Taubenzeit. L.U. Ulder
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Читать онлайн книгу Taubenzeit - L.U. Ulder страница 6

Название: Taubenzeit

Автор: L.U. Ulder

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783847629160

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СКАЧАТЬ meine Mutter. Der Mann war der Partner meines Vaters.“

      „See- und Schifffahrtsrecht, na klasse. Der kennt sich mit Containern und Schweröl aus. Was für eine Referenz! Und der hat dir das mit der Lesbenvorstellung vorgeschlagen?“

      Valerie ließ sich auf einen Stuhl sinken, ihr Blick war nach innen gekehrt.

      „Ich habe ihn gefragt, ob das etwas bringen würde. Weil ich keinen Mann als Partner präsentieren konnte und es auch nicht wollte. Ich habe es ihm in den Mund gelegt und er hat nur gemeint, dass es vermutlich nicht schaden kann.“

      Valerie besann sich an das Gespräch in dem mit dunklem Holz getäfelten Büro. Sie hatte noch gedacht, dass es der richtige Ort sei, um über Lieferverträge und Schiffstonnagen zu verhandeln, aber nicht über das Leben eines kleinen Mädchens. Sie erinnerte sich, dass eigentlich nur sie geredet und sich über die Schwerfälligkeit des Behördenapparates echauffiert hatte. Ihr Gegenüber blätterte in den Akten, machte sich Notizen, nickte hin und wieder und versprach, den Fall zu prüfen. Ihr war es vorgekommen, als hätte er überhaupt nicht richtig zugehört. Aber kaum, dass sie die Kanzlei verlassen und sie in ihrem Auto saß, klingelte bereits das Handy. Ihre Mutter war am Apparat und bombardierte sie mit Fragen über ihre vermeintliche homosexuelle Partnerschaft. Es gelang Valerie ziemlich schnell, ihrer Mutter den wahren Hintergrund zu erklären und sie zu beruhigen. So geriet die Episode vorübergehend in Vergessenheit, bis sie einige Tage darauf die Durchschrift des Briefes erhielt, den der Rechtsanwalt an das Jugendamt geschickt hatte. Darin stand es schwarz auf weiß und in ganzer epischer Breite, Valerie und Anna waren ein glückliches, gleichgeschlechtliches Paar, das sich nichts sehnlicher wünschte, als einen kleinen Menschen zu umsorgen.

      „Egal.“

      Ihr Körper spannte sich wieder.

      „Das ziehen wir jetzt so durch, wie wir es besprochen haben, zurück können wir nicht mehr. Zumindest solange, bis die Adoption besiegelt ist.“

      Sie schaute Anna in die Augen. Die Freundin verzog das Gesicht.

      „Hast du den Blick gesehen? Die Frau hat mich angeschaut, als wäre ich ein Insekt, das sich auf ihren Teller verirrt hat.“

      „Du hättest dich ruhig etwas geschickter anstellen können, beruflich stark eingespannt, mein Gott. Was hast du dir dabei gedacht?“

      „Ich hab gedacht, ich sage was Schlaues, von wegen finanzieller Absicherung und so weiter. Das ist doch nur gut für die Kleine. Man kann auch alles auf die Goldwaage legen. Du verlangst von mir, dass wir ein lesbisches Pärchen geben, das überfordert mich. Als du vorhin Herzilein gespielt hast, habe ich befürchtet, du knutscht mich gleich ab.“

      „Na und. Wäre das so schlimm gewesen? Wir müssen diese Rolle jetzt durchziehen. Und dazu passt auch nicht, dass du ständig im Internet chattest.“

      „So? Warum denn nicht?“

      „Weil du gelähmt bist und im Rollstuhl sitzt.“

      Sofort biss sich Valerie auf die Zunge, aber es war zu spät. Die Worte waren ihr im Ärger einfach herausgerutscht, sie konnte sie nicht mehr zurückholen. Sie hätte sich ohrfeigen können, weil sie genau wusste, wie sehr es Anna kränkte, aber es war zu spät.

      Augenblicklich trat ein feuchter Schimmer in die Augen der Freundin.

      „Na und? Was willst du damit sagen? Ich muss doch nicht den Laden zumachen so wie du, nur weil du enttäuscht worden bist. Ich habe keine Kontrolle über meine Beine, aber noch völlig normale Empfindungen. Dieses verdammte Ding hier“, sie schlug mit der rechten Hand auf die Armlehne ihres Gefährts, „hat mich in die Grube gelegt, aber du beerdigst mich endgültig.“

      Abrupt drehte Anna den Rollstuhl und rollte schnell den langen Flur hinunter. Sofort lief Valerie hinter ihr her und erreichte sie kurz vor ihrem Zimmer.

      „Anna warte. Das war unglaublich dumm von mir, es tut mir leid. Ich bin so angespannt wegen Zoè, das habe ich wirklich nicht so gemeint.“

      Valerie legte ihr den Arm auf die Schulter.

      Anna winkte ab und drehte ihr Gesicht zur Seite.

      „Ich weiß, ich auch nicht.“

      Valerie war bewusst, was sie der Freundin und auch sich abverlangte.

       War es wirklich die richtige Entscheidung gewesen?

      Ja, sagte sie sich trotzig. Ihre jahrelange Freundschaft war bisher durch nichts zu erschüttern gewesen, sie bedeutete Sicherheit für Zoè. Hätte sie sich in dieser wichtigen Phase ihres Lebens auf einen Mann verlassen sollen?

      „Alles wieder gut, Lenchen?“

      Ihre Hand massierte zärtlich den Nacken der Freundin.

      Die nickte nur.

      „Hast du an den Babysitter für heute Abend gedacht?“

      Anna hielt nur kurz den ausgestreckten Daumen nach oben, dann machte sie eine wedelnde Handbewegung, ohne sich umzudrehen und rollte in ihr Zimmer. Sie wollte in Ruhe gelassen werden. Deutlich konnte Valerie von hinten das feuchte Schimmern auf ihrer Wange erkennen.

      Kapitel 3

      Vier Monate zuvor.

      Der Mann am Steuer konzentrierte sich auf den Verkehr vor ihm. Mit einer hastigen Bewegung der rechten Hand fuhr er durch das graue Schläfenhaar, um sofort danach wieder das große Lenkrad mit beiden Händen zu packen. Hände, denen man ansah, dass der Mittfünfziger sein Geld nicht nur mit Büroarbeit verdiente. Derb und schwielig waren sie, trocken und eingerissen von der häufigen Benutzung scharfer Waschpaste. Die Nägel beider Daumen waren von einer seltsamen, nach innen eingedellten Form. In der Nacht hatte es Neuschnee gegeben. Auf der zweispurigen Straße lag Schneematsch, von unzähligen Reifen zu Spurrinnen ausgefahren und immer glatter werdend. Die Scheibenwischer bewegten sich mit quietschenden Geräuschen über die Panoramascheibe, das vom Vordermann hochgeschleuderte Wasser enthielt Streusalz, die hellen Schlieren erschwerten die Sicht.

      Mürrisch blickte Jürgen Finkenwerder auf seinen Beifahrer, der sich auf seinem Sitz räkelte, als ginge ihn das alles nichts an. Der Mann war nur wenig jünger, aber seine Haare waren heller, deshalb fiel der Grauton nicht so deutlich auf. Umso stärker war dafür sein Bauchansatz ausgeprägt, obwohl sein Gesicht und seine Extremitäten schlank waren. Auch seine Hände zeugten von einem arbeitsreichen Leben. Die Schuhe ausgezogen, lagen die in verbrauchten Socken steckenden Füße ausgestreckt auf dem mächtigen Armaturenbrett.

      Aus den Augenwinkeln bemerkte der Fahrer im letzten Moment, dass der Wagen vor ihnen hart abgebremst wurde, weil die Ampel umsprang. Er stieg ebenfalls in die Bremse und stützte sich am Lenkrad ab. Das schwere Wohnmobil schlingerte auf der matschigen Fahrbahn, das Heck des Pkw kam bedrohlich näher, knapp dahinter kamen sie zum Stehen.

      Ronald Leuschner schien dem Geschehen völlig entrückt zu sein. Er hatte sich mit den Füßen abgestützt, nur sein Kopf nickte bei dem Bremsmanöver nach vorn, das Handy in seinen Händen bewegte sich simultan zum Kopf. Wie gebannt starrte er auf den Monitor.

      Finkenwerder ballte seine Faust und richtete sie drohend nach vorn.

      „Du Idiot! Sogar wir wären noch bei Gelb durchgekommen. СКАЧАТЬ