Mannesstolz. Georg von Rotthausen
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Mannesstolz - Georg von Rotthausen страница 2

Название: Mannesstolz

Автор: Georg von Rotthausen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783741805707

isbn:

СКАЧАТЬ greift zur Seifenschale. Ganz in Gedanken tritt die Schöne ihre Reise an. Kurz zucken ihre Mundwinkel, begleitet von einem kurzen Zusammenkneifen ihrer Augen. Und wie so manches Mal bei einer Überlandtour sie ihren linken Arm im Übermut in den Fahrtwind hielt, so hält sie ihn nun hinaus aus der Wanne als wolle sie zum letzten Mal im Diesseits fröhlich winken. Mit Blut kam sie ins Leben, mit Blut geht sie auf die Reise, einem Leben nach, das nicht bei ihr bleiben konnte − und langsam schwinden ihr die Sinne. Zuletzt hört sie ein Kinderlachen. Es verschönt ihr sterbendes Gesicht mit einem letzten Lächeln.

       *

      Knapp sechsdreiviertel Jahre später, zwei Wochen vor dem Morgen, an dem das Unheil verstummt sein wird, nur um damit weiteres heraufzubeschwören.

      Ein schöner junger Mann, blond, blauäugig, dessen ebenmäßige Gesichtszüge für sein Alter ein wenig zu ernst wirken, bleibt an einem Briefkasten an der Ecke der Straße, in der er wohnt, stehen, prüft die Leerungszeiten, sieht auf seine Armbanduhr, nickt unmerklich, hebt die Klappe an der Vorderseite hoch und wirft einen hellblauen Briefumschlag ein.

      „So, das ist erledigt.”

      Als er weitergeht, begegnet ihm ein Ehepaar mittleren Alters, das, seiner angesichtig, zeitgleich ein ehrliches Wie-schön-Sie-zu-sehen-Lächeln aufsetzt und seinen Gruß erwartet, der ausbleibt. Er geht wie abwesend an ihnen vorbei. Leicht konsterniert bleiben beide stehen.

      „Moin, Herr …”

      Der Rest bleibt dem Mann im Halse stecken. Beide sehen sich verwundert an.

      „Hast Du Töne, geht einfach vorbei.”

      „Hast Du seinen Gesichtsausdruck nicht gesehen?” Dem geht’s nicht gut.”

      „Sagen Sie, Herr …”, ruft der Mann ihm nach.

      „Laß ihn. Der Junge will nicht reden. Ich geh’ morgen mal zu ihm hin.”

      „Vielleicht hat Warendorff ihn angesch …, ich meine angepfiffen”, verbessert er sich, nachdem seine Frau ihm blitzschnell das Sag-es-ja-nicht-Augenbrauensignal gegeben hat. „Mann, der muß lernen, das zu ertragen.”

      Beide sehen ihm kurz nach und gehen weiter. Fünf Schritte später hat er es schon abgehakt, sie macht sich Sorgen.

      Der junge Mann hat inzwischen das Haus erreicht, in dem er wohnt, betritt es und ist froh, daß niemand von den Nachbarn ihn gesehen hat, als er seine Tür aufschließt. Er wirft den Schlüsselbund auf den Schuhschrank gegenüber dem Flurspiegel, ohne die Tür wieder abgeschlossen zu haben. Für einige Augenblicke lehnt er sich gegen die Haustür und schließt seine Augen.

      Dann stößt er sich ab, legt seine weiße Schirmmütze auf die Hutablage der Garderobe und geht in sein Schlafzimmer. Dort entkleidet er sich vollständig, legt fein säuberlich alle Stücke weg und betrachtet noch einmal sein textiles Statussymbol mit dem goldenen Streifen und Seestern darüber. Er war so stolz darauf, als er es das erste Mal tragen durfte. Bald wäre der zweite Streifen dazugekommen. Und dann hängt er es weg.

      „So, das ist erledigt.”

      Er betritt seine kleine Küche und richtet sich ein Abendbrot. Es ist wie jeden Abend, wenn er zu Hause sein kann. Nicht zu viel und nicht zu wenig, er achtet sehr auf seine Figur, beim Training und bei dem, was er zu sich nimmt. Er ißt mit Genuß, atmet nach dem letzten Bissen und letztem Schluck Weißbier tief durch, trägt ab, reinigt das Geschirr und stellt alles ordentlich weg. Eine Pantry muß immer klarschiff sein.

      „So, das ist erledigt.”

      Nach einem letzten Blick umher geht er in sein Wohnzimmer und setzt sich an den alten Schreibtisch, den sein Vater ihm geschenkt hatte. Zwei Briefe schreibt er, mit ruhiger, schöner Handschrift, faltet jeden Bogen sorgfältig, steckt jeden in einen Umschlag, den er anleckt und verklebt und zusätzlich petschiert. Er muß schmunzeln: Nicht nur die Briefe sind petschiert − er ist es auch. Aber bald ist er frei.

      „So, das ist erledigt.”

      Mit einem tiefen Durchatmen läßt er sich in seinen Lieblingssessel fallen, lehnt sich zurück und schließt die Augen. Sein Kopfkino springt an und spielt ihm die schönsten Filme seines Lebens vor, so schön, daß sein Lächeln für eine kurze Weile zurückkehrt und er sich selber zu lieben beginnt. Nach dem Höhepunkt atmet er tief durch.

      „So, das ist erledigt.”

      Nach einem letzten Blick umher geht er in sein Bad und holt sein Reisemittel heraus. Er will es gleich verwenden, aber vorher genießt er eine heiße Dusche, die ihn reinigt und doch nochmals an den Beginn erinnert, so wie sie ihn jedes Mal erinnerte, wo es begann und wie es begann − sein Unheil, seine Schmach, sein Verderben.

      Nach zehn Minuten trocknet er sich ab und hängt die Handtücher fein säuberlich auf.

      „So, das ist erledigt.”

      Er nimmt sein Reisemittel in die Hand, blickt sich ein letztes Mal um und geht in sein Schlafzimmer, denn das will er nun tun − schlafen.

      Er schlägt das Oberbett zurück, setzt sich auf die Bettkante. Die Uhrzeit nimmt er nicht mehr wahr; sie ist unwichtig geworden. Zwei Kopfkissen türmt er auf und setzt sich dagegen. Er macht mit der linken Hand eine Faust, an seinem sehnigen Arm zeigt sich die Reisestrecke, mit der leeren Spritze schickt er eine Luftblase los, zieht die Nadel heraus, ein kleiner Blutstropfen quillt hervor, er läßt die Spritze fallen, lehnt sich zurück und schließt die Augen.

      „So, das ist er ...”

       *

      Einen Tag später.

      Zwei junge Männer rennen zur Mittagszeit auf das Haus zu, in dem der schöne, junge Mann wohnt. Als der erste gerade läuten will, wird die Haustür geöffnet, und beide drücken ohne Rücksichtnahme hinein.

      „He, können Sie nicht aufpassen?” Ein empörter älterer Mann sieht ihnen böse nach.

      Nein, es schert sie nicht. Beide stürmen zwei Stockwerke hoch und beginnen, an der Tür des schönen, jungen Mannes zu klingeln und gegen sie zu hämmern.

      „Mach’ auf, mach’ endlich auf. Mann, mach’ keinen Scheiß!” Beide sehen sich entsetzt an.

      „Kannst Du nicht aufschließen oder sie einfach eintreten?”

      „Fußmatte!”

      Der das sagt bückt sich und findet einen Sicherheitsschlüssel. Gerade als sie die Tür öffnen, kommt der Nachbar heraus.

      „Was machen Sie da, was soll das? Ich kenn‘ Sie nicht”, aber er bekommt keine Antwort. „Sie, ich hol’ die Polizei!” ruft er noch, findet aber kein Gehör.

      Die jungen Männer sind längst in die Wohnung gestürmt, sehen jeder in ein anderes Zimmer und erstarren, als sie den schönen, jungen Mann entdecken. Einer tritt mit weit aufgerissenen Augen, stoßatmend an das Bett heran, fällt auf die Knie und ergreift die rechte Hand des Gesuchten.

      „Das zahlt er mir, das zahlt er mir. Ich schwöre Dir, das zahlt er mir.”

      Der in der Tür stehengebliebene junge Mann wendet sich entsetzt ab, sucht einen Stuhl und СКАЧАТЬ