Der Weg des Bösen. Hannes Wildecker
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Название: Der Weg des Bösen

Автор: Hannes Wildecker

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Ein Tatort-Hunsrück-Krimi

isbn: 9783748594499

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СКАЧАТЬ die Angst vor erneutem Hochwasser stieg. Doch schließlich brach der Sommer herein mit allem, was er zu bieten hatte. Hitze, Trockenheit, Dürre. Die Bauern bangten um ihre Ernte und flehten um Regen. Nun schienen ihre Gebete erhört.

      „Mehr kann ich Ihnen nicht bieten“, sagte der mehr als korpulente Taxifahrer undefinierbaren Alters mit einem Wink seines kahlgeschorenen Kopfes auf die diffus erleuchtete Gaststätte und zündete sich eine Zigarette an. Sofort breitete sich ein beißender Geruch im Inneren des Fahrzeuges aus und Maggie begann zu husten.

      „Entschuldigen Sie.“ Der Taxifahrer öffnete die Fahrertür und stieg aus, was ihm offensichtlich aufgrund seines Körperumfangs nicht leichtfiel. Er ging um das Fahrzeug herum und öffnete die Beifahrertür.

      „Es ist die einzige Kneipe, die noch aufhaben dürfte“, sagte er schulterzuckend. „Ist zwar eine kleine Stadt, aber wenn die Leute am anderen Tag arbeiten müssen … Ist nicht mehr so wie früher.“

      Er schaute auf seine Armbanduhr.

      „Dreiundzwanzig Uhr fünfzehn“, sagte er. „Zweiunddreißig Euro.“ Er hielt die Innenseite seiner klobigen rechten Hand nach vorne. „Brauchen Sie eine Quittung?“

      Maggie schüttelte wortlos den Kopf und bezahlte den Fahrer, der sich daraufhin schwer atmend hinter den Fahrersitz quälte und gemächlich davonfuhr.

      Zum alten Hermeskeiler flackerte es von einem offensichtlich defekten Transparent an der Hauswand. Maggie zögerte, doch dann gab sie sich einen Ruck und drückte die schmiedeeiserne Klinke der Gaststättentür nach unten. Ein Geruch nach Zigaretten und abgestandenem Alkohol nahm ihr fast den Atem. Sie starrte in die erstaunten glasigen Augen dreier Männer, die an einem Tisch sitzend, bei ihrem Eintreten die müden Köpfe hoben.

      „Es wird langsam Zeit, dass ihr verschwindet. Schleicht euch! Wie man sich nur so zurichten kann.“ Maggie sah in die Richtung, aus der die Stimme kam. Hinter der Theke stand ein kräftiger Mann mit schütterem rotbraunem Haar, offensichtlich der Wirt, und schaute ebenso erstaunt, als sich in seine Aufforderung die Tür öffnete und die Frau eintrat.

      „So spät noch auf den hübschen Beinen, junge Frau?“, kam es über seine wulstigen Lippen über der kräftigen, leicht gebogenen Nase und Maggie fühlte den abtastenden Blick des Wirtes, der über ihre hellblaue Bluse mit der darübergezogenen dunkelblauen wollenen Weste, die enganliegenden Jeans und die braunen Straßenschuhe glitt.

      „Sie sind sicher, dass Sie sich nicht verlaufen haben?“

      Maggie antwortete nicht. Sie sah sich in der Gaststätte um und fixierte angewidert die besoffenen Männer. Einschließlich des Wirts ordnete sie die Gestalten in die gleiche Altersklasse ein. Anfang fünfzig, dachte sie.

      „Ich bin Franz Leonhard, der Gastwirt“, sagte der stoppelbärtige Mann mit den lichten rotbraunen Haaren hinter der Theke und zündete sich eine filterlose Zigarette an. „Wollen Sie ein Zimmer? Es ist schon spät. Haben Sie kein Gepäck?“

      Maggie überhörte die Fragen.

      „Ist das die einzige Gaststätte hier?“

      „Ist Ihnen wohl nicht gut genug? Nein, ist es nicht. Aber die anderen haben um diese Zeit alle geschlossen. Doch keine Sorge, junge Frau, die Zimmer sind sauber. Agnes … Agnes ist meine Frau … versteht da keinen Spaß, müssen Sie wissen.“

      Franz Leonhard legte seine Zigarette in einem Aschenbecher ab und kam hinter der Theke hervor. Er baute sich vor den vier Gestalten auf, die wie ein jämmerliches Häuflein Elend in den Seilen hingen. Den halbvollen Biergläsern auf dem billigen Kneipentisch konnte man entnehmen, dass nichts mehr ging. Sie waren bis zur Oberkante Unterlippe zu, alle vier.

      Es war dreiundzwanzig Uhr zwanzig.

      „Also, was ist? Ich brauche auch meinen Schlaf“, hustete Leonhard die Aufforderung über die Theke.

      „Einen noch“, lallte der am jüngsten aussehende. „Eine Runde noch. Und du trinkst einen mit. Und die da auch.“

      „Es gibt nichts mehr, hast du verstanden? Wenn ihr nicht in zwei Minuten verschwunden seid, setze ich euch eigenhändig an die Luft!“

      „Is ja gut“, gab der Angesprochene mit schweren Augenlidern zur Antwort und rempelte seine glasig dreinschauenden Kumpels an. „Lasst uns verschwinden.“

      Die vier Gestalten rappelten sich auf und trotteten mit einem letzten glasigen Blick auf die Frau und den Gastwirt aus der Kneipe. Die Tür fiel mit einem satten Geräusch hinter ihnen zu und die lallenden Wortfetzen entfernten sich mehr und mehr, bis es draußen still wurde.

      „Kann ich einen Tee haben, oder ist es bereits zu spät dazu?“, fragte Maggie, während sie sich an einen Tisch setzte und auf das flimmernde Bild des tonlos eingeschalteten Fernsehers schaute. Ein altes Röhrengerät. Was sollte hier auch schon ein neues? Keiner dieser Barbaren, wie die von heute Abend beispielsweise, würde dorthin sehen. Er gehörte einfach dazu, der Fernseher, als bilderbewegende Kulisse. Bei der nächsten Fußball-WM, da würde sich wieder alles um ihn versammeln. Nüchterne und Besoffene. Falls er bis dahin nicht den Geist aufgegeben hatte.

      Es vergingen einige Minuten, bis der Wirt den Tee brachte. „Es ist ein Früchtetee“, sagte er. Es klang beflissener. „Irgendeiner. Agnes sagt, er ist gut.“

      „Es ist in Ordnung so“, sagte Maggie, ohne auf den Tee zu blicken.

      „Meine Frau sagt, sie könne Ihnen eine Kleinigkeit zu essen machen. Wenn Sie möchten“, meinte Leonhard und sah Maggie erwartungsvoll an.

      Maggie schüttelte verneinend den Kopf. „Danke. Ich bin müde. Ein Zimmer wäre gut. Für ein paar Tage. Mit Frühstück.“

      „Das geht in Ordnung“, sagte der Wirt. „Sie sehen müde aus. Ich werde Agnes Bescheid sagen, damit sie alles herrichtet. Wenn Sie gleich noch das Anmeldeformular ausfüllen, Frau …“

      „Kollinger. Margreth Kollinger.“

      „Sie haben kein Gepäck, Frau Kollinger? Wissen Sie schon, wie lange Sie hierbleiben wollen?“

      Maggie schüttelte den Kopf.

      „Kann ich noch nicht sagen“, antwortete sie leise. „Vielleicht länger. Ich habe einige Dinge hier zu erledigen.“

      Kapitel 4

      „Wie? 1994 bis 1996 Sagen Sie? Da können Sie lange im Internet suchen. Es tut mir leid, junge Frau, aber die Artikel aus dieser Zeit sind bei uns noch nicht elektronisch erfasst. Diese Art der Archivierung gibt es in unserer Redaktion erst seit … warten Sie mal … seit dem Jahr 2000, glaube ich. Damals …“

      „Das bedeutet, Sie können mir nicht weiterhelfen?“

      „Nein, nein. Nicht so hastig, junge Frau.“ Der Redakteur des Trierischer Volksfreund durchmaß mit großen Schritten das langgezogene schmale Büro der Zeitungsfiliale in der Hermeskeiler Innenstadt. Maggie sah ihm nach, doch ihre Gedanken kannten nur ein Ziel: die Presseberichte aus jenen Tagen, als ihr Vater zu Tode kam.

      Redakteur Steiner, ein schlanker Mann in den Dreißigern –seine blonden Haare waren kurz geschnitten bis auf eine Strähne an der linken Seite, die er aus dem Mundwinkel ständig aus seinen Augen blies- kam zurück und hielt eine Visitenkarte СКАЧАТЬ