Der Meerkönig. Balduin Möllhausen
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Meerkönig - Balduin Möllhausen страница 42

Название: Der Meerkönig

Автор: Balduin Möllhausen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754176504

isbn:

СКАЧАТЬ Papier darreichend, ohne jedoch die rechte Hand von dem Verschlusse der Fallthür zu entfernen.

      Die Gräfin ließ ihre Blicke prüfend über das Blatt gleiten, dasselbe so haltend, daß ihr Bruder mit hineinsehen konnte. Die Züge Beider drückten eine hohe Spannung aus, und kaum wagten sie zu athmen vor Erwartung und innerer Aufregung.

      Plötzlich legte die Gräfin ihren Zeigefinger auf eine Stelle ganz unten am Rande des Papiers, und indem sie langsam las, folgte die Fingerspitze den nächsten Zeilen Wort für Wort nach.

      »Es ist richtig,« bemerkte sie endlich, und ein heller Triumph blitzte aus ihren Augen.

      Nachdem sie darauf aus ihrer und ihres Bruders Börse die geforderte Summe zusammengezählt hatte, händigte sie Merle das Geld ein.

      »Auf ein Gegenversprechen des Schweigens von Ihnen verzichte ich,« sagte sie mit ihrem gewöhnlichen, hochmüthigen Wesen zu dem fast achtungsvoll zu ihr emporschauenden Gauner; »Sie würden doch thun, was Sie wollen ...«

      »Keineswegs, gnädige Gräfin, mein Ehrenwort ...« stotterte dieser, förmlich berauscht durch den Anblick des in seinen Händen befindlichen Reichthums.

      »Unterbrechen Sie mich nicht,« fiel ihm die Gräfin voller Verachtung in die Rede, »ich verlange Ihr Ehrenwort nicht, nur das Licht reichen Sie mir, damit ich unser Uebereinkommen besiegle; ich würde es mir selbst holen, wenn ich Ihnen nicht den Gefallen erweisen möchte, bis zum letzten Augenblicke auf der Fallthür sitzen zu bleiben.«

      Merle trieb mit einem Stoße seiner Hand den Keil wieder tief in den Ring hinein, und dann emporspringend, reichte er der Gräfin die brennende Kerze mit einer Verbeugung dar.

      Diese nahm das Licht in die linke Hand, und das Blatt unverzüglich der Flamme nähernd, brannte sie die eine Ecke desselben an, worauf sie Merle das Licht zurückgab.

      Aller Augen waren auf das brennende Papier gerichtet, welches die Gräfin, um sich des Anblickes länger zu erfreuen, so hielt, daß die Flammen nur sehr langsam niederwärts glitten. Niemand sprach ein Wort; die eigenthümlich roth beleuchteten Gesichter dagegen drückten eine Spannung aus, als ob von der Vernichtung des Documentes das Geschick von Welten abgehangen hatte, und merkwürdig contrastirte der auf den Zügen der Geschwister ausgeprägte Triumph zu dem Bedauern, mit welchem Merle das Papier in Asche zerfallen sah, dem er eine so reiche Beute abzugewinnen gewußt hatte.

      Als die Flammen endlich die behandschuhten Fingerspitzen der Gräfin berührten, legte sie den letzten Rest des Papiers vor sich nieder, sorgfältig darauf achtend, daß auch dieser vollständig verzehrt wurde.

      Die Flamme erlosch; eilfertig tanzten und rannten die letzten Funken auf den schwarzen Aschenflocken hin und her, und tiefer neigten die drei Gesichter sich über dieselben hin.

      Sie boten einen unheimlichen Anblick dar, diese von den verschiedenartigsten Gefühlen bewegten Menschen, wie sie in der Ausführung verbrecherischer Anschläge jeden Standesunterschied vergaßen, sich gleichsam auf eine Stufe stellten und unwillkürlich dichter zusammenrückten; doppelt unheimlich bei der Todtenstille, welche sie umgab.

      »Es ist geschehen!« sagte die Gräfin endlich mit einem Ausdrucke, als wäre eine unendliche Last von ihrer Brust gewälzt worden, und zugleich verschwand ein kleines, geisterbleiches Antlitz, welches während der letzten Minuten neugierig in das Gemach hineingespäht hatte, hinter dem Thürpfosten.

      »Es ist geschehen!« wiederholte der Graf in gleicher Weise.

      »Ja, es ist geschehen!« sagte auch Merle, indem er seine Hand krampfhaft auf die mit Gold gefüllte Tasche drückte, wobei er sich eines gewissen Bedauerns nicht erwehren konnte, nicht mehr gefordert zu haben.

      Die Gräfin und der Graf erhoben sich.

      Erstere warf noch einen starren Blick auf das schwarze Aschenhäufchen und dann vernichtete sie auch dieses, indem sie ihren schmalen Fuß heftig auf dasselbe stellte.

      Ein giftiges Hohnlächeln flog über ihr stolzes Gesicht, ein Hohnlächeln, welches sogar Merle mit Scheu erfüllte.

      »Die Todten kehren nicht in's Leben zurück, und in Asche ist der letzte Beweis zerfallen!« sagte sie laut und vernehmlich, obwohl wie zu sich selbst sprechend. Dann aber sich emporrichtend, zeigte sie einen Ausdruck, so ruhig und kalt, als wären die Begebenheiten der letzten Stunden nur ein harmloser Traum gewesen.

      »Gestatten Sie uns jetzt, Ihre Fallthür zu verlassen?« fragte sie den Gauner, und ihre Lippen kräuselten sich höhnisch und in grenzenloser Verachtung empor.

      »Die gnädige Gräfin haben in diesem Hause wie auch ganz besonders über meine Person zu befehlen,« antwortete Merle unterwürfig; »sei es Tag oder Nacht, die gnädigen Herrschaften werden stets einen gewissenhaften Diener in mir finden.«

      »Gut, so befehle, ich Ihnen, uns voranzuleuchten ...« - Hier schwieg die Gräfin bestürzt; ein leises, schlürfendes Geräusch hatte von dem Gange her ihr Ohr erreicht.

      »Was war das?« fragte sie ängstlich. »Ich hoffe, es sind keine Zeugen zugegen gewesen?«

      »Keine anderen Zeugen, als Ratten und Mäuse,« erwiderte Merle, der sich ebenfalls entfärbt, aber schnell wieder gefaßt hatte. »Den Weg hier herauf zu finden, würde selbst am hellen Tage Niemandem gelungen sein, ohne sich durch Knarren und Poltern anzumelden; aber kommen die gnädigen Herrschaften und überzeugen Sie sich selbst.«

      So sprechend, schritt er, beständig hinter sich leuchtend, auf den Gang hinaus und diesem nachfolgend bis an die leiterähnliche Treppe vor. Hier blieb er eine Weile lauschend stehen, und mit ihm lauschten die beiden Geschwister.

      Todtenstille herrschte in dem ganzen Hause; von der Straße herauf hallten deutlich die schweren Schritte eines einzelnen Vorübergehenden, während aus der Ferne sich das gedämpfte Rollen der Wagen vernehmen ließ und von den Thürmen der Kirchen das Ende der Mitternachtsstunde angemeldet wurde.

      »Dies ist ja eine schreckliche Passage!« brach der Graf endlich das Schweigen, indem er bis dicht an die Treppe vortrat und niederwärts schaute. »Wie sollen wir da hinuntergelangen?«

      »Der Weg ist allerdings etwas unbequem,« entgegnete Merle und behutsam kletterte er voraus, um seinen Begleitern diejenigen Stufen zu bezeichnen, welchen sie sich ohne Besorgniß anvertrauen durften. »Ich habe Sie im Dunkeln heraufgeführt, weil ich vermuthete, Sie würden mir nicht folgen, wenn Sie den halsbrechenden Weg sähen.«

      »Verräth uns der Lichtschimmer nicht?« fragte die Gräfin, einen gleichgültigen Blick in die schwarze Tiefe sendend.

      »Hier oben nicht,« antwortete Merle, »unten dagegen werde ich das Licht auslöschen müssen.«

      Dies waren die letzten Worte, die in dem verödeten Hause gewechselt wurden.

      Zehn Minuten später lugte Merle vorsichtig durch die Thürspalte auf die Straße hinaus.

      »Die Luft ist rein,« flüsterte er rückwärts.

      Die Pforte knarrte und kreischte, die drei Gestalten traten hastig in's Freie, und mit klingendem Schalle flog der fest herangezogene Riegel des verrosteten Schlosses in die leere Haft des Thürpfostens.

      Ohne einen Augenblick zu zögern, traten die nächtlichen Wanderer eiligen Schrittes den Heimweg an, Merle als Führer voran, und dicht hinter ihm der Graf und die Gräfin. Die Luft war kalt, die СКАЧАТЬ