Hotel Amerika. Maria Leitner
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Название: Hotel Amerika

Автор: Maria Leitner

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754175675

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СКАЧАТЬ Sie mir Ihre Arbeitskarte und Nummer für heute abend, das ist alles, verstehen Sie jetzt?" „Verstehen kann ich nicht, wie jemand zu so etwas Lust haben kann. Eine Hochzeit ist kein Spaß, für niemanden, mein Herr, aber für die Kellner schon ganz gewiss nicht. Sie wollen also Kellner spielen, darauf läuft wohl Ihr Vorschlag hinaus?"

      „Passen Sie auf, Sie können heute einen freien Abend haben und mich zur Aushilfe schicken, — und der Verdienst gehört doch Ihnen."

      „Dass ich nicht lach', mein Herr, meine Stellung soll ich aufs Spiel setzen und nicht mehr haben, als das, was Sie verdienen können? Glauben Sie denn, es ist so leicht, Kellner zu werden, dass es nicht auch eine Kunst ist, die gelernt werden muss."

      „Beruhigen Sie sich, ich werde schon meine Sache gut machen, ich war schon Kellner, ich war schon alles. Sie würden schwer einen Beruf ausfindig machen, den ich nicht schon ausgeübt hätte."

      „So, Sie waren früher Kellner? Vorhin erzählten Sie etwas von einer Perspektive, die Sie studieren möchten. Wenn Sie schon Kellner waren, warum wollen Sie jetzt wieder einer sein? Wenn man den Dreh kennt und nicht unbedingt Geld zum Leben braucht, hat man keine Sehnsucht, noch einmal anzufangen."

      „Ich habe Ihnen schon gesagt, ich will dieses bestimmte gesellschaftliche Ereignis von der Hintertreppe aus sehen." Alex überlegt schnell. Was will eigentlich der Bursche? z6

      Juwelen stehlen? Armer Mensch, der würde seine Enttäuschungen erleben. Auf jeden Gast kommt ein Detektiv und auf jeden Kellner kommen zwei. Da könnte er schon leichter Juwelen auf der Fifth Avenue klauen. Andererseits: Unannehmlichkeiten könnte ich ja doch nicht haben, wenn ich ihn auch wirklich einschmuggelte; ich wüsste schon, wie ich mich ausreden würde. Und es würde ihm schon Hören und Sehen vergehen, wenn ihn unsere „Kapitäne" hin und her kommandieren.

      Er lässt seine Augen über Herrn Fish auf- und abwandern. „Mein Herr, Sie glauben, es ist so leicht, im Hotel Amerika als Kellner eingestellt zu werden. Ich bin nicht eingebildet, aber sehen Sie sich mal meine Figur an, sehen Sie sich mein Profil an. Wer Kellner im Hotel Amerika werden will, noch dazu Aushilfskellner bei einer erstklassigen Hochzeit, der muss über ein tadelloses Äußeres verfügen, mein Herr. Ein Tenor kann einen Bauch haben, ein Liebhaber auf der Bühne krumme Beine, aber ein Kellner im Hotel Amerika muss aussehen, dass die Leute Appetit bekommen, wenn sie ihn erblicken. Wenn Sie nur eine Pustel haben, schickt Sie der Ober nach Hause."

      Der Kerl ist unverschämt, denkt Herr Fish. Aber er lässt sich auf keine weitere Diskussion mehr ein. „Also hören Sie, Sie leihen mir heute abend Ihren Frack, Ihre Nummer und Ihre Arbeitskarte. Ich wette, keiner wird merken, dass ein anderer Kellner zur Arbeit angetreten ist, trotz Ihres vollkommenen Profils. Machen Sie sich also keine Sorgen."

      „Mein Herr, Sie denken, Sie können nur so ohne weiteres über mich verfügen, das Ganze muss noch genau überlegt werden. Wie soll es sich mit meinem entgangenen Verdienst verhalten?"

      „Wie viel pflegen Sie an solchem Abend einzunehmen?" „Na ja, 25 Dollar ist das wenigste", — der „schöne Alex" ist der Meinung, dass es nichts schaden kann, wenn er seine Verdienstmöglichkeiten vergrößert — „multiplizieren wir diesen Betrag mit sechs, und dann will ich noch über die Angelegenheit nachdenken." „Sie wollen mich ganz ausplündern?" „Wir brauchen über die Sache ja nicht weiter zu reden." „Also mit vier."

      „Mit fünf, oder ich spreche kein Wort mehr." Der „schöne Alex" sieht Zahlen vor seinen Augen. Eintausenddreihundertfünfundsiebzig Dollar hat er auf der Sparkasse, kämen heute abend noch die hundertfünfundzwanzig Dollar dazu, so hätte er rund eintausendfünfhundert. Die Hälfte der Summe, die er unbedingt haben will. Mit dreitausend Dollar könnte er in der 81. Straße schon etwas anfangen, aber wann wird er so weit sein? Auf der Sparkasse hat er erst eintausenddreihundertfünfundsiebzig, das sind sechs Jahre Bücklinge, das sind Geschirrwaschen in einem schmutzigen Lokal in Cherry Street, Nachtarbeit in einer Matrosenkneipe in Hoboken, vierzehn Stunden Arbeit bei vierzig Grad Wärme in einem Seebad. Das ist Schöntun bei der Witwe Lohengreen, das sind Entsagungen an freien Tagen, das sind schmutzige kleine Dienste, die schlecht bezahlt werden. Ein Sparkassenbuch über eintausenddreihundertfünfundsiebzig Dollar, das sind sechs Jahre Robot, Qual und Dreck, und er braucht dreitausend. Zum Teufel auch, es wäre Zeit, dass auch er einmal Glück hätte! „Mit vier", sagt Herr Fish, der schon viel auf eine Karte gesetzt hat. „Sie bekommen Ihr Geld, wenn Sie mir die Arbeitskarte und die Uniform übergeben. Was tragen Sie überhaupt für einen Frack?"

      „Mit fünf, dabei bleibt es. Der Frack hat eine dünne Silberborte unter dem Aufschlag. Aber für ihn und die Arbeitskarte müssen Sie extra ein Pfand hinterlassen." „Man muss es Ihnen lassen, Sie verstehen sich auf Geschäfte."

      „Es bleibt also dabei, mein Herr, wenn Sie meine Hilfe unbedingt in Anspruch nehmen wollen — und vergessen Sie nicht das Pfand. Kommen Sie heute abend zu mir. Hier ist meine Adresse. Sie können sich bei mir ankleiden, und ich werde Sie ein wenig abrichten, denn ein perfekter Kellner sind Sie nicht, ich habe gute Augen für so was. Ja, und was ich fast vergessen hätte: können Sie auch etwas Französisch parlieren? Wir Kellner, versteht sich, dürfen bei einer so feinen Gesellschaft nur französisch sprechen." „Auch darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Ich war drüben mit der Armee, habe geholfen, Ordnung zu schaffen, hehe."

      „Na, dann ist ja alles in Ordnung."

      „Möglicherweise aber werde ich Ihre Dienste nicht einmal benötigen. Ich bereite mich nur auf alle Fälle vor, Sie werden natürlich auch dann entschädigt, beruhigen Sie sich. Nur müssten Sie in dem Fall allerdings doch heute abend arbeiten."

      Drittes Kapitel

      Heinrich Klüter aus Hamburg und Fritz Globig aus Berlin sitzen im Vorzimmer des „Timekeeper" („Zeithalter"), des Mächtigen, der darüber zu entscheiden hat, wer in das Hotel Amerika zur Arbeit aufgenommen werden kann. „Nur keine Bange", sagt Heinrich Klüter zu seinem Freund. Aber die hat ja Fritz gar nicht, obgleich er auf Arbeit wartet wie ein Hund auf ein Stückchen Knochen. Er ist mager und schlecht in Schale, und er hat schon die Erfahrung gemacht, dass solche Arbeitskräfte nicht gerade begehrt sind. „Sie sind zu schwach", diesen Satz bekam er immer wieder zu hören, als er nach seiner Krankheit, die ihn stark abgezehrt hatte, auf die Arbeitsuche ging. „Sie sind zu schwach." Das bedeutet: Du kannst ruhig verhungern, mein Lieber, aus dir kann man doch nicht viel Arbeit herauspressen! Ja, er hat eine scheußliche Zeit hinter sich. Im Anfang wollte er nicht daran glauben, dass sich keine Arbeit für ihn finden würde.

      Den ganzen Tag lief er die 6. Avenue auf und ab. Man hätte meinen können, dass hier die Arbeit einfach auf Stellungsuchende warte. Eine Agentur neben der anderen. Ganze Häuser vollgeklebt mit Zetteln, kleinen weißen Zetteln: Koch gesucht, Geschirrwäscher gesucht, Portier gesucht, Hausdiener gesucht. Am ersten Tag war Fritz mächtig begeistert von diesen vielen Zetteln, die alle Arbeit anboten. Aber oben in den Agenturen verlangten sie überall erst Geld. Leicht gesagt, — von wo hätte er Geld hernehmen sollen. Er versuchte, das Herz der Vermittler zu erweichen, versprach, später das Doppelte zu zahlen. Aber die hatten wohltrainierte Ohren.

      „Nicht zu machen, mein Junge." Andere, erfahrenere Arbeitsuchende beruhigten ihn. „Glaub nur ja nicht, dass du schon Arbeit hast, wenn die dir dein Geld abknöpfen. Wir haben gezahlt; aber glaubst du, deshalb hätten wir Arbeit? Jetzt können wir unserem Geld nachlaufen. Die vielen weißen Zettel sind nur Lockspeise." „Ja, besonders dann, wenn sie merken, du bist ein Grünhorn, kannst du allerlei erleben."

      Fritz ist schon ungeduldig, er möchte endlich wissen, ob er heute Glück haben wird. Glück! Wenn man durch schwere, harte Arbeit gerade so viel verdient, dass man nicht verhungert, so hat man schon „Glück". Eine verrückte Welt das!

      Es СКАЧАТЬ