Der Weg des Bösen. Hannes Wildecker
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Название: Der Weg des Bösen

Автор: Hannes Wildecker

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Ein Tatort-Hunsrück-Krimi

isbn: 9783748594499

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СКАЧАТЬ Hand umfasste den harten Griff der Waffe und ihre Fingerspitzen glitten über die Riffelung der Hartholzschalen. Ein Schaudern ging bei der Berührung durch ihren Körper. Ihr Daumen fasste den Hahn und zog ihn ein bis zwei Millimeter nach hinten, um ihn dann wieder behutsam in die Ausgangsstellung zurückzuführen.

      Maggie verspürte ein eigentümliches Gefühl in der Magengegend, als sie die klobige Tasche schloss und daran dachte, dass gerade sie mit einer Waffe unterwegs war. Zeitlebens war sie ein Feind von Gewalt gewesen, hatte das Morden in den zahlreichen Kriegen nie nachvollziehen können und sie hatte es ihrem Vater stets übelgenommen, damals, als sie Kind war, wenn er die kleine Pistole auseinandernahm und reinigte. Es war schon allein der Besitz, den sie verachtete.

      Die Waffe hatte ihrem Vater gehört. Jerry Thompson. Doch der brauchte sie nicht mehr. Er brauchte sie nicht mehr, seit sie 12 Jahre alt war. Heute, mit 30, dachte sie anders über Waffen. Vielleicht lebte er noch, wenn er dieses kleine metallene Mordinstrument bei der Hand gehabt hätte. Das war 1994. Er war 33. Damals starb er. Nicht auf natürliche Weise. Um es genau zu sagen, er starb an den Folgen eines einzigen Schlages. Es war ein Baseball-Schläger. Er traf ihn mitten ins Gesicht und deformierte es bis zur Unkenntlichkeit. Ihr Vater hatte keine Chance. Es waren vier Männer, bewaffnete Männer. Es waren dieselben Männer, die sich auch auf ihre Mutter gestürzt hatten und ihr das Schlimmste angetan hatten, was man einer Frau antun konnte.

      Damals war Maggie 12. Ein fröhliches Kind wie alle anderen Mädchen in ihrem Alter. Bis zu jenem Tag. Von da an war ihr Herz kalt. Es war mehr und mehr erfroren, wie der Winter, der langsam hereinbrach und schließlich eine Eiseskälte über das Land hauchte. In ihrem Herzen war kein Platz mehr für die schönen Dinge des Lebens. Damals hatte sie sich geschworen, die Mörder ihres Vaters zu finden.

      Dann starb die Mutter, mit 38. Sie hatte es nie verwunden, was man ihrem Mann und ihr angetan hatte. Man fand sie in der Scheune, erhängt. Einen Abschiedsbrief hatte sie ihrer Tochter an ihrem Todestag hinterlassen, einen Tag nach Maggies achtzehntem Geburtstag.

      Maggie wischte sich eine Träne aus dem Auge. Sie hatte lange nicht mehr geweint, zu stark war ihr seelischer Schmerz. Mit fahriger Hand öffnete sie erneut die billige Handtasche und fasste hinein. Ihre Hand suchte nach einem Fach an der Innenseite und fühlte ein Stück Papier, den letzten Gruß ihrer Mutter. Ihre zarten Finger ballten sich zur Faust und ohne es wahrzunehmen, zerknüllten sie das, was sie umklammerten, als sie die Erinnerungen überfielen.

      Kapitel 2

       Hermeskeil 1994

      Jerry Thompson stand am Fenster des Schlafzimmers, das er sich mit Conny Heidfeld teilte und blickte über die Wiesen und die Dächer der Stadt bis zum Horizont. Eigentlich sah er die Wiesen nicht, denn die Dunkelheit war bereits seit einigen Stunden hereingebrochen. Doch er musste sie nicht sehen, er wusste, dass sie da waren. Er sah ihr Grün mit geschlossenen Augen und er roch ihren Duft, der nach dem Mähen durch die schweren Traktoren mit ihren riesigen Mähwerken noch intensiver geworden war.

      Der Abend lag schwer und schwül über der Kleinstadt. Dunkle wassergeschwängerte Wolken zogen von Westen her über den Osburger Hochwald und das dumpfe Grollen des nahenden Donners in der Ferne kündigte das Ende der Hitzeperiode und den lang ersehnen Regenguss an.

      Das Haus der Thompsons befand sich am Ende der Stadt, einige Minuten Fußmarsch von den letzten Häusern der Stadt entfernt, am Rande eines dichten jungen Fichtenhains. Ohne die Nachbarschaft weiterer Häuser lag das kleine Anwesen gespenstig im Dunkel der Nacht. Die kleine Buchenhecke verstärkte den Eindruck der Verlassenheit noch um einiges. Daran änderte auch nichts die Sportanlage, die verlassen hundert Meter weiter, zur Hauptstraße hin, großzügig angelegt war.

      Das nächste Haus lag knapp einen Kilometer weiter entfernt am Stadtrand. Ein landwirtschaftliches Gehöft, zu dem von den Thompsons aus ein kleiner Feldweg durch die bestellten Äcker führte.

      Jerry Thompsons kräftiger Brustkorb hob und senkte sich, bevor er noch einmal einen Blick in den mannshohen Spiegel in der mittleren Tür des Kleiderschranks warf.

      „Dann wollen wir mal“, rief er seinem Spiegelbild zu und rückte seine dunkelblaue Krawatte unter der blauen Uniformjacke zurecht. Dann drehte er sich entschlossen um, warf sich den Riemen der schweren Reisetasche über die Schulter und stieg die Treppe der Balustrade hinab ins Wohnzimmer.

      Conny Heidfeld erwartete ihn am Ende der Treppe und sah ihm nachdenklich entgegen. Der Moment der Trennung war gekommen. In den nächsten Wochen würde sie alleine sein, alleine in der Abgeschiedenheit, alleine mit Tochter Maggie, die sie Meg nannten, obwohl Meg eigentlich die Abkürzung von Megan war. Sie lächelte, doch ein Hauch von Traurigkeit legte sich um ihre vollen sinnlichen Lippen. Ihr blondes glattes schulterlanges Haar fiel nach hinten über und Jerry blickte in das Gesicht, das er so liebte. Zart und zerbrechlich erschien ihm Conny heute. Ihr Gesicht war blass und ihre blauen Augen erschienen ihm in dieser Blässe wie zwei Edelsteine.

      Jerry sah auf seine Uhr auf dem kräftigen braungebrannten Unterarm und als er bei ihr angekommen war, zog er Conny zärtlich zu sich heran.

      „Danke für die schöne Zeit, Liebes, aber es wird langsam Zeit für mich. Es ist schon spät. Das Manöver beginnt in aller Frühe und wenn …“

      „Und wenn du zu spät kommst, kann der Krieg nicht pünktlich beginnen, ich weiß“, unterbrach sie ihn leise und schmiegte sich an ihn. Sie gab Jerry einen flüchtigen Kuss, wobei ihr die langen blonden Haare erneut weit nach hinten über die Schultern fielen.

      Er sah in ihre blauen Augen, die er so liebte, er spürte ihre zarten Oberarme unter seinen starken Händen. Sie zitterte leicht. Es war nicht die Kälte. Dann entzog sie sich seinen Armen.

      „Wirst du lange fort sein? Das Manöver, wann wird es beendet sein?“, fragte sie und Enttäuschung schwang in jedem Wort in ihrer Stimme mit.

      „So an die zwei Wochen musst du schon ohne mich auskommen“, erwiderte Jerry. „Aber wir fahren ja nicht raus in die weite Welt. Wir werden den Krieg in und um Baumholder führen, immer in der Nähe meiner Kaserne.“

      Er sagte meiner Kaserne. Er sagte es, wie er es fühlte. Conny wusste, dass Jerry Soldat durch und durch war. Nach der Wehrpflicht in den USA hatte er sich freiwillig gemeldet um in Deutschland stationiert zu werden. In Baumholder wurde er kaserniert und auf der Karriereleiter stieg er Sprosse um Sprosse empor.

      Sein Dienstgrad war Captain. Die Beförderung zum Major stand bevor. Und es würde weitergehen. Jerry liebte das Soldatenleben und er liebte Conny. Das war sein Leben und so sollte es auch bleiben. Sie würde ihn nicht in ein Familienleben herkömmlicher Art und Weise drängen. Nicht, solange sie so zu leben vermochten.

      Conny war stolz auf Jerry. Sie waren schon über vierzehn -nein, sie überlegte kurz- über fünfzehn Jahre miteinander liiert. Sie hatten sich kennengelernt, als sie noch Sekretärin der überörtlichen Verwaltung gewesen war. Jerry hatte damals mit den zuständigen Ressortleitern über die Häufigkeit von Flugstunden der Düsenjets über diesem Teil des Hunsrücks verhandelt. Solche Treffen gab es immer wieder. Die Bevölkerung beschwerte sich über den unzumutbaren Fluglärm, der Bürgermeister setzte sich mit den Militärbehörden auseinander und für einige Zeit schien es, als würden die stählernen Vögel die Region tatsächlich meiden. Doch irgendwann ging das Spiel wieder von vorne los. Die Bevölkerung beschwerte sich, der Bürgermeister intervenierte, das amerikanische Militär gab klein bei. Das gleiche Problem gab es mit dem deutschen Militär, der Bundeswehr. Eine unendliche Geschichte.

      Jerry hatte man stets in schlichtender Mission in den Hunsrück ausgesandt. Als er das erste СКАЧАТЬ