes Wesen geht mich nichts an. Die Sünde kann ich als Sünde nur empfinden, wenn ich sie als einen Widerspruch meiner mit mir selbst, d. h. meiner Persönlichkeit mit meiner Wesenheit empfinde. Als Widerspruch mit dem göttlichen, als einem andern Wesen gedacht, ist das Gefühl der Sünde unerklärlich, sinnlos.

      Der Unterschied des Augustinianismus vom Pelagianismus besteht nur darin, daß jener in der Weise der Religion ausspricht, was dieser in der Weise des Rationalismus. Beide sagen dasselbe, beide eignen dem Menschen das Gute zu – der Pelagianismus aber direkt, auf rationalistische, moralische Weise, der Augustinianismus indirekt, auf mystische, d. i. religiöse Weise. Denn was dem Gott des Menschen gegeben wird, das wird in Wahrheit dem Menschen selbst gegeben; was der Mensch von Gott aussagt, das sagt er in Wahrheit von sich selbst aus. Der Augustinianismus wäre nur dann eine Wahrheit, und zwar eine dem Pelagianismus entgegengesetzte Wahrheit, wenn der Mensch den Teufel zu seinem Gotte hätte, den Teufel, und zwar mit dem Bewußtsein, daß er der Teufel ist, als sein höchstes Wesen verehrte und feierte. Aber solange der Mensch ein gutes Wesen als Gott verehrt, solange schaut er in Gott sein eignes gutes Wesen an.

      Wie mit der Lehre von der Grundverdorbenheit des menschlichen Wesens, ist es mit der damit identischen Lehre, daß der Mensch nichts Gutes, d. h. in Wahrheit nichts aus sich selbst, aus eigner Kraft vermöge. Die Verneinung der menschlichen Kraft und Tätigkeit wäre nur dann eine wahre, wenn der Mensch auch in Gott die moralische Tätigkeit verneinte und sagte, wie der orientalische Nihilist oder Pantheist: das göttliche Wesen ist ein absolut willen- und tatloses, indifferentes, nichts vom Unterschied des Bösen und Guten wissendes Wesen. Aber wer Gott als ein tätiges Wesen bestimmt, und zwar als ein moralisch tätiges, moralisch kritisches Wesen, als ein Wesen, welches das Gute liebt, wirkt, belohnt, das Böse bestraft, verwirft, verdammt, wer Gott so bestimmt, der verneint nur scheinbar die menschliche Tätigkeit, in Wahrheit macht er sie zur höchsten, reellsten Tätigkeit. Wer Gott menschlich handeln läßt, der erklärt die menschliche Tätigkeit für eine göttliche; der sagt: ein Gott, der nicht tätig ist und zwar moralisch oder menschlich tätig, ist kein Gott, und macht daher vom Begriffe der Tätigkeit, respektive СКАЧАТЬ