Mann meiner Träume. Nicole Knoblauch
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Название: Mann meiner Träume

Автор: Nicole Knoblauch

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783738099775

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СКАЧАТЬ trat er wieder ein.

      „Hier, der sollte es tun.“ Er reichte mir einen einfachen dunklen Rock. „Der ist von meiner Mutter“, beantwortete er meine nicht gestellte Frage. „Und Essen habe ich auch.“ Mit einer schnellen Handbewegung holte er Brot und getrocknetes Fleisch aus einem Beutel. „Nicht gerade ein Festmahl, aber für Schiffskost nicht schlecht.“

      Ich lächelte und streifte ein Hemd über. „Deine Mutter hat erzählt, dass du jetzt Hauptmann bist.“

      „Oh ja!“, antwortete er nicht ohne einen gewissen Stolz in der Stimme. „Aber was hat es mir gebracht? Wir haben unser Heim verloren.“ Er sank auf den Hocker. „Du hattest von Anfang an recht. Paoli stand nie hinter mir und meiner Familie. Er hat zu viele Jahre im englischen Exil verbracht und betrachtet uns alle mit Misstrauen, weil wir nicht mit ihm gegangen sind.“ Sein trauriger Blick streifte mich. „Du hast mir vor Jahren gesagt, dass ich Korsika nicht befreien kann.“ Das normalerweise leuchtend helle Blau seiner Augen hatte sich getrübt und wirkte stumpf. „Vielleicht sollte ich langsam damit anfangen, dir auch die abwegigen Teile deiner Prophezeiungen zu glauben.“ Genauso schnell, wie die Trauer in seinen Blick gelangt war, verschwand sie wieder.

      „Das ist eine deiner Stärken: Du glaubst niemals irgendjemandem irgendetwas. Du hörst dir an, was es zu sagen gibt, wägst ab und triffst dann deine Entscheidungen.“

      „Ich bin mir nur nicht sicher, ob die immer richtig sind. Ich bin zwar Offizier, aber ich hatte noch nie ein richtiges Kommando. Dabei herrscht Krieg und es gibt viel zu tun! Sieh dir zum Beispiel Toulon an: Dort sind nur Stümper am Werk! Man könnte die Stadt in kürzester Zeit zurückerobern. Mit wenigen Kanonen an den richtigen Stellen wären die Engländer vor Ablauf einer Woche vertrieben. Wenn man mir nur eine Chance geben würde!“

      Auf diese Chance würde er nicht mehr lange warten müssen. Ob ich ...?

      „Schreib etwas, in dem du deine Gedanken zum Ausdruck bringst“, riet ich ihm. „Gegen den Bürgerkrieg, gegen die Aufstände und für den Nationalkonvent. Du hast immer noch Freunde in Paris.“

       In einigen Monaten würde er tatsächlich eine Broschüre mit dem Titel 'Le Souper de Beaucaire' (Das Nachtmahl von Beaucaire) drucken lassen, in der er für den Konvent und gegen den Bürgerkrieg sprach. Sein Landsmann Saliceti in Paris, ein Mitglied des Konvents, würde es lesen und ihm seinen größten Wunsch erfüllen: Als Artilleriekommandeur nach Toulon zu gehen, um die Engländer zu vertreiben. Wie sagt man so schön: Der Rest ist Geschichte.

      Jetzt erfüllte erst einmal sein Lachen den Raum. „Weißt du, wie schön es ist, ein paar Stunden mit dir zu verbringen? Deine Sicht der Dinge ist immer so erfrischend anders.“ In ernstem Tonfall fuhr er fort: „Erst einmal bin ich froh, nicht mehr in Paris zu sein, es ist ... Du kannst dir nicht vorstellen, wie es dort zugeht. Ich habe erlebt, wie die Bevölkerung letztes Jahr am 10. August die Tuilerien stürmte. Der Mob geriet außer Kontrolle. Das Gemetzel ...“ Kopfschüttelnd hielt er inne und blickte mich liebevoll an. „Gut, dass du nicht da warst. Ich hätte nicht gewollt, dass du das siehst. Allein der Gedanke, du hättest dort in diese Menge geraten können ...“

      Endlich hatte ich einen Menschen gefunden, der mich beschützen wollte, dem mein Wohlergehen am Herzen lag.

      „Ich habe gehört, was passiert ist und bin auch froh, dass ich nicht dort war. Was ist aus den Idealen der Revolution geworden?“

      „An diesem Tag wurden sie mit Füßen getreten.“ Verachtung sprach aus jeder Silbe. „Leider bin ich sicher, dass es schlimmer kommen wird. Robespierres Ziele mögen richtig sein. Die Art, mit der er es angeht ...“ Er schüttelte den Kopf und drückte meine Hand. „Ich persönlich glaube nicht mehr daran, dass es möglich ist, Gleichheit für alle zu erreichen. Das ist idealistisches Geschwätz. Es wird immer eine herrschende und eine dienende Schicht geben. Man muss eben sehen, dass man auf der Seite der herrschenden steht – und der dienenden das Gefühl geben, dass es so das Beste ist.“ Er stand jetzt und verschränkte die Hände auf dem Rücken.

      „Weißt du“, begann er von Neuem, „inzwischen bin ich noch mehr davon überzeugt, dass Rousseau mit seinen Theorien recht hatte: Da ist nichts Gutes im Menschen. Seine Triebfedern sind Furcht, Selbstsucht und Ehrgeiz. Ich bilde da keine Ausnahme. Aber ich habe erkannt, dass ich diesen Gedanken als Grundlage meines Handelns nehmen muss.“

      Es fängt an, fuhr es mir durch den Kopf. Der Glaube an die Ideale ist verschwunden. Noch vor drei Jahren wollte er einfach Soldat sein. Jetzt änderte sich das. Jetzt wollte er handeln.

      Und mit einer Wucht, wie sie nur eine unerwartete Erkenntnis liefert, verstand ich, was ihn antrieb. Es war nicht Machtgier oder Ehrgeiz – zumindest nicht am Anfang. Es war einzig und allein das Gefühl, es besser machen zu können. Man hatte es an seinen kurzen Sätzen über Robespierre und Toulon hören können: Er, Napoleone Buonaparte, würde es besser machen. Er vergaß dabei, dass selbst Robespierre nicht immer ein Vertreter des Terrors gewesen war. Seine Gedanken und Ziele zu Beginn der Revolution waren völlig andere. Der Mann, der jetzt Tausende unter der Guillotine sterben ließ, galt vor wenigen Jahren als einer der glühendsten Gegner der Todesstrafe. Macht und Verantwortung verändern einen Menschen und seine Ziele. Mein Blick fiel auf Napoleone. In diesem Moment wünschte ich mir nur eins: Die Geschichte sollte gnädiger mit diesem Mann umgehen und ihm dieses Schicksal ersparen. Wunschdenken.

      Den Rest der Fahrt redeten wir über belanglose Dinge. Aber das Gespräch ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Nicht mehr lange und er würde all seine Ideale verlieren – und Macht bekommen. Ich versuchte, nicht an die Zukunft zu denken, was gar nicht leicht ist, wenn man sie genau kennt.

      Als es langsam dunkel wurde, erreichten wir einen Hafen.

      „Ich werde in Calvi an Land gehen“, sagte Napoleone. „Wir müssen Vorräte laden und ich habe einige Dinge zu erledigen. Berière kann sich um dich kümmern.“

      Das würde nicht nötig sein. „Ich muss gehen, Napoleone.“ Durch meinen Tonfall versuchte ich zu sagen, dass ich bleiben wollte. Er streichelte meine Wange und flüsterte: „Es mach keinen Sinn zu fragen, wie du von der Insel wegkommst, oder?“

      „Nein.“

      „Ich dachte ...“ Er brach mitten im Satz ab, „Keine Vorwürfe. Ich habe es versprochen. Aber lass mich nie wieder so lange alleine.“

      Ich antwortete nicht.

      „Du sagst nichts? Möchtest nichts versprechen?“

      Ich hörte den unterdrückten Zorn. Seine Augen verdunkelten sich und glitzerten gefährlich. „Ich kann nicht, Napoleone. Die einzige Möglichkeit dieses Versprechen nicht zu brechen ist, es nicht zu geben. In Gedanken bin ich bei dir“, meine Stimme brach.

      „Werde ich jemals mehr als einen Tag mit dir bekommen? Mehr als ein paar flüchtige Stunden?“

      Ich schloss die Augen. Das wäre wundervoll. Ein Leben an der Seite des Mannes, der mich liebte. Aber das war nicht möglich. Wenn ich auch nicht wusste, wie das mit den Träumen funktionierte, wusste ich doch sicher, dass daraus niemals mehr als diese Stunden werden würden.

      Da ich ihm keine befriedigende Antwort geben konnte, sagte ich nichts und verließ fluchtartig das Schiff.

       Anna ließ nachdenklich die Aufzeichnungen sinken. Sie bestätigten ihre Befürchtungen. Napoleone ähnelte Stefan mehr, als Marie zugeben wollte. Und sie steigerte sich da in etwas hinein, das nicht gut enden würde. СКАЧАТЬ