Hotel Amerika. Maria Leitner
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Название: Hotel Amerika

Автор: Maria Leitner

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754175675

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СКАЧАТЬ Sie flößt ihm wahres Entsetzen ein. Er ist noch von Berlin allerlei Elend gewöhnt, aber das hier ist doch etwas anderes, diese wildwuchernde Unordnung. Fritz kennt eine behördlich registrierte, gestempelte, statistisch und amtlich festgestellte Armut, mit Anstellen und Aufschreiben, mit Zetteln und Ämtern, mit eingezogenen Erkundigungen und alphabetischem Verzeichnis.

      Auf der Bowery kann man sich höchstens um eine verdächtig aussehende Suppe anstellen, die in einem Blechtopf zusammen mit Gebeten und Predigten serviert wird. Es gibt Nachtasyle in Kirchen, in denen man auf Zeitungspapier schläft und wo man von Neugierigen, die in Touristenautos angefahren kommen, gegen Eintrittsgeld, das aber nicht ihnen, sondern der Kirche zugute kommt, bestaunt wird. Heilsarmeesänger vermischen sich mit Betrunkenen und schweren Jungens; Stellenvermittelungsbüros, die Sklavenmärkte genannt werden, sind Gebethäusern und Juwelengeschäften, in denen beste „Sore" feilgeboten wird, benachbart. Fritz hat vor allem vor den Stellenvermittelungsbüros Angst. Sie vermitteln nur Stellen nach auswärts. Transporte gehen von dort ab in menschenleere Gegenden, um "Wege zu bauen, oder nach einem primitiven Bergwerk, in dem alle Sicherungen fehlen, die das Leben der Arbeiter schützen. Noch schlimmer. Hier werden Streikbrecherkolonnen organisiert, ohne dass die Beteiligten etwas davon ahnen. Erst wenn sie die Reise hinter sich haben und keinen Cent mehr besitzen, um zurückfahren zu können, erfahren sie den Zweck ihrer Fahrt.

      Sagt einer „ja" in diesen Agenturen, so ist er schon Sklave. „Na, Junge, bleib man da, deine Kolonne geht bald ab." Und schon sitzt er in der Falle.

      Nein, das ist nichts für Fritz, da will er lieber die Hände von der Bowery lassen.

      Fritz hatte Glück, dass ihn Heinrich fand und, als er das Schicksal Fritz' erfuhr, mit dem Geschäftsführer eine Abmachung traf, wonach Fritz nachts, wenn Heinrich auf Arbeit ging, in dessen Bett schlafen durfte.

      Jetzt werden beide hineingerufen zu dem Mächtigen. Der Nachtwächter Klüter dreht seinen Hut in der Hand und entwirft ein schmeichelhaftes Bild Fritzens. Der „Zeithalter" beugt sich über eine riesige Tabelle mit vielen Zahlen, die das Personal bedeuten. Er macht grafische Zeichnungen wie ein Feldherr. Nein, Nachtwächter kann Fritz nicht werden. Er wird bleich. Sollte auch heute alles vergeblich sein? Aber der Mächtige will doch mal sehen; er setzt eine wichtige Miene auf. Dann stößt er mit dem Bleistift, sagt kurz: „Küche" — und somit kommt Fritz in die größte Kochanstalt der Welt.

      Viertes Kapitel

      Shirley ist unten in der Wäscherei angekommen. Alles hier ist ihr vertraut und alles verhasst.

      Die Luft, diese neblige, weiße, schwere Luft, der Geruch der Lauge, der nassen Linnen, der gebrauchten Wäsche, der frischgewaschenen Wäsche.

      Sie kennt alle Geräusche, das Knarren der elektrischen Rollen, das schnelle, taktmäßige Rattern der Waschmaschinen, ihre gellenden Pfiffe, — die Zeichen, dass sie die ihnen vorgeschriebene Arbeit verrichtet haben, — das Summen der Gasflammen in der endlosen Reihe der Gehäuse, die die Gestelle zum Trocknen bergen.

      Diese Geräusche vermengen sich mit dem gutturalen Lachen, mit dem Gesang und Geschrei der Negerinnen. Sie stehen stark und breit in dem riesigen Raum, dort, wo die Arbeit am schwersten ist, und lachen. Elfenbeinfarbene, kaffeebraune, erdschwarze Negerinnen, eine Farbenskala von gelb, braun und schwarz in allen Tönungen. Aber wenn sie lachen, scheinen sie sich alle mit ihren lebensvollen Lippen, mit ihrem schneeweißen, blendenden Gebiss zu gleichen. Die schwarzen Finger glätten die Laken auf den elektrischen Rollen; die vielen dunklen Hände, die die Bügeleisen führen, bewegen sich gleichzeitig, als hingen sie an ein und demselben Draht. Heute aber ist noch etwas im Raum, eine geheime Erregung, ein Flüstern, das verstummt, wenn die Aufseher vorbeigehen.

      Der Führer eines der Wascheaufzüge, ein schmächtiger, älterer Mann, liegt auf dem Boden, in der Nähe eines Wascheschluckers, durch den die Linnen der täglich frisch bezogenen viertausend Betten in die Wäscherei befördert werden. Wie ein Wasserfall strömt die Wäsche auf ihn herab, sie verbirgt ihn fast ganz, aber es ist ihm recht so. Er will nicht von unberufenen Augen entdeckt werden, und die unberufenen Augen gehören den Vorgesetzten, die nicht sehen dürfen, dass er außer Atem, keuchend auf dem Boden liegt. Ein Neger, der auch sonst öfter die Aufzüge der Wäscherei bedient, fährt jetzt für ihn; vorläufig hat die Aufsicht noch nichts bemerkt.

      Er versucht, den Atem zurückzuhalten, das Keuchen, das immer wieder aus ihm hervorbricht, zu bewältigen, aber es gelingt ihm nicht; im Gegenteil, ein Hustenreiz überfällt ihn, er spürt blutigen Schaum auf den Lippen. „Komm, wir führen dich zum Arzt", sagen die Wäscherinnen, die mitleidig immer wieder nach ihm sehen, aber nicht weiter helfen können.

      Die Worte kommen nur mühselig aus seinem Mund. „Nein, nein, niemand darf wissen, was geschehen ist, sie würden mich fortschicken."

      „Aber du bist doch nicht schuld, im Gegenteil, wir werden Lärm schlagen! Man sorgt nicht dafür, dass unsere Aufzüge in Ordnung sind, wir werden unser Leben nicht gefährden lassen."

      Folgendes war geschehen: Der Aufzugführer fuhr einige Wäschereiwagen in höhere Stockwerke. In seinem Aufzug nahm er auch Personal mit. Bis zum 10. Stockwerk ging alles in Ordnung. Hier stiegen verschiedene Hausmänner mit den Wäschereiwagen aus. Um ihnen Platz zu machen und sie hinaus zu lassen, verließ auch der Führer den Lift und hielt die Tür offen. Es waren nur noch Frauen in dem Aufzug. In diesem Augenblick stieg der Lift, ohne den Führer, ohne sichtlichen Grund plötzlich in die Höhe. Die Frauen kreischten; keine wusste, wie der Aufzug zum Stillstehen gebracht werden konnte. In tödlichem Schreck rennt der Führer die Treppen hinauf, dem Aufzug nach; er kann ihn nicht erreichen, der Aufzug ist schneller als er. Bis der Führer im nächsten Stock ankam, stieg der Aufzug schon weiter. Die Frauen schrieen in Panik und winkten ihm zu. Je höher er steigt, um so schwerer fällt ihm das Rennen, um so größer wird seine Angst. Später kann er überhaupt nicht mehr denken; er weiß nur, er muss den Aufzug erreichen, sonst geschieht ein schreckliches Unglück.

      Die Treppen schienen zu wachsen; der Aufzug hatte schon einen Vorsprung von zwei Stockwerken, es war keine Hoffnung vorhanden, ihn zu erreichen, und doch kroch er ihm nach, auf Händen und Füßen!

      Endlich, es erschien ihm eine Ewigkeit, eine Ewigkeit voll Grauen und Schrecken, erreichte der Aufzug das höchste Stockwerk, das dreißigste, und hielt an, ganz ruhig, so als ob nichts geschehen wäre. Der Führer kam herangekrochen, kalkweiß, als hätte jeder Blutstropfen sein Gesicht verlassen, mit schäumendem Mund, an allen Gliedern zitternd, öffnete den Aufzug, ließ die Frauen hinaus und fiel dann hin, halb bewusstlos.

      Die Frauen schrieen nach dem ausgestandenen Schreck durcheinander.

      „Mensch, wir dachten schon, das ist unsere letzte Fahrt." „Nicht für eine Million Dollar möchte ich das noch mal mitmachen."

      „Mach dir nur keine überflüssigen Sorgen, keiner wird dir eine Million Dollar geben, aber wenn die Herren denken, die Aufzüge für das Personal brauchten nicht extra gut zu funktionieren, kannst du den Spaß ganz umsonst noch mal erleben." „Wir beschweren uns, zum Teufel auch."

      Der Führer lag am Boden und konnte noch immer nicht sprechen.

      „Eine Maschine kann schon mehr als so ein armes Menschlein."

      „Ja, für den Lift sind dreißig Stockwerke nichts, und der Mensch ist gleich hin, wenn er nur sechzehn Stockwerke schnell hinauflaufen will."

      Man schaffte den Führer hinunter in die Wäscherei. Nur langsam kam er zur Besinnung. Das erste, was ihm einfiel, war, dass seine Vorgesetzten nichts erfahren durften, man würde ihn entlassen. Man würde nie zugeben, dass der Mechanismus versagt hatte, sondern СКАЧАТЬ