Der Meerkönig. Balduin Möllhausen
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Читать онлайн книгу Der Meerkönig - Balduin Möllhausen страница 38

Название: Der Meerkönig

Автор: Balduin Möllhausen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754176504

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СКАЧАТЬ wollen Sie uns führen?« fragte der Graf jetzt wieder, nachdem er seiner Bestürzung Herr geworden war.

      »An einen sichern Ort, meine Herrschaften, an einen Ort, wo kein menschliches Ohr uns hört und Ihnen so wenig wie mir Gefahr droht. Wir wandeln nämlich auf gefährlichem Boden, und wer von uns die am meisten bedrohte Partei ist, werden Sie selbst am besten ermessen.«

      Es erfolgte jetzt eine kurze, im Flüstertone geführte Berathung zwischen den beiden Geschwistern, bei welcher die Gräfin augenscheinlich die entscheidende Stimme führte, denn sie trat zuerst neben Merle hin, ihn auffordernd, voranzuschreiten.

      »Es ist nicht unmöglich, daß Ihre Mittheilungen, wenn auch nicht für uns, doch für andere, uns bekannte Personen Werth haben,« sagte sie mit kalter Ruhe, hinter welcher nur eine eiserne Willenskraft wohnen konnte; »wir wollen daher um das Blatt förmlich handeln - vorausgesetzt, Sie haben dasselbe nicht gefälscht - und sind Ihre Forderungen nicht zu unverschämt, sollen sie Ihnen bewilligt werden.«

      Der Gauner antwortete durch ein unterdrücktes, vertrauliches Lachen, zog seinen Rock fester um sich und schlug dann denselben Weg ein, den er gekommen war.

      »Sie müssen einem armen Teufel schon gestatten, daß er wie Ihresgleichen in einer Reihe mit Ihnen geht,« sagte er nach einer Weile, als er bemerkte, daß der Graf sich etwas entfernt von ihm hielt; »nicht als ob mir viel um die Ehre zu thun wäre, mit hochgeborenen Herrschaften beinahe Arm in Arm zu gehen, denn in diesem Augenblicke sind wir doch so ziemlich gleich; nein, gewiß nicht; aber es ist rathsamer, die uns etwa begegnenden Wächter halten uns für ein Kleeblatt von lustigen Nachtschmetterlingen, als wenn sie in mir den Führer und in Ihnen ein paar verführte junge Leute vermuthen.«

      Die Gräfin knirschte mit den Zähnen, der Graf stieß einen leisen Fluch aus, doch zögerten Beide nicht, sich dem Gauner dichter anzuschließen, und schweigend eilten sie in vielfachen Windungen durch die engen, anscheinend verödeten Gassen dahin.

      Nach Verlauf einer Viertelstunde, die Merle dazu verwendet hatte, auf weiten Umwegen in eine ganz nahe gelegene Sackgasse zu gelangen, ohne Zweifel, um seinen Begleitern das Wiederauffinden des zurückgelegten Weges zu erschweren, blieb er vor einem hohen, dem Aeußeren nach unbewohnten Gebäude stehen.

      »Hier hinein müssen wir,« sagte er flüsternd, nachdem er einige Secunden gelauscht hatte; »einen sicherern Ort giebt es in der ganzen Stadt nicht. Die Herrschaften werden zwar manche Bequemlichkeit vermissen, allein wenn wir uns schnell einigen, mögen Sie diese Gegend auch schnell wieder verlassen.«

      So sprechend, zog er ein großes Zuschlagemesser aus der Tasche, und die starke Klinge desselben zwischen den morschen Thürpfosten und das lose haftende Schloß schiebend, gelang es ihm leicht, den rostigen Riegel zur Seite zu drücken. Indem er sich sodann mit der Schulter an die Thür lehnte, wich dieselbe mit knarrendem und schurrendem Geräusch nach innen. »Wie gesagt, meine gnädigen Herrschaften, etwas unwohnlich ist die alte Baracke, und zwar so unwohnlich, daß kein Mensch mehr in ihr hausen mag, aus Besorgniß, daß ihm die Bude über dem Kopfe zusammenbrechen könne,« bemerkte Merle spöttisch, einen Schritt zurücktretend und durch eine Bewegung die beiden Geschwister auffordernd, einzutreten; »und dabei ist sie so werthlos, daß sich Niemand dazu findet, sie auch nur auf Abbruch zu kaufen.«

      »Aber es ist ja stockfinster da drinnen,« versetzte der Graf zaudernd.

      »Geniren Sie sich nicht,« antwortete Merle boshaft, »treten Sie immer ein; ich will nur die Thür hinter uns zuschieben, und dann führe ich Sie - oder fürchten Sie sich etwa?«

      »Schnell, schnell,« sagte die Gräfin ungeduldig, und hastig schritt sie ihrem Bruder voran in die dunkle, schmale Hausflur hinein. »Sie sind nicht der Mann, uns Furcht einzuflößen; wir können nicht leicht eingeschüchtert werden, wir sind bewaffnet.«

      »Dachte ich's doch, daß Sie meiner geheimen Aufforderung nicht folgen würden, ohne sich auf alle Fälle vorbereitet zu haben,« hohnlachte Merle; »die Mühe hätten Sie sich indessen ersparen können, es geschieht Ihnen nichts; im Gegentheil, mir ist sehr darum zu thun, daß Sie Ihre Wohnung wohlbehalten erreichen und noch recht lange und recht glücklich leben.«

      Bei diesen Worten schob er die Thür wieder zu, doch ließ er den Riegel mit Bedacht nicht einspringen.

      »Sie sehen, die Thür bleibt unverschlossen,« fuhr er darauf heimlich flüsternd fort, »der Rückweg steht Ihnen also jederzeit offen.«

      »Wäre es nicht besser, zuzuschließen?« fragte der Graf, der Angesichts des Muthes seiner Schwester den eigenen Muth ebenfalls wieder wachsen fühlte; »ich meine, wir befänden uns vor unberufenen Zeugen sicherer, und mir liegt sehr wenig daran, an solchem Orte und in Ihrer Gesellschaft gesehen zu werden.«

      »Beruhigen Sie sich, Herr Graf, wer auch immer hier eindringen mag, muß die Thür zurückschieben, und daß dies nicht ohne ein durch die ganze Baracke schallendes Geräusch geschehen kann, haben Sie eben gehört. Uebrigens getrauen sich nicht leicht Menschen im Dunkeln hier herein, denn sie müssen bei jedem Schritte befürchten, mit den von Würmern zerfressenen Bretern durchzubrechen und sich Arme und Beine zu zerschmettern; die Kinder aber, die während des Tages an diesem Orte manchmal Schutz gegen das Wetter suchen und spielend in dem baufälligen Gerüste umherklettern, werden sich hüten, bei solcher Hundekälte hier zu übernachten. Aber bitte, gnädigste Gräfin, reichen Sie mir die Hand, denn erstens muß ich Sie vor Unglück bewahren, das leicht durch einen Fehltritt herbeigeführt werden kann, und dann dürfen Sie mich auch dreist anfassen, weil ich Handschuhe trage.«

      »Hannibal, ich lasse Dir den Vortritt,« flüsterte die von unbesiegbarem Widerwillen ergriffene und über die vertrauliche Sprache des Gauners entrüstete Gräfin ihrem Bruder zu, indem sie sich rückwärts an demselben vorbeidrängte.

      Dieser ergriff darauf entschlossen Merle's Hand, und seiner Schwester die noch freie Hand reichend, forderte er seinen Führer auf, nicht länger zu zögern.

      Merle lachte wiederum höhnisch; er war scharfsinnig genug, zu errathen, weshalb die beiden Geschwister ihre Plätze wechselten. Er hielt es indessen nicht der Mühe werth, eine Bemerkung darüber zu machen, und indem er sich langsam vorwärts tastete, zwang er den Grafen, genau seinen Spuren zu folgen.

      Anfangs fühlten sie sichern Boden unter ihren Füßen, sobald sie aber die Breite des zerfallenden Hauses durchschritten hatten, ermahnte der Gauner die Geschwister zu doppelter Vorsicht, weil sie nunmehr eine Treppe zu ersteigen hätten, an der nicht nur das Geländer, sondern auch hin und wieder eine Stufe fehle.

      »Was nicht gerade durch eiserne Klammern und Kalk mit dem Mauerwerk verbunden gewesen ist, haben die Nachbarn längst fortgeschleppt,« erklärte er, während er langsam und jedes Mal die Haltbarkeit der Stufe prüfend, bevor er ihr sein Gewicht anvertraute, emporstieg: »Das Holz ist theuer, und frieren wollen die Leute nicht gern - verdammt finster hier, aber das ist um so besser; bei Tage würde den gnädigen Herrschaften vielleicht schwindelig werden.«

      Eine Antwort erhielt er nicht, denn der Graf sowohl wie seine Schwester empfanden eine seltsame Beklemmung, indem sie bedachten, daß sie sich vollständig in die Gewalt eines gewissenlosen Verbrechers gegeben hatten, der, wenn er wollte, sie in jedem Augenblicke ihrem Schicksale überlassen und dadurch am leichtesten ihr Verderben herbeiführen konnte.

      Nach Ersteigung von ungefähr zwanzig vielfach unterbrochenen Stufen gelangten sie auf eine kleine Abflachung, welche Merle die zweite Etage nannte. Gleich darauf betraten sie eine neue Treppe, die, noch mangelhafter, als die erste, den Vorzug hatte, daß der Rest eines festen, allmählich glatt geriebenen Strickes an ihr niederhing, welcher seit uralten Zeiten das fehlende Geländer vertreten hatte.

      Der СКАЧАТЬ