Kyla – Kriegerin der grünen Wasser. Regina Raaf
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Читать онлайн книгу Kyla – Kriegerin der grünen Wasser - Regina Raaf страница 14

Название: Kyla – Kriegerin der grünen Wasser

Автор: Regina Raaf

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Kyla – Kriegerin der grünen Wasser

isbn: 9783738087871

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СКАЧАТЬ Auf dem Hinweg zur Höhle waren sie, trotz ihrer Größe, noch leicht. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Kyla sie soweit gefüllt hatte, dass sie sie zum Ziegengehege tragen konnte. Jetzt konnte sie die Wasserkübel jedoch kaum noch anheben. Sie schaffte es, indem sie ihre gesamte Kraft aufbrachte. Nun wollte sie nur noch so schnell wie möglich den Weg zurücklegen. Kyla gab sich alle Mühe, aber die Henkel der Behältnisse schnitten ihr tief in die Handflächen und einer rutschte ihr aus den Fingern, woraufhin sich das Wasser auf die ausgetrocknete Wiese ergoss. Hilflos musste sie zusehen, wie ihre aufwendige Arbeit vor ihren Augen im Nichts verschwand. Einen Moment lang spielte sie mit dem Gedanken, das Wasser aus dem anderen Behältnis einfach aufzuteilen – vermutlich würde es niemandem auffallen, und sie hätte nur die halbe Last zu tragen. Dann entschied sie sich jedoch dagegen und ging in die Höhle zurück, um den nun leeren Behälter wieder aufzufüllen.

      Als sie schließlich unter enormen Anstrengungen die beiden Wasserladungen in die Tränke der Ziegen und in den Vorratstank im Haus geleert hatte, ließ Kyla sich in der Küche einfach erschöpft auf dem Boden nieder. Der Holzboden war so herrlich kühl – sie legte ihr Gesicht darauf. Er roch vertraut und erinnerte sie an den Geruch der Bäume. Selbst der Schmutz ließ sie an ihre alte Heimat denken: der Wald – wie sehr sie ihn doch vermisste! Sie wünschte sich sehnlichst, nun den Wind zu hören, der durch die Baumwipfel strich und ihr leise ein tröstendes Lied sang.

      »Bist du krank?«, erklang stattdessen plötzlich Olhas Stimme über ihr. Kyla erhob sich schnell. »Nein.« Olha sah sie forschend an. Schließlich überprüfte sie den Wasservorrat und wies dann auf einen Stuhl am Küchentisch. »Setz dich! Wir werden heute mit dem Unterricht beginnen. Hast du schon mal ein Buch angesehen?« Kyla schüttelte den Kopf. Olha öffnete eine Lade und holte ein in Leder gebundenes Buch heraus. »Hier drin findest du viele Geschichten über unsere Welt. Einige davon sind wahr – einige frei erfunden. Wenn wir mit dem Unterricht irgendwann einmal fertig sind, wirst du diese Geschichten nicht nur lesen, oder selbst eigene aufschreiben können, du wirst auch so viel über alles wissen, was auf unserer Welt vorging und derzeit noch vorgeht, dass du einschätzen können wirst, was wahr und was Erfindung ist. Aber noch mehr wird dir möglich sein, Kyla. Eines Tages wirst du dieses Buch in den Händen halten, und wissen, wie es um die Zukunft von Chyrrta bestellt ist – du wirst sie formen, und alle werden dir folgen.« Kyla starrte sie an. Olha schien wie verzaubert von ihren eigenen Worten zu sein. Ihr Blick war so stolz. Kyla hatte ein seltsames Gefühl, denn dieser Stolz galt ihr.

      »Ich glaube nicht, dass ich aus diesen vielen Zeichen eine Geschichte erkennen kann«, widersprach Kyla, doch sie nahm das Buch und blickte auf die Seite, die Olha aufgeschlagen hatte.

      »Das wirst du, wenn du weißt, was die einzelnen Zeichen bedeuten und wie du sie aneinanderreihen musst. Glaube mir, auf einmal ist es ganz einfach, wenn du dir etwas Mühe gibst.« Kyla hatte ihr zwar zugehört, aber sie antwortete nicht, weil sie es sich einfach nicht vorstellen konnte. Sie betrachtete das Buch eingehend. Es befand sich ein Bild darauf – grünes Wasser, das sich zwischen kahlen Ebenen und steinigen Anhöhen einen Weg bahnte. Kyla machte große Augen. »Da sind Tiere drin, die aus dem Fluss trinken!«

      »Es ist ein sehr altes Buch, Kyla. Damals waren die Flüsse und Bäche noch nicht verunreinigt. Einst waren die Wasser auf Chyrrta ein Quell des Lebens, und es gab Tiere in Hülle und Fülle, sodass kein Chyrrta hungern musste. Egal, ob er in den Siedlungen lebte oder alleine, fernab von anderen. Es gab so viele Tiere, dass es ein Leichtes war, sie zu jagen. Und selbst in den Wassern gab es Lebewesen, die das Überleben eines jeden sicherten.«

      »Aber was ist passiert?« Olha lächelte. »Um das zu erfahren, solltest du das Lesen so schnell wie möglich erlernen, denkst du nicht? Denn vielleicht steht es ja in diesem Buch.«

      »Aber du hast es doch gelesen, oder? Erzähle es mir!« Kyla hatte zum ersten Mal das Verlangen, eine Geschichte erzählt zu bekommen, doch Olha schüttelte den Kopf. »Wir werden nun mit den ersten Zeichen beginnen. Und du wirst sehen, wenn du fleißig bist, brauchst du schon bald nicht mehr andere zu bitten, dir zu erzählen, was dich interessiert.«

      Sie klappte das Buch zu und legte es in die Lade zurück, um ein anderes hervorzuholen. Die Geschichten darin waren wesentlich kürzer, wie Kyla feststellte, und auf der ersten Seite gab es tatsächlich nur einzelne Zeichen zu sehen, die Olha ihr in den nächsten Stunden eines nach dem anderen erklärte. Sie übten die Aussprache, und Kyla sollte ein jedes solange selbst schreiben, bis ihre Finger vor Anstrengung zitterten. Als sie schließlich erschöpft den Federkiel ablegte, den Olha ihr gegeben hatte, stöhnte sie: »Ich übe lieber wieder mit der Axt. Buchstaben schreiben ist viel anstrengender.«

      Olha lachte. »Dann ist es ja gut, dass du morgen stattdessen mit den Kampfübungen fortfahren wirst. Aber genauso, wie das Führen einer Waffe leichter wird, wenn du mehr Muskeln hast, so wird das Lesen und Schreiben einfacher, je mehr Zeichen du beherrschst. Es ist eine anstrengende Zeit für dich, Kyla, und ich würde dich gerne damit trösten, dass deine Zukunft unbeschwert wird – aber das wird sie nicht. Es mag vielleicht eine Zeit lang für dich so aussehen, aber ich fürchte, dein Leben wird dich immer bis an die Grenzen der Belastbarkeit führen. Du wirst Großes erreichen, aber es wird dich vieles kosten, das dir lieb und teuer ist. Schwere Aufgaben und Entscheidungen warten auf dich. Zygal und ich tun unser Bestes, um dich darauf vorzubereiten. Ich wünschte nur, du würdest es dir nicht selbst so schwer machen und deine Fluchtpläne endlich aufgeben. Oder denkst du wirklich, wir wüssten nicht, dass du nur darauf wartest, dass wir einen Fehler machen? Darauf, dass wir dich lange genug aus den Augen lassen, damit du einen Baum fällen und fliehen kannst – so, wie die Angreifer es dir vorgemacht haben.«

      Kyla konnte Olha kaum anblicken, so sehr schämte sie sich in diesem Moment für ihr Vorhaben. Aber Olha ließ sich nicht erweichen und fuhr mit eindringlicher Stimme fort: »Denkst du wirklich, es war Zufall, dass sie dir diesen Weg aufzeigten? Sie wollen nur, dass du ihn benutzt, um dich zu töten, solange du noch nicht deine ganze Kraft entfaltet hast. Aber sie werden dich nicht in die Finger bekommen, solange Zygal und ich es verhindern können. Also vergiss deine Fluchtgedanken und nutze lieber die Chancen, die wir dir bieten. Nimm unseren Schutz und unser Wissen an, solange dir die Möglichkeit dazu noch bleibt.«

      »Was meinst du damit?« Kyla war völlig verwirrt von all den Dingen, die Olha ihr gesagt hatte, aber die winkte nur ab: »Lass uns jetzt Schluss machen für heute. Das lange Sitzen ist für mich ungewohnt. Normalerweise bin ich immer mit etwas beschäftigt und die meiste Zeit auf den Beinen. Mein Hintern ist schon ganz platt.« Sie lachte plötzlich, stand auf und rieb sich den genannten Körperteil, aber Kyla hatte den bekümmerten Blick bemerkt, den ihre Frage bei Olha ausgelöst hatte.

      Als Kyla in dieser Nacht zu Bett gehen sollte, legten Zygal und Olha ihr keine Kette an. »Lass uns nicht bereuen, dass wir dir unseren Schutz gewähren«, mahnte Olha, dann zogen sie und Zygal sich in ihr eigenes Schlafzimmer zurück.

      Kyla hörte die beiden noch lange miteinander tuscheln, bevor ihr Gespräch abbrach und schließlich in rhythmisches Stöhnen überging. Kyla sah aus dem Fenster, das in dieser Nacht ebenfalls zum ersten Mal unverhüllt geblieben war. Sie fragte sich, ob es dumm war, nicht zu fliehen, oder ob es schlau war, sich nicht unberechenbaren Feinden auszusetzen, sondern bei Zygal und Olha zu bleiben. Bei ihnen hatte sie immerhin bis jetzt überlebt. Und sie halfen ihr, Dinge zu erlernen, die ihr noch nützlich sein konnten. Kylas Lider wurden langsam schwer – sie schloss sie. Im Halbschlaf erinnerte sie sich daran, dass die Chyrrta, die ihr so freundlich gesonnen schienen, in ihrem Kopf unbedingt Feinde bleiben mussten. Denn wenn sie sie einmal soweit hatten, dass sie ihnen vertraute, dann würde sie nicht mehr fliehen wollen. Und dann wäre es mit der Freiheit vorbei. Kyla begann sich zu fragen, was genau diese Freiheit eigentlich war, der sie so hinterher trauerte. War es das tägliche Hungern? Oder die Parasiten, die sich in ihrer Haut einnisteten? War es die ständige Suche nach Wasser, das verträglich war und sie am Leben erhielt? Vielleicht war es aber auch die Einsamkeit, die sie so vermisste. Als sie ein lautes Furzen aus dem Nebenraum hörte, entschied sie in ihrer СКАЧАТЬ